Zeitschrift für Theologie, geistliches Leben und christliche Kultur
Wider die Gottesvergessenheit
von Klaus Mass
Das Christentum in der westlichen Welt leidet. Unabhängig davon, ob man protestantische oder katholische Theologen befragt, erhält man von vielen Seiten den Hinweis, dass die Not der Christen unserer Tage ursächlich in einer Gottesvergessenheit bestünde. An die Stelle Gottes sei die gesellschaftliche Verantwortung, die Moral getreten. Die Aufgabe des Christentums bestehe daher allein in der Verteidigung von Werten, wie der Bewahrung der Schöpfung, der sozialen Gerechtigkeit oder der Überwindung von jeglicher Diskriminierung. Diese Werte werden nun jedoch nicht mehr oder kaum mehr als ein Lippenbekenntnis auf Gott zurückgeführt, sondern in sich selbst – als allgemein menschlich – absolut gefasst. Das so verstandene Weltethos kann sich zwar noch religiös rückbinden, setzt jedoch keine spezifische Religion mehr voraus.
Auf diese Weise wird das Christentum unerheblich und letztlich entbehrlich. Der Sinn der Religion liegt nun in einer individuellen Spiritualität, welche sich nach Belieben aus der christlichen, buddhistischen oder esoterischen Tradition bedient. Dieser Effekt ist allerdings keineswegs wie die Fachtheologen selbstkritisch eingestehen einfach so vom Himmel gefallen oder bloß Folge heutiger Globalisierung, sondern lang vorbereitet.
Die Gottesvergessenheit wurzelt in der Französischen Revolution und der Philosophie der Aufklärung. Religion wurde nun, siehe auch den Josephinismus, nach ihrer Zweckhaftigkeit Moral und Bildung zu vermitteln, verstanden. In diesem Sinne wurde auch die Theologie durch das Säurebad der Aufklärung gezogen, welches diese einerseits zwar von so mancher Krankheit zu heilen vermochte, andererseits allerdings auch neue Infektionsherde verursachte. Während nun die Menschen, gezeichnet von den Ideologien des Liberalismus, Kommunismus und Nationalismus, nicht nur durch die Kriege des 19. Jahrhunderts, sondern auch durch zwei Weltkriege hindurchmarschierten, erstarrte die Theologie. Auf der einen Seite protestantischer Rationalismus und auf der anderen Seite katholischer Antimodernismus.
Während die theologischen Neuaufbrüche im 19. Jahrhundert noch weitgehend von Lehramt und Schultheologie abgewehrt werden konnten, brachen sie sich im 20. Jahrhundert doch Bahn. Ansätze zum Neuaufbruch sind da, was jedoch – der mittlerweile völlig verbürgerlichten Kirche (Hans Urs von Balthasar) fehlt – ist die weitgehend weggebrochene volkskirchliche Verankerung. Christlicher Glaube wird, ob er nun über die oben genannten Postulate hinausgeht oder auch nicht, zum persönlichen Bekenntnis.
Doch worin wurzelt das christliche Bekenntnis? Sind es die oben genannten Werte, oder kann das Christentum auf einen Ursprung darüber hinaus zurückgeführt werden? Und genau hier taucht der Begriff der Gottesvergessenheit auf. Damit stellt sich die Frage, welchen Gott sollten die Christen den vergessen haben. Es ist ja nicht so, dass es heute an Gottesbildern mangeln würde.
Ein erster Hinweis um welchen Gott es sich handeln könnte findet sich bei den geisttlichen Meistern unserer Tage. Gleichgültig ob wir den Augustiner Tarsizus van Bavel oder den Karmelit Reinhard Körner befragen. Beide sehen als Grundproblem der Spiritualität heute die Frage nach dem Gottesbild. Sei es ein Gottesbild, welches Angst macht, weil es eine bestimmte Glaubens- und Lebensleistung vom Gläubigen verlangt oder sei es ein Gottesbild, welches bei richtiger Verehrung (wieder eine Leistung des Gläubigen), wie eine Kuh, Milch, Sahne und Butter geben sollte (Meister Eckard). Dagegen stellen die spirituellen Lehrer ein unverzwecktes Gottesbild, dem es nicht um eine bestimmte Leistung gehe, sondern um die konkrete Beziehung zwischen der Person des Gläubigen und seinem Gott. In der Sprache des Karmel: es geht um die Freundschaft mit Gott (Teresa von Avila), oder darum an der Hand des Herrn durchs Leben zu gehen (Edith Stein). Beim Beten geht es nicht darum etwas aus der Schöpfung zu erhalten, sondern um Gott, den Schöpfer selbst. Deshalb sagt Augustinus: Unruhig ist mein Herz, bis es ruht in Gott. Und Teresa von Avila fügt hinzu: Gott nur genügt.
Eine weitere verhängnisvolle Entwicklung ist fast so alt wie das Christentum selbst. Die Scheidung zwischen dem Gottesbild des Alten Testaments und des Neuen Testaments. Wird der eine Gott immer wieder als legalistisch und rachsüchtig verstanden, scheint der andere reine Liebe und Barmherzigkeit zu sein. Bereits am Anfang der Kirchengeschichte gab es Stimmen, sich vom alttestamentlichen Kanon zu trennen, die gleiche geistige Strömung trägt einen antijudaistischen Vorbehalt durch die Jahrhunderte und auch in neuester Zeit haben sich erneut Stimmen erhoben, auf das Alte Testament künftig zu verzichten. Dementgegen steht ein Bibelwissenschaftler wie Gerhard Lohfink, welcher belegt, wie sehr das NT unverständlich bleiben muss, wenn wir es von seinen jüdischen Wurzeln lösen wollten. Wenn wir von Gott sprechen, dann müssen wir folglich vom Gott der Offenbarung sprechen und dürfen dieses Gottesbild nicht in ein neu- und alttestamentliches aufspalten.
Und ein drittes: Wenn wir heute von Gott sprechen, machen wir uns sehr schnell Gedanken, ob wir von Gott als Vater oder Mutter sprechen sollten. Ob Jesus ein Mensch ist, der von Gott kündet oder ob es sich beim Christus vielleicht doch um eine Erscheinungsweise (modus) Gottes handelt, ist vielen Christen heute keineswegs mehr klar. Und der Heilige Geist, dieser göttliche Funken in mir, was soll das sein? Das Christentum unserer Tage hat den Bezug zur Dreifaltigkeit Gottes fast vollständig verloren.
Damit lässt sich die Gottesvergessenheit unserer Tage in drei ganz konkreten Aspekten benennen:
-Gott, der den Menschen nach seinem Bilde als Mann und Frau schuf, um mit diesem in unverzweckter Freundschaft zu leben. (Spiritualität)
-Gott, der sich in den Schriften des Alten- und des Neuen Bundes geoffenbart hat und sich ein Volk aus den Völkern schuf. Der dieses Volk aus der Versklavung befreite und zum Leben erweckte und dessen endzeitliche Sammlung mit Christus begonnen hat. (Biblische Theologie)
-Gott, der in sich selbst keine Einsamkeit kennt, da er stets schon Beziehung ist, der nicht in verschiedenen Weisen, sondern in einem Wesen existiert. Der Eine und Dreifaltige, der eine in sich kommunizierende Kirche geschaffen hat, in welcher die Fülle der Basilea heranzuwachsen vermag. (Dogmatik)
In seiner trinitarischen Theologie leistet Gisbert Greshake nun einem umfassenden Entwurf, Gott und auch die Kirche von der Dreifaltigkeit her neu zu entdecken und den trinitarischen Glauben an den dreipersönlichen Gott als die Herzmitte des Christseins neu zu finden.
Gisbert Greshake, DER DREIENE GOTT, Herder Verlag 2007, 640 S., 32€.
Gott, den Einen und Dreifaltigen denken
von Klaus Mass
Wie können wir Gott denken? Um über Gott reden zu können, war die Alte Kirche, wenn sie nicht in biblischen Kategorien sprechen wollte, auf die philosophische Sprache des griechischen Altertums angewiesen. Hier standen Begriffe wie „Sein“, „Natur“, oder auch „Freiheit“ zur Verfügung. Wenn die Kirche derartige Begriffe verwendete oder auch zurückwies, dann stets auf dem Hintergrund des damaligen philosophischen Verstehens.
So stellten die Arianer der Katholischen Kirche folgende Frage: Hat der Vater den Sohn aus seiner Natur oder aus seiner Freiheit heraus gezeugt? Auf dem Hintergrund der aristotelischen Metaphysik bedeutet dies: Stammt der Sohn aus dem Wesen des Vaters, so käme er mit Notwendigkeit, unabhängig vom Willen Gottes des Vaters. Stammt er hingegen aus der Freiheit Gottes, so auch aus dem Willen des Vaters.
Kommt er aus dem Wesen des Vaters, so hätte der Vater den Sohn auch gegen seinen Willen zeugen müssen. Wenn Gott jedoch frei ist und nicht unter einem Zwang steht, so kann der Sohn nur aus dem Willen des Vaters stammen. Stammt er aber aus dem Willen des Vaters, so kann er, wie alles andere Seien auch, nur Produkt des Vaters sein.
Stammt der Sohn also aus dem Wollen Gottes, so kann er sich ontologisch nicht von der Schöpfung unterscheiden. Wäre der Sohn jedoch gegen den freien Willen des Vaters gezeugt, wie könnte man dann diesen noch Gott nennen?
Damit standen die Kirchenväter vor einem schwerwiegenden trinitätstheologischen Problem. In der Tat teilten sie mit den Arianern die philosophische Überzeugung, dass, was aus Natur geschieht, Zwang und was aus Willen geschieht, Freiheit sei. Und doch wiesen sie die arianische Anfrage als ein bloßes Scheinproblem zurück.
Der philosophische Grundsatz gelte nämlich lediglich innerhalb der Schöpfung, nicht jedoch in der Transzendenz Gottes. Da Gott ungeschaffen sei, können die Gesetze der Schöpfung auch nicht auf Gott bezogen werden. Daher gebe es bei Gott auch keine Differenz zwischen Natur und Freiheit. Die Freiheit Gottes ist nach Athanasius eine ontologische Freiheit (keine bloße Wahlfreiheit wie beim Menschen), eine Wesensfreiheit. Damit sei die Zeugung des Sohnes weder ein Akt der Freiheit Gottes, noch Folge eines inner- oder außergöttlichen Zwangs.
So kann auch Epiphanius von Salamis die arianische Frage wie folgt beantworten: „Weder wollend noch unwollend hat er also gezeugt, sondern durch seine übertreffende Natur. Die göttliche Natur geht nämlich über den Willen hinaus und verfällt nicht der Zeit, noch wird sie durch einen Zwang geführt.“
Athanasius zeigt die Unsinnigkeit der arianischen Frage auf indem er sie zuspitzt: „Existiert Gott selbst aus Zwang oder aus Freiheit?“ Würde Gott ohne seinen Willen existieren, so wäre seine Natur zwangsmäßig. Existiert Gott jedoch nur aus seinem Willen zur Existenz heraus, wie wäre Gott dann vor, beziehungsweise nach seiner Willensentscheidung zu denken? Sowenig nun die Existenz Gottes von dessen Willen zur Existenz abhängig gemacht werden kann, sowenig kann man die Existenz des Logos vom Wollen des Vaters abhängig machen.
Weder muss noch will Gott existent, gut oder unsterblich sein, er ist es einfach aufgrund seiner vollkommenen und ungeschaffenen Natur.
Nun genügt es nicht, dass die Väter die arianische Frage als sophistisch zurückweisen, vielmehr bedarf es jetzt auch einer positiven Erklärung der Zeugung des Sohnes.
Gregor von Nazians setzt zunächst bei der menschlichen Zeugung an. „Wie wenig verstehst du Mensch dein eigenes Werden? Selbst wenn du verstehen könntest wie sich der Embryo entwickelt, sein Leib, sein Geist und seine Seele miteinander verknüpft sind, selbst wenn du verstehen könntest, was der Mensch von Geburt empfängt oder durch Erziehung entwickelt, wie kannst Du es wagen nach der Zeugung Gottes zu fragen?“
Auch die übrigen Theologen der Zeit bleiben bei dieser Antwort indem sie betonen, dass die Geschaffenen (also auch die Engel) nicht in der Lage sind das Ungeschaffene zu verstehen oder angemessen zu beschreiben. Jede philosophische Ausdrucksweise muss an den Grenzen des Mysteriums verstummen.
Und doch erklären sie, dass der Sohn nicht aus dem Willen, sondern aus dem Wesen des Vaters hervorkommt, dass es keinen ontologischen Unterschied zwischen Vater und Sohn gebe. Da Gott in sich immer schon vernünftig und weise sei, könne es auch keine Zeit geben, in welcher Gott ohne logos und sophia gewesen sein könnte. Es wäre unvorstellbar, dass Gott aufgrund seines Willens eine seiner Eigenschaften erst hinzugewonnen haben könnte.
Der Logos ist vielmehr (nach Athanasius) stets schon immer lebendiger Verstand und Wille des Vaters durch den alle Geschöpfe entstanden seien. Der Vater hat keinen anderen Willen oder Verstand als den logos. Damit ist die Zeugung des Sohnes eine ewige Selbstbejahung Gottes. In der Sprache der griechischen Philosophie ist der logos immer Wille und logisch. Spricht das Johannesevangelium von der Fleischwerdung des Logos, so bedeutet dies nichts weniger als die Menschwerdung des Heilswillen Gottes.
Kyrill von Alexandrien betont nun, dass auch wenn der Sohn aus dem Wesen des Vaters hervorgeht, dieser nicht ungewollt sei, da es nicht nur eine Identität zwischen der Zeugung des Sohnes und dem Wollen des Vaters gebe, sondern auch eine Identität zwischen dem Willen des Vaters zu zeugen und dem Willen des Sohnes, gezeugt zu werden. Nur weil der Sohn aus der Natur des Vaters stammt, wird er nicht gegen dessen Willen gezeugt. Der Vater liebt den Sohn und der Sohn liebt den Vater.
Mit dem hier beschriebenen Gedankenweg haben die Väter eine Denkrevolution durchgeführt. Geht die Sprache der griechischen Philosophie ursprünglich vom Wesen aus, wendet sich nun die Sprache der christlichen Philosophie zur Person. Walter Kasper sagt es so: „Nicht mehr die Natur, sondern die Hypostase erhält nun den höchsten Rang.“ Basilius der Große betont die wesenhafte Gleichheit aller drei Hypostasen von Vater, Sohn und Geist. Eine wie auch immer gedachte Subordination lehnt er streng ab. Die Monarchie des Vaters ergibt sich daraus, dass er die ursprungslose Arche sei, Sohn und Geist hingegen sind wesensgleich und ewig, doch nicht ursprungslos.
So sprechen die Väter „vom Vater, durch den Sohn, im Heiligen Geist.“
Wenn wir das Vater Unser sprechen, so sprechen wir mit Maximus Confessor die ganze Trinität an. Vater Unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme. Der Vater ist der Vater im Himmel, der Name des Vaters hingegen ist der Sohn und das Reich des Vaters der Heilige Geist.
Johannes Damacenus beschreibt die Trinität als Einheit Gottes, an deren Spitze der Vater nur in dem Sinne stünde, dass er der Ursprung sei, aus dem die Kräfte (Energien) des Sohnes und des Geistes stammen. Die drei Hypostasen bilden einen Gott ohne jede Unterordnung. Der Heilige Geist kommt für ihn durch den Sohn aus dem Vater. Der Sohn wird hier folglich nicht als Ursache des Geistes, doch als Bedingung seines Hervorgehens verstanden. Damacenus vertritt keine Herabstufung des Geistes. Mit der Zeugung des Sohnes tritt auch der Heilige Geist aus dem Vater hervor. Der Geist ist der Geist des Vaters und des Sohnes, doch nicht die Relation zwischen Vater und Sohn. So können wir verstehen, dass der Geist allein aus dem Vater stammt und es nicht zwei Ursachen oder Prinzipien innerhalb der Trinität geben kann. So sind auch die Gaben des Heiligen Geistes an die Kirche nicht allein Kräfte dieser Hypostase, sondern des einen Gottes.
Tertullian verweist darauf, dass wir Gott zunächst lediglich als Schöpfer der Welt wahrnehmen und erkennen können. Die Anrede, oder der Beiname „Vater“ ergibt sich erst aus der Offenbarung: „Denen, die glauben, gab er Macht Kinder Gottes zu werden.“ Damit entspricht das Verhältnis Gottes zu den Menschen einer Vater – Kind Beziehung. Tertullian versteht nun dieses Beziehungsverhältnis im Sinne der römischen Rechtskategorien als Machtverhältnis.
Als patria potestas, als väterliche Gewalt, also die Herrschaft eines Mannes über seine Frau, seine Kinder, sein Vermögen, seine Sklaven u.s.w.. Diese patria potestas war in der römischen Republik nahezu rechtlich unbeschränkt, erst das Kaiserreich regelt diese Hausmacht im juristischen Sinne. Konnte der Vater ursprünglich über das Lebensrecht seiner Hausgenossen willkürlich bestimmen, so reduziert sich diese potestas weitgehend auf die Kontrolle des Familienvermögens. Allerdings ist nicht jeder Mann mit Kindern gleich ein Pater familias. Dieser Begriff und die damit verbundene potestas bezieht sich allein auf den Hausvorstand. Leben also erwachsene Kinder mit ihren Familien im Haus des Großvaters, so unterstehen auch die Schwiegertöchter und Enkel der potestas des Großvaters. Somit wechseln Ehefrauen durch die Hochzeit von der potestas des eigenen Vaters in die potestas des Ehemannes oder dessen Vater. Das römische Bild des Vaters ist ein Bild des Dominus, eines Mannes den man lieben und fürchten soll.
Doch die potestas des Vaters wird nicht willkürlich ausgeübt, sondern durch Güte (bonitas) und Gerechtigkeit (iustitia) geleitet. Der vollkommende Vater ist an seiner Milde (clementia) zu erkennen. Die potestas des Vaters ist damit im römischen Sinne eine sanfte Macht (blanda potestas), welche bei Notwendigkeit allerdings auch als strenge Herrschaft (potestas severa) ausgeübt werden kann. Daher besteht die angemessene Haltung der Familienmitglieder gegenüber dem Hausvater in kindlicher Ergebenheit (pie).
Dieses gesellschaftliche Bild vom Vater überträgt Tertullian nun auf Gott, als Pater und Dominus, welchen es zu lieben und zu fürchten gilt.
Wenn der Vater im Evangelium nun alles was sein ist dem Sohn übergibt, übergibt er ihm diese Potestas. Damit gibt es keine Unterordnung zwischen Vater und Sohn, sondern eine volle Gleichberechtigung zwischen beiden. Somit ist die Selbstentäußerung Gottes nicht erst in der Menschwerdung zu finden, sondern bereits in der Zeugung des Sohnes angelegt, welche einem freiwilligen Verzicht des Vaters auf seine Potestas gleichkommt.
Und damit nicht genug: Denen die glauben gab er Macht Kinder Gottes zu werden. Durch den Glauben geht die Potestas Gottes auf den Menschen über, wird der Mensch in die Macht Gottes einverleibt. So entsteht der Leib Christi, den es immer wieder neu zu brechen und zu teilen gilt. Auf diese Weise wird das paulinische Wort verständlich, dass es in Jesus nicht mehr Mann noch Frau, nicht mehr Freie noch Sklaven gibt.
Tertullian hat sich nun bemüht das Verhältnis des einen und dreifaltigen Gottes näher zu beschreiben: Er spricht von der „Dreiheit einer Gottheit“ Drei nicht dem Stand, sondern dem Rang nach. Drei nicht der Substanz, sondern der Form nach. Drei nicht der Macht, sondern der Erscheinungsweise nach.
Der eine Gott ist folglich eins in Substanz, Macht und Stand. Eine Macht, ein Wille, eine Monarchie. Und doch ist dieser eine, eine „trinitas“. Diese trinitas drückt sich aus in drei Personen. Tertullian ist der erste, der von einer Substanz und drei Personen spricht. Damit hat Tertullian noch keine hinreichende Beschreibung der Dreifaltigkeit geliefert, wohl aber die dazu notwendigen Termini bereitgestellt.
Augustinus versucht die Dreifaltigkeit nun am menschlichen Geist (mens) zu beschreiben. Der menschliche Geist erkennt sich selbst und liebt sich selbst. Damit liegt eine Dreiheit vor, von Geist, Erkenntnis und Liebe. Doch diese drei sind nicht voneinander zu teilen und es ist auch nicht so, dass es sich bei Erkenntnis und Liebe um bloße Farben am Sockel des Geistes handeln würde. Erkenntnis und Liebe gehören essentiell zum menschlichen Geist. Erkenntnis und Liebe gehören zur Substanz des Geistes. Die drei bilden eine Essenz. Würde der Geist aufhören sich zu erkennen oder zu lieben, würde er aufhören zu bestehen. Der Geist ist nur in seiner Selbsterkenntnis und in seiner Liebe Geist. Liebe und Selbsterkenntnis sind das Wesen des Geistes. Die Substanz des Geistes ist Liebe und Erkenntnis. Diese drei sind einander untrennbar in einem Wesen durchdrungen.
Die Erkenntnis des Geistes besteht nicht nur in irgendeinem Erkennen, sondern in der Erkenntnis, dass er sich liebt. So ist die Liebe des Geistes nicht nur Liebe, sondern Liebe in der Erkenntnis sich zu lieben. So bilden Geist, Erkenntnis und Liebe eine untrennbare Einheit in ihrer sich gegenseitig durchdringenden Beziehung. Die Erkenntnis ist das Wort, welches in Liebe und Geist hervorgebracht wird. Die eine, göttliche Substanz ist somit, nach Augustinus, sich stets dialogisch durchdringende Liebe.
In einem zweiten Reflexionsgang spielt Augustinus dieses Bild von der Dreifaltigkeit noch einmal mit anderen Begriffen durch: Nun spricht er von Gedächtnis, Einsicht und Willen. Jeder menschliche Erkenntnisakt (Verstehen können) bedeutet, dass der Mensch sich an seine Kenntnisse erinnert, Notwendigkeiten einsieht und daraus ableitende Handlungen umsetzen will. Der menschliche Geist ist dort, wo er sich seiner erinnert, seine Situation versteht und seinen Handlungswillen hervorbringt. So erweisen die drei Personen in ihrer unauflöslichen Durchdringung die eine göttliche Substanz.
Schließlich folgt eine dritte Reflexion:
Gott ist Weisheit. Die drei Personen unterscheiden sich nicht darin Weisheit zu sein, sondern nur in der Art und Weise wie sie es sind. Der Vater ist der Ursprung der Weisheit. Der Sohn ist die aus der Weisheit geborene Weisheit. Der Geist ist die aus der Weisheit hervorgegangene Weisheit.
Oder:
Indem der Vater sein Wort ausspricht, bringt er sich selbst unverkürzt zum Ausdruck.
Oder:
Gott entspricht dem „Unbewussten“ (Abgrund des Gedächtnis oder inneres Wort), welches uns ins Gedächtnis (Erinnerung, Gedanke) fällt und dann ausgesprochen wird (Wort oder äußeres Wort). Das Hervorgehen des Geistes aus dem Vater: Die Bewusstwerdung des inneren Wortes und der damit verbundene Wille zur Aussprache des Wortes. Die Geburt des Sohnes: Die Aussprache des inneren Wortes. Der latente Gedächtnisinhalt wird durch den Willen oder die Liebe zu einer konkreten Einsicht aktualisiert.
Augustinus ist sich natürlich bewusst, dass es sich bei allen Gedanken hier um begrenzte Analogien handelt.
Literatur: Ysabel de Andia, Peter Hofrichter, Gott, Vater und Schöpfer, 3. Wiener Patristische Tagung, Innsbruck 2007, S.415, 28€.
Ökumene:
PNCC – Anglikanischer (ACNA) Dialog
Am 15. und 16. Februar tagte die Dialoggruppe in Bedfort und befasste sich mit folgenden Themen:
-Die Apostolische Sukzession
-Die synodale Ordnung der Kirche
-Die Einheit der Kirche
Das nächste Treffen findet am 18.-20. September in Scranton statt.
PNCC – Römisch-Katholischer Dialog
Am 9. Und 10. Mai tagte die Dialoggruppe in Scranton und befasste sich mit folgenden Themen:
-Bericht über die gewachsene Gemeinschaft zwischen beiden Kirchen.
-Diskussion über den Begriff des Dogmas in der katholischen Theologie.
-Sichtung des gegenwärtigen römisch-katholischen Dialogs mit der Orthodoxie.
-Die Position von Papst Franziskus zur Ökumene.
Das nächste Treffen findet am 8. und 9. Mai 2018 statt.
Studientag zum Thema Frauenordination
Bereits Ende November vergangenen Jahres beschäftigte sich die Polish National Catholic Church ausführlich mit dem Thema der Ordination von Frauen zum geistlichen Amt. Hintergrund des Treffens war die Gründung einer kircheninternen Gruppe mit dem Namen “Women’s Ordination Now” in der Namen Jesu Gemeinde in South Deerfield. Neben Vertretern der Gruppe nahmen auch alle Bischöfe der PNCC an dem Treffen teil.
Zunächst referierte Prime Bishop Mikovsky über die bisherige Haltung der PNCC zu dieser Frage und stellte dabei auch heraus, dass bezüglich der Ordination von Frauen sowohl die Utrechter Union, als auch die Interkommunion mit den anglikanischen Kirchen zerbrochen sei und schließlich die Union von Scranton entstanden ist.
Daraufhin folgte ein Referat von Pfarrer Randolph Calvo, welcher sich für die Möglichkeit der Frauenordination aussprach und an die demokratischen und progressiven Traditionen der PNCC anknüpfte.
Schließlich folgte ein Beitrag von Pfarrer Dr. Scott Lill, welcher die Argumente der katholischen und orthodoxen Tradition gegen die Frauenordination vortrug.
In der Konklusion bekräftigten die Bischöfe die bisherige Position der PNCC in dieser Frage und sprachen sich einhellig für eine Beibehaltung der bisherigen Position aus. Dies entspräche nicht nur dem Glauben der alten ungeteilten Kirche, sondern stünde auch in Kontinuität mit den Beschlüssen der Kirche von 1976, 1978, 2003 und 2010.
Ursprünge des Altkatholizismus (5.Teil)
Vom Josephinismus bis zum Ende der Reichskirche
Vorlesung von Mag. theol. Günther Thomann ThD (Hon)
Dozent für Kirchengeschichte am neuen Studienhaus St. Benedikt - Anglikanisch- Theologisches Seminar, Schwarzenborn (www.benedikt-seminar.de) und Pfarrer der anglikanischen Mission „King Charles the Martyr“ in Nürnberg. Zuletzt erschien von Günther Thomann, gemeinsam mit Arne Giewald: The Lutheran High Church Movement in Germany and its Liturgical Work, bei LuLu.
3.3. Der Josephinismus in Österreich
Während der Febronianismus, abgesehen von der Emser Punktuation von 1786, weitgehend reichs- und kirchenrechtliche Theorie blieb, betrat der Josephinismus die Schwelle zur unabhängigen Staatskirche. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die Rufe nach Reformen in der katholischen Kirche lauter, die nicht nur die Spiritualität, die Liturgie und die Volksfrömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Kirche betreffen sollten. Die Reformvorschläge Hontheims auf Grund historischer und juristisch-kanonistischer Grundlage fanden durchaus Interesse- sie sollten Reich und Reichskirche stärken- aber erfolgreicher war das Territorialstaatskirchenprinzip Josephs II., flankiert von juristischen und gesellschaftlichen Reformen größter Tragweite in den Habsburgischen Territorien. Das Prinzip war der ‚aufgeklärte Absolutismus‘. Joseph II, der älteste Sohn Kaiser Franz I. (1741-1790) war zunächst 1764 römisch-deutscher König, dann 1765 römisch-deutscher Kaiser nach dem Tod
seines Vaters und Mitregent mit seiner Mutter Kaiserin Maria Theresia (sie wurde nie zur Kaiserin gekrönt und wollte es nie, ließ sich jedoch 1741 zur Königin von Ungarn krönen!), bis er nach dem Tod seiner Mutter 1780 König von Böhmen, Ungarn und Kroatien wurde. Von 1781 bis 1790 war er Alleinregent und römisch-deutscher Kaiser. Die Reformen betrafen nur die damals Habsburgischen Territorien also vornehmlich Ober- und Niederösterreich, Kärnten, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Breisgau als Vorländer, Restschlesien (der größte Teil war nach dem sogenannten Siebenjährigen Krieg oder Dritten Schlesischen Krieg 1765 endgültig verlorengegangen), Ungarn mit seinen Vorländern Kroatien und Slawonien und dem Fürstentum Siebenbürgen, Böhmen, Mähren, Görz (Gorizia, Gorica), Krain (Slowenien), nach 1772 Galizien (Erste Polnische Teilung, ohne Krakau und Lublin), schließlich die 1774 vom Osmanischen Reich erworbene Bukowina als Grenzland und Verbindungsstück zwischen Moldawien (es blieb weitgehend osmanisch, bis Rußland 1812 den Osten, Bessarabien, annektierte), Galizien und Siebenbürgen, die Toskana sowie von 1714-1797 Lombardei und Mailand. Die übrigen Territorien des Reiches (auch Salzburg war damals noch nicht österreichisch) betrafen die Reformen juristisch nicht! Allerdings betrafen die Maßnahmen auch die österreichischen Sekundogenituren (Nebenlinien) in Oberitalien, besonders in der Toskana und Lombardei.
Der Josephinismus war eine ‚Revolution von oben‘, ‚alles für das Volk, nichts durch das Volk‘. Er beruhte auf den Theorien der frühaufklärerischen Philosophen sowie Staats-und Naturrechtstheoretiker Hugo Grotius (de Groot, 1583-1645), Samuel von Pufendorf (1632-1694) und Christian Thomasius 1665-1728), letzterer hatte an der neuen preußischen Staatsuniversität Halle gelehrt. Das bedeutete auch einen Ausbau an Verwaltung und Kontrolle in Richtung eines modernen Staates. Preußen und Österreich wurden die modernsten Staaten auf dem Territorium des Heiligen Römischen Reiches im 18. Jahrhundert, die damit ihr Staatsgebiet auch politisch und wirtschaftlich absichern konnten! Von 1781-1790, also von der Alleinregentschaft bis zum Todesjahr Josephs II., nahmen die Reformen in Österreich an Umfang und Durchsetzungskraft zu. So wurden das Meldewesen und die Hausnummern eingeführt, das Ende der Leibeigenschaft vorbereitet, die Folter und die Todesstrafe abgeschafft (letztere allerdings aus Nützlichkeitserwägungen- die Delinquenten
wurden Zwangsarbeiter), für die Protestanten und Orthodoxen gab es Toleranzpatente (1781), auch die Juden bekamen größere Freiheit. Eine bessere Behandlung von Kranken und Geisteskranken sollte folgen (erstes Allgemeines Krankenhaus und Irrenhaus in Wien). Das Maria-Theresianische Polizei- und Spitzelsystem, das auch die Kirche mit einbezog (Maria-Theresianische Polizeikirche) wurde eher ausgebaut, als abgebaut. Josephs erster Minister, Wenzel Anton Graf von Kaunitz-Rietberg (1711-1794) war ein Sympathisant des Gallikanismus und ein persönlicher Freund des Aufklärers Voltaire (eigentlich Francois-Marie Arouet 1694-1778). Kaunitz brachte Österreich auch politisch näher an Frankreich gegen Preußen. Josephs Leibarzt Gerard van Swieten (1700-1772), der aus den Niederlanden stammte, aber Katholik im Utrechter Sinne war, hatte ähnliche Neigungen, war aber auch Freimaurer und Medizinreformer. Sein berühmtester Schüler war Franz Anton Mesmer (1734-1815), der Theoretiker des ‚animalischen Magnetismus‘, der langfristig auf den Okkultismus länger eingewirkt hat als auf die Medizin. An den Universitäten hatte der Josephinismus in Karl Anton von Martini (1726-1800), Joseph von Sonnenfels (1732/33-1817) und Joseph Anton von Riegger 1742-1795) seine wichtigsten juristischen Vertreter.
Sie arbeiteten zusammen die Grundlagen der josephinischen Reformen aus. Die Lehrbücher für die Seminarien schrieb der Benediktinerabt von Braunau (Broumov) in Böhmen, Franz Stephan Rautenstrauch (1734-1785). Nach Riegger war das Verhältnis von Staat und Kirche ein Unionspakt (pactum unionis), im Namen aller Individuen habe die Regierung eine gewisse kirchliche Jurisdiktion über die ‚jura circa sacra‘. Nach Kaunitz habe der Staat die Hoheit über die Kirche, denn diese verdanke ihre Rechte und Privilegien dem Staat und damit wären kirchliche Angelegenheiten auch öffentliche Angelegenheiten des Staats. Damit waren die juristischen Grundlagen für eine reformorientierte, weitgehend autonome Territorialstaatskirche nach französischem Muster geschaffen- anders als bei Hontheim, der eine Erneuerung und Stärkung der Reichskirche erhoffte. Es überrascht nun nicht, daß in dieser Zeit zahlreiche Nachdrucke der Werke gallikanischer Kanonisten, aber auch Hontheims, veranstaltet wurden. Der förmliche Bruch mit Rom sollte aber vermieden werden. Dies gelang in dieser Zeit trotz aller Reformen auch, denn das Papsttum war auf dem absoluten Tiefstand seiner Macht und Autorität! Ab 1781 ging Kaiser Joseph nun rasch ans Werk. Päpstliche und andere kirchliche Gesetzgebungen wurden der kaiserlichen Zustimmung (placet) unterworfen, Beziehungen der Bischöfe mit Rom oder der kirchlichen Orden mit ihren Generälen im Rom oder im Ausland wurden verboten, Entscheidungen über Ehehindernisse oblagen nun den Bischöfen, nicht mehr Rom. Die Bischöfe wurden durch einen Pflichteid gegenüber dem Staat gebunden. Als 1782 Pius VI. nach Wien reiste, um die Reformen zu verhindern, blieb er erfolglos. Joseph drohte ihm mit dem offenen Bruch mit Rom und der Schaffung einer romfreien Kirche. Die Annahme päpstlicher Titel wurde ebenso verboten wie die Anwesenheit seiner Untertanen an der päpstlichen Universität in Rom. Als Alternative wurde die Universität in Pavia (Lombardei) reformiert und ausgebaut. Überhaupt baute Joseph das Schul- und Universitätswesen gründlich aus, die Universität in Lemberg (L’viu) in Galizien verdankt ihm ebenso ihren Ursprung. Die Kirchenreformen Josephs erstreckten sich übrigens auch auf die Orthodoxen, zuerst in der neuerworbenen Bukowina. Sie wurden nicht mehr zur Union genötigt, doch das Vermögen ihrer aufgelösten Klöster floß ebenso in einen Kirchen- und Schulfond, der in der Bukowina noch bis zum Einmarsch der Sowjetarmee 1945 bestand (Kirchenfond der Metropolie von Czernowitz).
Praktisch bedeutete der Josephinismus im kirchlichen Leben: 1. Die Reduzierung der Pracht in der Liturgie, der Gebrauch von Kerzen wurde begrenzt, überflüssige Seitenaltäre mußten entfernt werden. 2. Die Breviere wurden nach französischem Vorbild von Legenden und Papstfabeln wie der Konstantinischen Schenkung gesäubert, das Offizium Gregors VII. war ohnehin verboten. 3. Die Begrenzung des Eintritts in Klöster und die Aufhebung der meisten Klöster. Ihr Vermögen wurde in einen Kirchen-und Schulfond überführt. Maria Theresia hatte bereits 1751 begonnen, den Orden und Klöstern die privilegierte Stellung zu nehmen. Ab 1767 wurden Eintritte in Klöster begrenzt. Allein in der Lombardei kam es bis 1780 zur Auflösung von 80 Klöstern. In den Kernländern begann man damit ab 1773 und als Papst Clemens XIV. 1773 auf Drängen Frankreichs den Jesuitenorden auflöste, wurden die Niederlassungen der Jesuiten auch in Österreich aufgelöst. Das Vermögen der aufgelösten Orden und Klöster floß ab 1782 in einen neu gegründeten Religionsfond. Um 1770 hatte es in allen österreichischen Territorien noch 2163 Klöster gegeben, davon alleine in Wien (heute: Wien 1.-3. Bezirk) 26! Die Bettelorden Franziskaner, Dominikaner, Karmeliter, Augustiner-Eremiten) sowie alle kontemplativen Orden und deren Klöster wurden vollständig aufgelöst. Sie galten in der Aufklärung als Zentren des Aberglaubens und religiösen Fanatismus. Die großen Stifte (in Österreich: Stift ist Kloster!) der Benediktiner, Zisterzienser, Prämonstratenser und Augustiner-Chorherren wurden in ihrem Bestand gesichert, allerdings verpflichtet, Gymnasien einzurichten. Da die Chormönche alle eine akademische Ausbildung besaßen, konnten sie den Unterricht selbst durchführen. Langfristig sicherte dies den Bestand der alten Orden sogar, der Reichsdeputationshauptschluß von 1803 und die daraus resultierende Demontage der Reichskirche traf die österreichischen Länder nicht. Noch heute existieren in Österreich die großen Stifte wie Melk, Zwettl, Klosterneuburg, Göttweig, Wilhering, Admont in der Steiermark (in der NS-Zeit aufgelöst, nach dem Krieg restituiert), Heiligenkreuz im Wienerwald, Reichersberg und viele andere mit ihren großen Bibliotheken, Kunstsammlungen und Kaisersälen. Der Orden der Augustiner-Chorherren überlebte fast nur in Österreich. Allerdings blieben ab 1788 in allen österreichischen Territorien insgesamt nur 388 Klöster erhalten, das heißt etwa nur 15% des ursprünglichen Bestandes. Der Religionsfond wurde zur Gründung neuer Pfarreien und Bistümer verwendet. Linz und St. Pölten wurden beide 1785 gegründet aus Teilen des Bistums Passau; die kleine Diözese Wiener Neustadt wurde hingegen im selben Jahr aufgelöst und Wien zugeschlagen; alles geschah durchaus mit Zustimmung Pius VI. Andere Teile des Religionsfonds gingen an wohltätige pädagogische Einrichtungen, die jedoch oft kirchlich verwaltet wurden. Der Fond hatte ein Vermögen von 35 Millionen Goldgulden. Mönche und Nonnen aufgelöster Orden und Klöster erhielten eine Pension, so
wie es auch wenig später nach der Auflösung der Reichskirche geschehen sollte. Ordenskleriker wurden auf Pfarrstellen übernommen. Eine neue Gottesdienstregel ordnete die Gestaltung der Messe, der Altäre, Orden, Wallfahrten und Prozessionen, die aber in der Bevölkerung oft nicht verstanden wurde, besonders auf dem Lande. Kirchenbesitz, der der Säkularisation entgangen war, wurde ab 1788 mit einer Steuer belegt. Orden und Klerus mußten also hinfort Steuern bezahlen. Zur Ausbildung der Priester wurden 12 Generalseminare mit einheitlichem Studiengang (der Studienplan war von Abt Rautenstrauch) errichtet: Wien, Graz, Olmütz (Olomouc), Prag, Pressburg (Bratislava), Pest (Budapest), Innsbruck, Freiburg im Breisgau, Löwen, Pavia und Lemberg, davon eins für den römischen, eins für den unierten griechisch-katholischen Ritus, auch ruthenischer Ritus genannt. Damit war faktisch eine autonome Staatskirche entstanden.
Das hatte nicht zuletzt auch wirtschaftliche Gründe: Die hohe Zahl an Klöstern, zusammen mit ständischen Ordnungen, bremste die wirtschaftliche Kraft in den katholischen Ländern in der Epoche des Merkantilismus (Frühkapitalismus). Zu viel Kapital war im Vermögen der ‚toten Hand‘ (Manus mortua, Kirchenbesitz), zu viele Arbeitskräfte gingen der Wirtschaft durch Eintritte in Klöster verloren und bremste die Bevölkerungsvermehrung, die im Frühkapitalismus für die gesteigerte Produktivität dringend notwendig war. Österreich versuchte also jetzt mit Preußen, Großbritannien und den Niederlanden, auch mit Frankreich gleichzuziehen und die Strukturen für ein modernes Wirtschaftssystem zu schaffen. Nach französischen Vorbild sollte der österreichische Staat ein politisch und kirchenpolitisch starker Staat mit zunehmend zentralistischen Strukturen sein. Nur wurde aus dem Vielvölkerstaat mit unterschiedlichen Sprachen und unterschiedlichen ständischen und sozialen Ordnungen mit ihren Privilegien nicht so schnell ein starker Zentralstaat. Später mußten daher viele Reformen zurückgenommen werden. Daß Joseph II. Jansenist war, wie es von der ultramontanen Geschichtsschreibung, aber auch der alt-katholischen manchmal behauptet wurde (für die
Ultramontanen waren Gallikanismus und Jansenismus ein gemeinsames häretisches System!) ist sehr zweifelhaft. Maria Theresia hatte wohl leicht jansenistische Prägungen in ihrer Frömmigkeit und van Swieten war ein Niederländer, der der Utrechter Jurisdiktion angehört hatte, aber die Aufklärung war eine stärkere Kraft in Josephs Denken sowie in seinem Freundes- und Mitarbeiterkreis. Daß Joseph stark gallikanische Ideen hatte, ist nicht zu übersehen, diente ihm doch die gallikanische Kirche als Muster für seine Kirchenpolitik. Allerdings führte die Säkularisation von Kirchenbesitz auch zu einer Verachtung und Respektlosigkeit gegenüber den Klöstern und geistlichen Privilegien, die in den Territorien des alten Reiches nach 1803 eine stärkere Wirkung zeigen sollte, als in dem wachsenden und sich konsolidierenden Territorialstaat der Habsburger. Auffallend sind auch zwei Maßnahmen, die Hand in Hand gingen: Die Vermehrung der Kronländer (Galizien, Bukowina, Lombardei, seit 1785 auch Oberösterreich als Österreich ob der Enns) und die Identität der Bistumsgrenzen mit den Staatsgrenzen (Gründung der Bistümer Linz und St. Pölten aus Teilen des Bistums Passau) sollten die Herrschaft der Habsburger in ihrem Territorium stärken und die Einflußnahme auswärtiger Mächte begrenzen. Wir werden sehen, daß diese Kirchenpolitik, nämlich staatliche und kirchliche Verwaltungseinheiten identisch zu machen, in der französischen Zivilkonstitution von 1790 zum Durchschlag kommen sollte. Es versteht sich, daß die neuen Bistümer Josephs II. keine Reichsstandschaft mehr hatten, also keine Hochstifte mit einem eigenen staatlichen Territorium mehr waren, sondern nur noch staatskirchliche Verwaltungseinheiten.
3.4 Die Synode von Pistoia und ihr Scheitern.
Die Josephinischen Reformen wurden auch in den österreichischen Sekundogenituren (Habsburg-Toskana, Habsburg-Modena, Habsburg-Este) in Oberitalien durchgeführt, am intensivsten in der Toskana und im lombardischen Pavia. Ja, man begann mit der Säkularisation von Klöstern in Italien, bevor man den Schritt im Kernland im größeren Umfang wagte. 1786 luden Leopold, Großherzog der Toskana und Scipione de‘ Ricci (1741-1810), Bischof von Pistoia und Prato zu einer Diözesansynode in Pistoia ein, die Vorläufer eines toskanischen Nationalkonzils sein sollte. Ziele sollten die Wiederherstellung der Autorität der Diözesansynoden, die Reform der Breviere nach französischem Vorbild, die Betonung der bischöflichen Autorität gegenüber der päpstlichen und die Verringerung der Ordensprivilegien sein. Die Synode stand ganz im Zeichen der Kirchenpolitik Josephs II. und wird in der Literatur oft fälschlich als jansenistisch bezeichnet. Wenn man von der Verurteilung des jesuitischen Herz-Jesu-Kultes absieht, war sie in keiner Weise jansenistisch. Am 26. Januar 1786 erging also das Zirkular des Großherzogs an die toskanischen Bischöfe. Trotz der Feindseligkeit der meisten Bischöfe rief Bischof Scipione de‘ Ricci am 31. Juli 1786 zur Diözesansynode auf, die am 18. September 1786 feierlich in der Kirche des hl. Benedikt in Pistoia eröffnet wurde. 233 Weltpriester und 13 Ordenspriester nahmen daran teil. An der hohen Teilnahme des Weltklerus sieht man, daß die Reformideen im niederen Klerus sehr weit verbreitet waren. Die Reformpläne wurden auch mit größter Einmütigkeit beschlossen. Das erste Dekret der Synode (‚Decretum de fide et ecclesia‘, ‚Dekret vom Glauben und der Kirche‘) war, daß die römische Kirche kein Recht habe, neue Dogmen einzuführen, lediglich den Auftrag habe, den Glauben der Apostel zu bewahren. Ihre Unfehlbarkeit erstreckt sich allein auf die Dinge, die der Heiligen Schrift und der wahren (!) Tradition entsprechen. Der Mißbrauch von Ablässen, Prozessionen und Heiligenfesten wurde verurteilt, das Sonntagsgebot mit konsquenter Ladenschließung wurde gefordert und ein zweisprachiges Meßbuch für das Volk sollte ebenfalls herausgegen werden, das es in Frankreich schon ansatzweise gab. Durchschlagender sollten die Reformen im Ordenswesen werden: Alle Orden, außer den Benediktinern, sollten abgeschafft werden (was im Wesentlichen der Kirchenpolitik Josephs II. entsprach) und Nonnen sollten die ewigen Gelübde erst mit 40 Jahren ablegen dürfen. Ein Nationalkonzil wurde ebenfalls gefordert. Tatsächlich kam es durch die Unterstützung des Großherzogs und de‘ Riccis am 23. April 1787 zum Toskanischen Nationalkonzil in Florenz. Aber dort scheiterten die Beschlüsse der Synode von Pistoia. Die Bischöfe waren mehrheitlich feindselig gegen die Reformen eingestellt und verweigerten allen das Votum, die nicht selbst Bischöfe waren. Noch problematischer war für die Reformer der Tod Josephs II. im Jahr 1790. Großherzog Leopold folgte Joseph als Leopold I. auf den Thron und verließ die Toskana. Ricci gab 1791 sein Bischofsamt auf und zog sich bis zu seinem Tod ins Privatleben zurück. Papst Pius VI. verurteilte die Beschlüsse der Synode am 28. August 1794 in der Bulle ‚Auctorem fidei‘. Im Mai 1805 wurde Ricci zu einem Widerruf gezwungen, der von seiner Seite nicht ehrlich gemeint war, wie man seinen zwischen 1857 und 1865 herausgegebenen Briefen und Memoiren entnehmen kann, die dann auch sofort in Rom indiziert wurden. Die Akten der Synode selbst waren bereits 1788 in Pavia lateinisch und italienisch herausgegeben worden. Nach dem Scheitern des Toskanischen Nationalkonzils sollte bald auch das ganze Kirchenreformwerk Josephs II. zusammenbrechen. Aber auch Pius VI. hatte ein glückloses Pontifikat. In der Französischen Revolution wurde er 1790 durch die Zivilkonstitution und die darauf folgende Konstitutionskirche in Frankreich entmachtet, die er allesamt zusammen mit den Menschrechten 1791 verurteilte. 1796 eroberten Napoleons Truppen den Kirchenstaat und als Pius VI. 1798 Widerstand leistete, wurde er nach Frankreich verschleppt, wo er 1799 in Valence starb.
3.5 Der Reichsdeputationshauptschluß von 1803 und das Ende der Reichskirche.
Als Kaiser Joseph II. am 20. Februar 1790 in Wien starb, hatte er noch den Ausbruch der
Französischen Revolution am 14. Juli 1789 erlebt. Seine Schwester Maria Antonia war ja als Marie Antoinette Königin von Frankreich, ihre Hinrichtung am 16. Oktober 1793 unter dem Jakobinerterror mußte er allerdings nicht mehr erleben. Josephs Nachfolger, Leopold I., mußte das Vordringen der Revolutionstruppen in die Rheinlande und die Ausrufung der Republik Mainz mit ansehen. Unzählige Priester und Ordensleute, auch evangelische Geistliche, gaben während der Revolution nicht nur ihr Amt auf, sondern oftmals auch den christlichen Glauben, andere, die am Glauben festhielten, wurden nicht selten unter dem Terror des Wohlfahrtsausschußes (1793/94 mit Maximilien de Robespierre als Vorsitzenden) eingekerkert, in die Kolonien deportiert oder hingerichtet. Mit der Machtergreifung des Generals Napoleon Bonaparte am 9. November 1799 als Erster Konsul (ab 1804 Kaiser) beruhigte sich die Lage in Frankreich, wurde aber militärisch und ideologisch für das Reich noch bedrohlicher. Napoleon hatte bald das gesamte linksrheinische Gebiet erobert und annektiert, der Adel wurde durch Enteignung seines Besitzes vertrieben. Die drei vornehmsten geistlichen Fürstentümer, die Hochstifte Mainz (der ‚Primas Germaniae‘), Köln und Trier, sowie die Hochstifte und Bistümer Worms und Speyer, waren fest in französischer Hand und wurden ins französische Staats- Kirchensystem integriert. Der enteignete Adel forderte Entschädigung vom Reich. Kaiser Leopold starb bald, ihm folgte bereits 1792 Franz II. (Franz II. als römisch-deutscher Kaiser, seit 1804 als Franz I. Erbkaiser von Österreich in Antwort auf die Proklamation des Erbkaisertums Napoleons) auf den Thron. 1801 scheiterten die Alliierten (Preußen und Österreich) militärisch gegen Napoleon, im Frieden von Lunéville wurde bereits die Säkularisation der geistlichen Fürstentümer und die Abtretung des linksrheinischen Gebiets an Frankreich vertraglich festgehalten. Österreich verlor die Toskana, an eine Kirchenreform war dann ohnehin dort nicht mehr zu denken, aber die Sekundogenitur wurde nach dem Reichsdeputationshauptschluß durch vier ehemalige Hochstifte entschädigt, die damit kurzfristig österreichisches Staatsgebiet wurden: Salzburg (später dauerhaft), Würzburg, Passau und Eichstädt (heute in Bayern). Habsburg-Modena bekam den österreichischen Breisgau, den Napoleon schließlich 1806 an Baden gab. Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803, auf dem Reichstag in Regensburg erlassen, war das letzte Reichsgesetz. Es trat am 27. April 1803 in Kraft und bedeutete die vollständige Demontage der Reichskirche. Die geistlichen Territorien verschwanden vollständig, die Kurwürden wurden völlig verändert, neue traten hinzu: Hessen-Cassel, Baden, Württemberg, Salzburg (säkularisiert 1803 auf Befehl Napoleons) und Regensburg (die ehemalige Mainzer Kurwürde, sie wurde durch Dalberg auf Regensburg übertragen) bekamen zusätzlich die Kurwürde, da die linksrheinischen Hochstifte ohnehin französisch geworden waren. Man spricht dabei in der Forschung von einer ‚Fürstenrevolution‘. Der letzte Erzbischof von Mainz, Karl Theodor von Dalberg, hatte es immerhin geschafft, seine Kurwürde auf Regensburg zu übertragen, das schließlich kurzfristig ein weltliches Fürstentum wurde. Das Vermögen der säkularisierten Hochstifte und Klöster sollte nun den linksrheinischen Adel und die österreichischen Sekundogenituren entschädigen- eine völlige Pervertierung des josephinischen Säkularisationsgedankens, nach dem ja das kirchliche Vermögen kirchlichen und wohltätigen Zwecken zu Gute kommen sollte. Es ist auffallend, das Kaiser Franz II. und die katholischen Kurfürsten, die nun in Parität mit den protestantischen waren, das Reichsgesetz mit unterschrieben! Die Säkularisation, unter Maria Theresia und Joseph II. begonnen, hatte nun einen völlig anderen Zweck bekommen. Der Einfluß Frankreichs wurde schon spürbar, wo nach der Zivilkonstitution von 1790 alle Klöster aufgehoben wurden. Das Ansehen der Reichskirche war auf ihren Tiefststand gekommen, die Klöster wurden schlicht ausgeplündert, Immobilien und schwer verkäufliche Bücher, Musikalien und Kirchengeräte zu Billigpreisen auf den Markt geworfen- doch fanden sich oft keine Käufer, da entweder kein Markt oder zu wenig Kapital für den Erwerb vorhanden war. Mönche und Nonnen bekamen eine Pension, einige schwach besetzte Klöster baten daher geradezu um die Säkularisation. Ehemalige Ordenspriester bekamen Pfarrstellen. Die neuen Kurfürsten konnten sich aber nur kurz ihrer Kurwürde erfreuen, die Auflösung des Reiches am 6. August 1806 war dann nur noch eine Formsache. Kaiser Franz II. war schon vorher mit seinen Territorien aus seinem eigenen Reich ausgetreten und begründete, in Antwort auf Napoleons Kaiserproklamation, ein eigenes Erbkaisertum Österreich, während sich auf dem Boden des Reiches neue Staaten dauerhaft etablieren konnten, darunter die Königreiche Bayern und Württemberg und das Großherzogtum Baden, während andere, wie das Königreich Westphalen, 1807 für Napoleons Bruder Jerome gegründet, nur kurzlebig waren (es zerfiel bereits 1813). Diese Fürsten kamen durch Napoleon zu ihren Würden und wurden seine Verbündeten, bis sich das Kriegsglück Napoleons wendete
Alle Rechte vorbehalten. Copyright: Günther Thomann. Schwarzenborn , Studienhaus St. Benedikt, REKD, 2016 Fortsetzung folgt. Weiterführende Lektüre: alt-katholisch-zeitgemäß. Die Geschichte einer anderen katholischen Kirche, Nordstrand 2009
Spiritualität:
Herz Jesu Frömmigkeit auch für Altkatholiken?
Das dynamische Prinzip unserer Welt
Von Pater Gerhard Seidler OPR
Im Gegensatz zur römisch-katholischen Spiritualität kennen die altkatholischen Kirchen kein „Herz Jesu Fest“ und doch ist zu fragen, ob die Herz Jesu Frömmigkeit, welche oft mit einem politisch-reaktionären Katholizismus spezifisch französischer Prägung in Verbindung gebracht wird, nicht doch auch für Altkatholiken heute wertvolle Impulse enthält?
So findet sich die Herz Jesu Verehrung sowohl in der mittelalterlichen Mystik, als auch in der Gegenwartstheologie:
„Selig das Herz, das spürt Deines Herzens Kuss, o Gott-Liebe, und das eingeht mit dir den Bund unauflöslicher Freundschaft. O wann, wann soll fest ich umschlungen werden durch deine seligen Arme und ganz unmittelbar anblicken Dich, o Gott meines Herzens?“
Gertrud, die Große von Helfta (1256-1302) im Band 5 ihrer Geistlichen Übungen (481-484)
Zusammen mit ihren Mitschwestern Mechthild von Magdeburg und Mechthild von Hackeborn ist sie ein leuchtendes Beispiel der Herz Jesu Mystik des deutschen Hochmittelalters, das vor allem durch das Wirken des Zisterzienserordens gefördert und forciert wurde. Ein wahrer Schatz an Schriften tut sich da auf.
Für den französischen Jesuiten Pierre Teilhard de Chardin ist das Herz Jesu der „Motor der Evolution“ und das „dynamische Prinzip der Welt“. Wir begegnen – mit dem Herzen - einem Urwort, in dem Sache und Bild, der ausgesagte Begriff und das Wort noch eins sind, so wie es uns in vielen großen Worten von Dichtern und Denkern vermittelt wird.
Diese Urworte sagen viel mehr aus als das, was man als klare Begriffe bezeichnet, denn sie übersteigen unsere Grenzen und zeigen uns letztendlich den liebenden Heilswillen Gottes.
Mit diesen Gedanken bin ich unvermittelt im Zentrum des Geschehens: Der große Gott kümmert sich unermüdlich um jeden einzelnen, er sorgt sich um jeden. Er gibt keine Ruhe, bis das verirrte Tier der Herde auf seinen Schultern ruht. So ist Gott. Er ist der gute Hirte. Verantwortungslosen Hütern entzieht er den Auftrag, um selbst tätig zu werden! Um jeden einzelnen von uns müht er sich, als ginge es um sein eigenes Leben. Dabei bestimmen nicht Profit und Gewinn seine Überlegungen, sondern die Vielfalt, die in seiner Herde ihren Platz hat. Gott hat jeden von uns ins Herz geschlossen und wir sind frei. Die Freude des Hirten über den wiedergefundenen Ausreißer zeigen, so sagt es Jesus, auf Gottes und seiner Engel Freude angesichts eines schuldbeladenen Menschen, der vor ihm einen neuen Anfang wagt.
Die Liebe, die dieses vollbringt, ist für uns nicht zu begreifen, sie ist unverständlich und übersteigt alles was wir vom Umgang miteinander kennen. Dieses weite Herz Jesu fand Mechthild von Magdeburg wenn sie singt:
„Herr, du bist mein Geliebter, meine Sehnsucht, mein fließender Brunnen, meine Sonne und ich bin dein Spiegel.“
Wenn wir nun ins alt-katholische Gesangbuch Eingestimmt schauen, um dort nach der Herz Jesu Frömmigkeit zu suchen, so finden wir zunächst eine Gedankenkehre. Nicht von Herz Jesu ist die Rede, sondern vom Herzen des Christen:
„Ich will dich lieben, meine Stärke, ich will dich lieben, meine Zier, ich will dich lieben mit dem Werke und immerwährender Begier, ich will dich lieben, schönstes Licht, bis mir das Herze bricht.“ (Nr.464, 1.Strophe: „Ich will dich lieben, Angelus Silesius (1657)).
„Mein schönste Zier und Kleinod bist auf Erden du, Herr Jesus Christ; dich will ich lassen walten und allezeit in Lieb und Leid in meinem Herzen halten.“ (Nr. 466,1.Strophe Meine schönste Zier, Leipzig (1597).
„Fremdlinge sind wir, unterwegs auf Erden, noch nicht am Ziel, stets zwischen Sein und Werden, unruhigen Herzens nach den Sternen langend, hangend und bangend.“ (Nr. 479, 1.Strophe, Fremdlinge sind wir, Marie Luise Thurmair (1985)).
In diesen Liedern geht es um das aktive Herz des Sängers. Um den Menschen, der sich nach Liebe sehnt und sich deshalb fremd in dieser Welt fühlt. Alle Aktivität liegt beim Menschen vom Herzen Jesu ist keine Rede.
Doch folgende Lieder gehen einen Schritt weiter und geben Antwort auf die vorausgegangenen Sehnsuchtsrufe:
„Das ist der Herre Jesus Christ, der ja die göttlich Wahrheit ist, mit seiner Lehr hell scheint und leucht, bis er die Herzen zu sich zeucht.“ (Nr.469, 2.Strophe, Du höchstes Licht, Johannes Zwick (vor 1542)).
„Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm mein König und mein Bräutigam, du hältst mein Herz gefangen“
„Gieß sehr tief in mein Herz hinein, du leuchtend Kleinod, edler Stein, die Flamme deiner Liebe und gib, dass ich an deinem Leib, dem auserwählten Weinstock, bleib ein Zweig in frischem Triebe.“ (Nr. 463, 1+3.Strophe: Wie schön leuchtet der Morgenstern, Philipp Nicolai (1599)).
Das sich nach Christus sehende Herz wird nun von diesem aktiv an sich gerissen und mit
Liebe gefüllt. Die vorausgegangenen Strophen kann man nun wie Ruf und Antwort singen. Und das Gesangbuch geht sogar noch einen Schritt weiter:
„O Herz des Königs aller Welt, des Herrschers in dem Himmelszelt, dich grüßt mein Herz in Freuden.“ (Nr. 471, 1. Strophe, O Herz des Königs aller Welt, Paul Gerhard (1656)).
Jetzt endlich schwingen die Herzen der Gläubigen und das Herz Jesu miteinander. Und schließlich kommt es zum finalen Bekenntnis:
„Du König auf dem Kreuzesthron, Herr Jesus Christus, Gottes Sohn: dein Herz verwundet und betrübt, hat uns bis in den Tod geliebt." (Nr. 465, 1.Strophe, Du König auf dem Kreuzesthron, Friedrich Dörr (1972)).
Wenn die altkatholische Liturgie auch kein Herz-Jesu Fest kennt, so kennt die altkatholische Frömmigkeit, wie wir sie hier im Gesangbuch gefunden haben, doch eine ausgeprägte Herz Jesu Spiritualität.
Das letztgenannte Lied entspricht ganz der römisch-katholischen Präfation vom Herz Jesu Fest:
„Aus seiner geöffneten Seite strömen Blut und Wasser, aus seinem durchbohrten Herzen entspringen die Sakramente der Kirche. Das Herz des Erlösers steht offen für alle, damit sie freudig schöpfen aus den Quellen des Heiles.“
Der liturgische Ursprung des Herz Jesu Festes liegt im mittelalterlichen Gedenktag von der Heiligen Lanze. Das altkatholische Unbehagen an diesem Fest erklärt sich nicht nur daher, dass es lange Zeit als katholische Manifestation gegen den Geist der Aufklärung inszeniert und mehrfach auch politisch interpretiert wurde, sondern vor allem darin, dass es von Pius IX 1856 für die ganze katholische Kirche als verbindlich eingeführt wurde. Damit gehört das Fest – nicht jedoch der Festinhalt – zu den „Neuerungen“, die von den Altkatholiken am Ende des 19. Jahrhunderts ganz endschieden abgelehnt wurden. Unter den letzten Päpsten kam es zu einer Neuinterpretation des Festes, während Johannes Paul II den Fokus von der Sühne zur Barmherzigkeit verschob, betonte Benedikt XVI weniger die Eucharistische Anbetung und stärker die Betrachtung des Kreuzes.
In Gottes Namen?
Von Kreuzzügen, Inquisition und gerechten Kriegen
Lutz E. von Padberg, Brunnen Verlag 2010, 255 S., 19,95€
(K.M.) Der Paderborner Ordinarius für Mittelalterliche Geschichte Lutz E. von Padberg befasst sich mit den häufigsten Vorwürfen gegen das Christentum. Ob nun die Rede von den Kreuzzügen, der Inquisition, der christlichen Frauen- oder Judenfeindlichkeit oder von gerechten Kriegen ist, der Historiker geht allen Fragen sachgerecht nach. Mit sicherem Schritt führt er durch die Thematik von der biblischen Basis, über die Patristik, durch Mittelalter und Reformationszeit, bis in Neuzeit und Gegenwart hinein. Die Fülle der Thematik verlangt natürlich Reduzierungen und Beschränkungen, sodass dem Leser anzuraten ist, geleichzeitig ein kirchengeschichtliches Lehrbuch zu konsultieren. Der Autor selbst bietet zu jedem Kapitel ein umfangreiches Literaturverzeichnis mit weiterführenden Titeln.
Padberg, der auch an der Freien Theologischen Hochschule in Gießen Historische Theologie lehrt, schreibt aus dezidiert freikirchlicher Perspektive. Das Buch ist – aus katholischer Sicht – überraschend intelligent geschrieben, da es keine bloße Apologetik betreibt, sondern die Licht- und Schattenseiten der Kirchengeschichte tatsächlich herausarbeitet. Weder wird die Reformation von ihm als Bruch mit der vorausgehenden Kirchengeschichte gewertet, noch einseitig glorifiziert. Im Gegenteil, sowohl die historischen Kontinuitäten, als auch Fehlentwicklungen bei den Reformatoren werden ausdrücklich benannt.
Einschneidender als die Reformation ist für den Autor der Wandel von der urchristlichen Bekenntniskirche zur Reichskirche im vierten Jahrhundert. Die meisten Fehlentwicklungen der Kirchengeschichte führt Padberg auf die Verknüpfung von Staat und Kirche zurück. Daher hält es der Autor auch für unsachgemäß das Christentum mit der Kirche zu identifizieren.
Das macht die Spannung dieses historisch sauber erarbeiteten und zugleich doch theologisch recht einseitig verorteten Werkes aus. Padberg möchte mit seiner Schrift den Christen kirchengeschichtliche Fakten an die Hand geben, um damit ausdrücklich für den Diskurs mit zwei Gesprächspartnern gewappnet zu sein, zum einen mit dem „Neuen Atheismus“ und zum anderen mit dem Islam. Wenn man dem Historiker auch nicht vorwerfen kann, auf die philosophischen Grundlagen des „Neuen Atheismus“ nicht eingegangen zu sein, so hätte der Leser doch ein Kapitel zur Spannungsgeschichte von Christentum und Islam dringend erwartet.
Für interessierte Leser mag es auch von Interesse sein, vorliegendes Buch mit dem in der letzten Ausgabe vorgestellten Werk „Die große Hure Babylon“ aus der Feder katholischer Kirchenhistorikerinnen zu vergleichen. Aus unterschiedlichen Perspektiven stellen sich beide Bücher demselben Thema, der Verunglimpfung des Christentums als Klischee.
Buchbesprechungen von Axel Stark, Akademischer Oberrat Universität Passau
Walter Kardinal Kasper / Mouhanad Khorchide,
Gottes Erster Name
Ein islamisch-christliches Gespräch über Barmherzigkeit, Ostfildern 2017, Patmos Verlag,
117 S. 12,99 €
Dieses Gespräch zwischen dem katholischen Kardinal Kasper (Rom) und dem islamischen Theologieprofessor Khorchide (Münster) fand am 6. September 2016 in der deutschen Botschaft beim Vatikan statt. Im Geleitwort der Botschafterin Schavan heißt es: „Der Dialog von Walter Kasper und Mouhanad Khorchide über die Barmherzigkeit ist ein wichtiger Baustein für die Basis im Dialog von Christen und Muslimen. … Theologische Reflexion klärt und klärt auf. Damit kann sie einen Beitrag leisten, Religionen vor Verengungsgeschichten und politischer Vereinnahmung zu bewahren.“ Interessant ist es, dass das Thema Barmherzigkeit im Zentrum beider Theologen steht, die unterschiedlichen Religionen angehören und die auch Unterschiede zeigen, aber eben auch Gemeinsamkeiten. So kann eine Brücke zwischen den beiden Religionen gebaut werden, die nicht ohne gesellschaftlich-politische Folgen bleiben darf. Gläubige beider Religionen können Anwälte und Praktiker der Barmherzigkeit in dieser globalen Welt sein. Jürgen Erbacher, Herausgeber dieses wichtigen Buches, stellt den Bezug zu Papst Franziskus her: „Gewalt erzeugt neue Gewalt. Vorurteile erzeugen neue Vorurteile. Nur in der Begegnung und der Offenheit, vom anderen lernen zu wollen, liegt die Chance für eine friedliche Zukunft. Davon ist Papst Franziskus überzeugt. Entsprechend handelt der Papst und versucht, seine Kirche zu einer dialogfähigen Kirche der Begegnung und des Dialogs zu machen – mit der Welt, mit Andersdenkenden und den anderen Religionen.“
Erich Garhammer,
Und er bewegt sie doch
Wie Papst Franziskus Kirche und Welt verändert,Würzburg 2017, echter, 160 S., 12.90 €.
Ein taz-Artikel 2013 über Papst Franziskus hat Erich Garhammer so verärgert, dass er, was er sich vorher nie hätte vorstellen können, ein Buch über den Papst geschrieben hat: eine Hommage für Papst Franziskus. In diesem Buch kommen die Reformanliegen von Franziskus, die weit über die Kirche hinausgehen, zu Wort. Die Kraft der Bibel inspiriert seine Theologie genauso wie die lateinamerikanische Befreiungstheologie, das Zweite Vatikanische Konzil und die ignatianische Spiritualität. Franziskus macht die besten Traditionen seiner Kirche zum Weltgespräch – und lebt sie vor.
Garhammer beginnt mit dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI. und der Wahl von Kardinal Bergoglio, seiner Rede im Vorkonklave und seinen ersten Auftritten als Papst. Dann wird der Papst als Jesuit, seine Prägung durch die ignatianische Spiritualität und als seine Vorbilder der Jesuitengeneral Pedro Arrupe (1907-1991) und der „Alltagsmystiker“ Peter Faber (1506-1546) vorgestellt. Im Kapitel über Franziskus – „der Knotenlöser“ (nach dem Gnadenbild Maria Knotenlöserin) wird an einigen Beispielen gezeigt wie er selbst weltkirchlich zum Knotenlöser wird: bei der Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils, beim Umgang mit der Liturgie und den Medien und beim Umgang mit den wiederverheirateten Geschiedenen. Als Grundhaltungen, die den Papst bestimmen, gelten für Garhammer „die Freude am Evangelium“, ein neues Amtsverständnis - nicht überwachen, sondern wachsam Prozesse begleiten -, Hirten mit dem „Geruch der Herde“, die „Einfachheit des Lebens“, „an der Seite der Armen“ stehen und die Werke der Barmherzigkeit verkünden und leben.
Zum Schluss weist Garhammer auf das letzte Interview von Kardinal Martini SJ (1927-2012) über die notwendige Reform der Kirche hin und sieht in Papst Franziskus denjenigen, der die Reformanliegen von Martini aufgreift und umzusetzen versucht. Allein geht es nicht, alle Menschen guten Willens sind da angefragt.
Franz J. Hinkelammert, Urs Eigenmann, Kuno Füssel, Michael Ramminger,
Die Kritik der Religion. Der Kampf für das Diesseits der Wahrheit
Münster 2017, Edition ITP-Kompass Bd. 21, 164 S.
Das ITP – Institut für Theologie und Politik – wurde 1993 in Münster gegründet und versteht sich als Multiplikator befreiungstheologischer Theorie und Praxis unter aktuellen globalen gesellschaftlichen Bedingungen und als Schnittstelle zwischen Kirche und sozialen Bewegungen.
Es geht darum, neue Machtverhältnisse zu schaffen und zwar von unten her. Ein Wandel der Verhältnisse geschieht nicht von allein, sondern braucht Reflexion, Organisation, Beratung und Begleitung. Das ITP will sich auf den Weg machen zu einer anderen Kirche und Gesellschaft, die dem Reich Gottes näher kommt, als das, was heute alternativlos gilt.
Der Schweizer Pfarrer i.R. und Buchautor Urs Eigenmann schreibt über „Das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit als himmlischer Kern des Irdischen. Ein Beitrag zur Unterscheidung der Geister“. Ihm geht es vor allem darum, das Reich Gottes aus der Ver-Jenseitigung/Verhimmelung zu befreien und wieder den Bezug zum Hier und Jetzt zu festigen.
Kuno Füssel, der ehemalige Mitarbeiter von Karl Rahner und Johann B. Metz, reflektiert das Thema Religion marxistisch, religionswissenschaftlich und befreiungstheologisch. So kommt ihm die „Religion des Kapitalismus in Zeiten der Globalisierung“ kritisch ins Blickfeld.
Franz J. Hinkelammert, Theologe und Volkswirt, macht sich Gedanken über die „Annullierung unbezahlbarer Schulden“. Dies gehört für ihn zu den Hauptprinzipien der Lehre Jesu und wird auch im Vaterunser ausgesprochen. Deshalb kritisiert er deutlich Friedrich Nietzsche und Ludwig von Mises, den Begründer des Neoliberalismus.
Michael Ramminger, auch ehemaliger Mitarbeiter von Johann B. Metz, untersucht „Die Linke und die Religionskritik“. Allen Autoren geht es sowohl um Kritik an den Religionen und insbesondere am Christentum, als auch um eine Religionskritik des Christentums an der „Verhimmelung der Welt“. Sie sehen darin auch einen Konvergenzpunkt linker und christlicher Religionskritik.
Pater Gerhards Kräuterkolumne
MÖNCHSPFEFFER – KEUSCHLAMM – Vitex agnus castus
Eine notwendige Hinführung zu diesem wunderschön blau blühenden Bäumchen: Der Name „Mönchspfeffer“ deutet eine Verbindung zu den zumindest offiziell zölibatär Lebenden Mönchen an. Nicht nur aus den kriminologischen Abenteuern der Schwester Fidelma von Cashel und ihres Mitstreiters Bruder Edulf, die im 7. Jahrhundert gewirkt haben – so ihr Erfinder Peter Tremayne – sind uns in der klösterlichen Welt Doppelklöster überliefert. Das sind Klosterbezirke, in dem Mönche und Nonnen unter der Leitung eines gemeinsamen Ordensoberen lebten, wobei jedoch die männlichen und weiblichen Kommunitäten einer strengen Trennung unterlagen, unterliegen sollten! Im Westen umfasste die Lebensdauer der Doppelklöster, besonders im früheren angelsächsischen Raum, das 5. bis 9. Jahrhundert. In Frankreich, Italien und dem späteren Deutschland erlebten diese ihre Blütezeit im 11. und 12. Jahrhundert. Im 13. Jahrhundert wurden die Doppelklöster fast überall aufgegeben; eine der beiden Gemeinschaften verschwand oder wurde verlegt. Gründe dafür waren vor allem die kritische Haltung von zeitgenössischen Kirchenführern gegenüber diesen Einrichtungen. Langer Rede, kurzer Sinn: Überall wo Menschen zusammen leben menschelt es, kann, zum Schrecken der Oberen, Lust und körperliche Liebe wachsen und gedeihen. Gelegenheit schafft Liebe! Diese Oberen blätterten in alten Folianten und wurden fündig. Den Griechen galt Mönchspfeffer als Symbol der keuschen Ehe. Dioscurides beschreibt den Keuschbaum als Anaphrodisiakum. So wurde der würzige Keuschlamm-Same („Keusch wie das Lamm“) als Pfefferersatz in der Klosterküche eingeführt, um leichter mit dem „Drängen des Triebes“ umgehen zu können, um die Lust zu unterdrücken. „Er löscht aus des Fleisches Brunst und Begierde …“, dämpft den Sexualtrieb beider Geschlechter. Dabei muss hoch dosiert werden, denn zu niedrige Gaben „laben den Knaben“, meint, sie stärken die Lust.
Franz von Sales (1567–1622) erwähnt die Anwendung von Agnus Castus in seinem Büchlein „Philothea“ im 13. Kapitel - „Ratschläge zur Bewahrung der Keuschheit“: „Wer sich auf das Kraut Agnus castus bettet, wird selbst keusch und schamhaft. So wird auch dein Herz von jeder Makel und böser Lust gereinigt, wenn es im Heiland ruht, dem wahrhaft reinen und makellosen Lamm.“ Auf die mit dieser Pflanze verbundene Keuschheit und Reinheit deuten auch die Namen „agnus“ – „das Lamm“ und „castus“ – „keusch“ hin.
In der sogenannten Volksmedizin wurde die Pflanze darüber hinaus zur Förderung des Milchflusses, bei Impotenz und auch als Appetitzügler eingesetzt. Der wichtigste Einsatzzweck des Mönchspfeffers in heutiger Zeit ist die Frauenheilkunde, da er die weiblichen Hormone ins Gleichgewicht bringt. Er wirkt milchtreibend und hilft sowohl gegen Periodenprobleme als auch bei Wechseljahrbeschwerden. Diese Wirkung hängt mit seiner Funktion als Phytohormon zusammen, denn der Mönchspfeffer kann die körpereigene Progesteronbildung anregen und sorgt dafür, dass die Ausschüttung anderer Enzyme normalisiert wird.
Obwohl in erster Linie als Frauenkraut verwendet, hat man seine Vorzüge auch bei der Behandlung von Hoden- und Prostataentzündung entdeckt. Darüber hinaus wird Mönchspfeffer bei Potenzstörungen und Depressionen eingesetzt.
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Redaktion: Klaus Mass, Kapellenstraße 7, 85254 Einsbach, pfarramt-christ-katholisch@web.de
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