Zeitschrift für Theologie, geistliches Leben und christliche Kultur
Kardinal Jorge Mario Bergoglio zum Papst gewählt
Bereits in den ersten Stunden seines neuen Amtes setzte Papst Franziskus, der Nachfolger von Benedikt XVI durch sein schlichtes und sympathisches Auftreten Zeichen. Er forderte seine Kirche auf sich weniger mit sich selbst zu beschäftigen und warnte diese vor einem gefährlichen Klerikalismus. Stattdessen sollten die Geistlichen den Kontakt zu den Armen und Ausgegrenzten am Rande der Gesellschaft und Kirche suchen.
Papst Franziskus gilt als Verfechter der Würde des Menschen insbesondere in der Verteidigung von Ehe und Familie. Während seines ersten Auftritts stellte er sich den Menschen auf dem Petersplatz als Bischof von Rom vor, welchen die Kirche vom „Ende der Welt“ gerufen habe. Ob Papst Franziskus mit diesen Worten bereits eine Neuordnung des Verhältnisses zwischen Orts- und Weltkirche andeuten wollte, wird sich in der Zeit seines Pontifikats erst noch erweisen müssen. Seine ersten Personalentscheidungen und Themensetzungen werden innerhalb und außerhalb der katholischen Welt jedoch mit Spannung erwartet. Dass er zu seiner Amtseinführung den Patriarchen von Konstantinopel einlud und sich bereits wenige Wochen später mit der Spitze der evangelischen Kirche in Deutschland traf, darf sicherlich als ermutigendes ökumenisches Zeichen verstanden werden. Gut einen Monat nach seiner Wahl hat der Heilige Vater ein Beratergremium von acht Kardinälen aus aller Welt berufen. Unter Ihnen der Münchner Erzbischof Kardinal Marx. Dieses Beratergremium, von manchen Medien auch als „Kronrat“ oder „Regierung“ bezeichnet, soll dem Papst Vorschläge zur Erneuerung der römischen Kurie unterbreiten.
Gerne schließt sich auch die Christ-Katholische Kirche in Deutschland seinem Wunsch an, für Ihn und sein neues Amt um den Segen Gottes zu beten.
Bischof Roald Nikolai Flemestad zum 70. Geburtstag
Feststehen auf Ewigkeitsgrund – Gedanken bei Edith Stein zum Wesen und zur Berufung von Mann und Frau von Klaus Mass
„Das Heilmittel gegen die Zeitkrankheiten sind ganze Menschen (…), die feststehen auf Ewigkeitsgrund, unbeirrt in ihren Anschauungen und in ihrem Handeln von den wechselnden Modemeinungen, Modetorheiten und Modelastern um sie her. Jeder solche Mensch ist wie eine feste Säule, an die sich viele anklammern können; durch ihn können auch sie wieder festen Boden unter die Füße bekommen.“[1]
Dieses einführende Zitat mag zunächst nach einem schmeichelhaften Gruß zum siebzigsten Geburtstag eines katholischen Bischofs als angemessen ausgewählt erscheinen. Obwohl es vor deutlich mehr als siebzig Jahren von einer Frau ausgesprochen wurde, die dabei sicherlich nicht die Nordisch-Katholische Kirche im 21. Jahrhundert vor Augen hatte. Entstammt es doch einem Vortrag, der wohl kaum aktueller die theologischen und anthropologischen Fragestellungen des Jubilars heute treffend zu kennzeichnen vermag.
Es war Dr. Edith Stein, die 1928 in Ludwigshafen vor dem katholischen Lehrerinnenverein zum ersten Mal zum Thema Frauenbildung und Gegenwartsfragen sprach und dabei nicht nur nach der angemessenen Verortung von Mann und Frau in der modernen Gesellschaft suchte, sondern sich auch 1931 auf einer Vortragsreise nicht scheute, die damals wie heute, aktuelle Frage nach der Ordination von Frauen ins Geistliche Amt zu diskutieren.
Die katholische Intellektuelle gibt einen kurzen Rückblick auf die bereits vor dem Ersten Weltkrieg einsetzende Emanzipationsbewegung der Frau. Dabei macht sie die vorherrschenden Kampflinien deutlich: Einerseits ging es von links um die individuelle Befreiung der Frau aus gesellschaftlichen Ketten und damit um die Eröffnung aller männlichen Bildungs- und Berufswege für das weibliche Geschlecht, andererseits ertönte von rechts der bürgerliche Gegenruf: „Die Frau gehört ins Haus, da ihre Eigenart zu den männlichen Berufen nicht tauglich sei.“ Die Frauenrechtlerinnen begannen nun konsequent die Rede von der Eigenart der Frau zu leugnen. Es ging ihnen um die reine faktische Gleichheit der Geschlechter in allen Lebensbereichen. Einige Jahre später wird Simone de Beauvoir 1949 in „Das andere Geschlecht“ die Existenz der Geschlechter explizit leugnen und zu bloßen gesellschaftlichen Konstrukten erklären.
Heute wird im Allgemeinen der aus dem Englischen stammende Begriff Gender verwendet, um eine Unterscheidung zwischen dem biologischen Geschlecht (sex) und dem sozialen Geschlecht (gender) treffen zu können. Es geht hierbei keineswegs mehr um die Klärung des anthropologischen Wesens von Mann und Frau, sondern lediglich noch um deren soziale Rolle in der jeweiligen Gesellschaft. Ursprünglich sollte der von John Money 1955 in die Diskussion eingebrachte Genderbegriff gar nicht zur Klärung des Verhältnisses von Mann und Frau in der Gesellschaft beitragen, sondern auf die schwierige Situation von intersexuellen Menschen mit uneindeutiger Geschlechtsidentität aufmerksam machen. Die sogenannte Genderideologie verstieg sich dann in den sechziger Jahren zu der Behauptung, dass das menschliche Geschlecht frei wählbar und beliebig zu verändern sei. In den siebziger Jahren wurde der Genderbegriff dann von feministischen Gruppen (Virginia Price) aufgegriffen und auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft übertragen. In den sogenannten Gender Studies gehen manche AutorInnen dann sogar soweit, dass sie die Behauptung aufstellen, dass z.B. Frauen einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht ein eigenes Geschlecht darstellen könnten. Auf diese Weise wurde der Genderbegriff zu einem Ausdruck für gesellschaftliche Machtstrukturen. In der gegenwärtigen Diskussion wird der Genderbegriff häufig unkritisch verwendet, aber auch kritisch hinterfragt. Der Genderbegriff greift einen Dualismus auf, als ob Körper und Geist des Menschen unabhängig voneinander existieren könnten. Der Genderbegriff erweist sich folglich nicht als Möglichkeit der Versöhnung zwischen männlichem und weiblichem Wesen, sondern als Kampfbegriff zur Auflösung menschlicher Ganzheitlichkeit.
Edith Stein erkannte sehr genau die Finalität der sich anbahnenden Diskussion: Wer die Eigenart der Geschlechter leugne, könne auch nicht mehr von deren Eigenwert sprechen. Die Existenz der geschlechtlichen Eigenart ist für die Referentin nichts anderes als eine selbstverständliche Tatsache. Sie differenziert zwischen der Rolle der Frau in der Gesellschaft und dem Wesen der Frau, welches ihr Eigenart und Eigenwert verleiht.
Um den Eigenwert der Frau zu erschließen, versucht sie zunächst deren Eigenart zu erkunden. Dabei greift sie erkennbar ohne sonderliche persönliche Begeisterung als erstes auf die Erkenntnisse der damals noch jungen Wissenschaft der Psychologie zurück. Dem Mann würde hier eine besondere Sachlichkeit und damit eine gewisse Einseitigkeit in allen Lebensbereichen attestiert, während der Frau der Begriff der Persönlichkeit zugeschrieben sei. Der psychologische Persönlichkeitsbegriff wird nun von Edith Stein in seinen vielfältig gemeinten Bedeutungen näher beschrieben, sodass wir heute wohl besser und problemlos den Terminus der Ganzheitlichkeit einsetzen sollten. „In der Frau lebt ein natürlicher Drang nach Ganzheit und Geschlossenheit (…), sie möchte selbst ein ganzer Mensch, ein voll und allseitig entfalteter werden, und sie möchte anderen dazu verhelfen es zu werden, und jedenfalls, wo sie mit Menschen zu tun hat, dem ganzen Menschen gerecht werden.“[2]
Um aus der Eigenart der Frau nun einen Eigenwert zu erschließen, greift die durch Edmund Husserl und Max Scheeler geschulte Philosophin auf den Begriff der Person zurück. „Alle Wahrheit will von Personen erkannt, alle Schönheit von Personen geschaut und genossen sein. Alle sachlichen Werte sind in diesem Sinne für Personen da. Und hinter allem, was in der Welt an Wertvollem zu finden ist, steht die Person des Schöpfers, der alle erdenklichen Werte als ihr Urbild in sich schließt und überragt.“[3]
Die besondere Bedeutung des Menschen in der Schöpfung ergibt sich für Edith Stein nun in der Personalität des Menschen. „Und zwar der Mensch, in dem das Bild Gottes in möglichster Reinheit entfaltet ist, in dem die Gaben, die der Schöpfer in ihn gelegt hat, nicht verkümmern, sondern aufblühen, und in dem die Kräfte in der Ordnung stehen, die Gottes Bild entspricht und von Gott gewollt ist: der Wille von der Erkenntnis geleitet und die niederen Kräfte von Erkenntnis und Willen gezügelt. Das ist der ganze Mensch von dem wir sprachen.“[4]
Das Streben nach Ganzheitlichkeit des Menschen gehöre selbstverständlich zu beiden Geschlechtern, sei in der Frau jedoch besonders ausgeprägt, da sie über eine natürliche Veranlagung zur Gefährtin und Mutter verfüge. Gefährtin zu sein bedeute festen Boden unter den Füßen zu haben, in sich zu ruhen und so zum Halt und zur Stütze des Anderen zu werden. Mutterschaft wird hier von Edith Stein wie folgt gefasst: „Mutter sein – d.h. wahres Menschentum hegen und hüten und zur Entfaltung bringen.“[5] Die Begriffe der Gefährtin und der Mutterschaft sind hier folglich keineswegs sexualistisch oder biologistisch aufzufassen, sondern als geistige Begriffe zu verstehen.
Eine besondere Gefahr für die Entfaltung und Erfüllung der menschlichen Berufung sieht die Referentin vor allem in der hysterischen Geltungssucht des Menschen, sei es nun im Interesse an der eigenen Person oder in der Vergötterung eines anderen. Um dieser Gefahr zu entgehen, empfiehlt sie „gründliche sachliche Arbeit.“[6] Dabei stellt sie Haushalt, Handwerk und Wissenschaft ausdrücklich gleichberechtigt nebeneinander. Nur wer Sacharbeit zu leisten vermag und damit seine Launen und Stimmungen hinter die Sache zu stellen vermag, der ist sachlich geworden. Edith Stein fordert folglich von beiden Geschlechtern, weibliche Ganzheitlichkeit und männliche Sachlichkeit zu erlernen. Daher sollte auch jede Frau einen Beruf ihrer Wahl erlernen und ausüben. Ausdrücklich weist sie darauf hin, dass der Wert der berufstätigen Frau in der recht verstandenen Persönlichkeitsschulung läge und nicht im wirtschaftlichen Zwang.
Edith Stein richtet ihren Blick auf das Ebenbild Gottes in Menschengestalt. Sie empfiehlt Jesus zu betrachten wie er in den Evangelien zu uns spricht. „Je tiefer dieses Gottesbild in uns eindringt, je mehr es unsere Liebe weckt, desto empfindlicher werden wir für alle Abweichungen von ihm in uns und in anderen: es werden uns die Augen geöffnet für wahre Menschenkenntnis, frei von aller Beschönigung. (…) Durch seine Sakramente reinigt und stärkt er uns. Und wenn wir mit ihm vertraulich verkehren, wie es sein Wille ist, durchdringt uns sein Geist mehr und mehr und formt uns um; durch den Anschluss an ihn lernen wir, menschliche Stützen entbehren, und gewinnen die Freiheit und Festigkeit, die wir haben müssen, um anderen Halt und Stütze zu sein. Er selbst führt uns und zeigt uns wie wir andere führen sollen.“ Hier findet Edith Stein die Fülle der weiblichen Natur. „Wir können danach nun auch sagen: der Eigenwert der Frau besteht im Wesentlichen in der besonderen Empfänglichkeit für das Wirken Gottes in der Seele, und er kommt zur reinen Entfaltung, wenn wir uns diesem Wirken vertrauensvoll und widerstandslos überlassen.“[7]
Im Blick auf die Berufung der Frau spricht Edith Stein zunächst von deren Beruf als Mutter. „Mütter, die auf dem Boden einer festen Weltanschauung stehen, die wissen wozu sie ihre Kinder erziehen sollen, die den freien Blick für die Entwicklungsmöglichkeiten ihrer Kinder haben, (…), aber auch Mütter, die sich zu bescheiden wissen, die nicht meinen, alles selbst machen zu müssen, sondern ihre Kinder mutig aus der Hand geben und in Gotteshand legen können, wenn die Zeit kommt, wo sie ihnen entwachsen sind.“[8]
Die Frau habe die Aufgabe dem Mann nicht nur ein behagliches Heim zu schaffen, in dem er „auch mal Mensch sein könne“, sondern für ein gutes und rechtes Verständnis zwischen dem Vater und seinen Kindern zu sorgen. Die größte Herausforderung für die Frau läge jedoch darin, ihren häufig religiös gleichgültigen Mann für den Glauben zu gewinnen.
Als typisch dem weiblichen Wesen entsprechende Berufe im Erwerbsleben nennt sie den der Lehrerin und den der Ärztin. Letztlich gebe es keinen Beruf, der nicht auch von einer Frau ausgeübt werden könne. Entscheidend sei jedoch, dass dieser Beruf mit Mütterlichkeit ausgeübt werde. „Nur muss es eine Mütterlichkeit sein, die nicht bei dem engen Kreis der Blutsverwandten oder der persönlichen Freunde stehen bleibt, sondern nach dem Vorbild der „Mutter der Barmherzigkeit“ für alle da ist.“[9]
Auch die Frage nach der Ordination von Frauen ins Geistliche Amt ist keineswegs erst heute virulent. Bereits in den zwanziger Jahren waren entsprechende Rufe zu vernehmen. Mehrere wissenschaftliche Arbeiten belegten die Existenz von weiblichen Diakonen während des ersten christlichen Jahrtausends, in Byzanz offenbar deutlich länger als im Westen. Dabei wird jedoch bis heute kontrovers diskutiert, ob die Diakoninnen ihren männlichen Kollegen in ihrer Weihe und allen liturgischen Diensten gleichberechtigt waren oder nicht. Waren es Diakoninnen im vollen Sinne des Wortes, oder waren es eher fromme Frauen im Sinne heutiger Diakonissen, die z.B. auch bei der Ganzkörpertaufe von Frauen assistierten?
Auch die exegetischen Versuche, größere Klarheit aus den Schrifttexten zu gewinnen, sind bescheiden geblieben. Befürworter der Frauenordination ziehen z.B. gerne Röm. 16,7 als Beleg heran:
ἀσπάσασθε Ἀνδρόνικον καὶ Ἰουνίαν τοὺς συγγενεῖς μου καὶ συναιχμαλώτους μου, οἵτινές εἰσιν ἐπίσημοι ἐν τοῖς ἀποστόλοις, οἳ καὶ πρὸ ἐμοῦ γέγοναν ἐν Χριστῷ.
Während die Exegeten für gewöhnlich Junian oder Junias, also männlich übersetzen, argumentieren Einzelne für die weibliche Form Junia. Doch selbst wenn Junia eine Frau gewesen sein sollte, so macht die Textaussage: „Junia, die unter den Aposteln berühmt ist“ noch längst keinen Apostel aus ihr. Möglicherweise war Junia, Junian, Junias den Aposteln schlicht gut bekannt, oder wurde von diesen hoch geschätzt?
Wenn unter den Abschiedsgrüßen des Paulus in Kapitel 16 überhaupt „Dienstbezeichnungen“ Verwendung finden, dann wohl bei der Erstgenannten Phöbe, welche als διάκονον τῆς ἐκκλησίας bezeichnet wird.
Obwohl sich Edith Stein schließlich gegen die Frauenordination ausspricht, lehnt sie das Argument Papst Johannes Pauls II aus dem Apostolischen Schreiben Ordinatio Sacerdotalis von 1994 ausdrücklich ab. Der Papst hatte mit diesem Schreiben die Diskussion über die Frauenordination in der römisch-katholischen Kirche offiziell beendet, indem er feststellte, dass die Kirche überhaupt kein Recht habe Frauen die Priesterweihe zu spenden. Aus Sicht Edith Steins hätte die Kirche zwar die Vollmacht zur Veränderung, die besseren Argumente schienen ihr jedoch letztlich in der Beibehaltung der überlieferten Tradition zu liegen.
Unabhängig von der historischen Diskussion ist für Edith Stein offenbar ein Argument gegen die Ordination von Frauen in den priesterlichen Dienst besonders überzeugend: Die katholische Lehre, dass der Priester bei Ausübung seines Dienstes in persona Christi handle und daher männlich sein müsse. Es ist daher auch kein Zufall, dass in der aktuellen Theologie die Frage nach der Repräsentatio Christi in der Gestalt des Priesters zum Gegenstand der Debatte geworden ist.[10] Wenn wir auf die Diskussion der vergangenen 75 Jahre zurückschauen, so sehen wir, dass alle theologischen Argumente bereits damals ausgiebig diskutiert wurden. Was sich in den vergangenen Jahrzehnten veränderte, war die soziologische Rolle der Frau in der Gesellschaft, dass diese gesellschaftlichen Veränderungen häufig eher einen ökonomischen, denn einen emanzipatorischen Hintergrund haben, sollte hierbei auch nicht verschwiegen werden. Am offensten argumentiert in dieser Hinsicht die OECD[11], die z.B. Deutschland immer wieder für seine überholten Familienstrukturen, welche die weiblichen Arbeitskräfte der Wirtschaft vorenthalte, kritisiert.
Abschließend soll Edith Stein nun noch einmal in einem längeren Wortlaut zur Sprache kommen:
„Damit stehen wir vor der schwierigen und vielumstrittenen Frage des Priestertums der Frau. Wenn wir das Verhalten des Herrn selbst in diesem Punkte betrachten, so sehen wir, dass er freie Liebesdienste für sich und die seinen von Frauen annimmt, dass unter seinen Jüngern und nächsten Vertrauten Frauen sind – aber das Priestertum hat er ihnen nicht verliehen, auch nicht seiner Mutter, der Königin der Apostel, die an menschlicher Vollkommenheit und Gnadenfülle über die gesamte Menschheit erhoben war. Die Urkirche kennt eine mannigfache caritative Tätigkeit der Frauen in Gemeinden, eine starke apostolische Wirksamkeit der Bekennerinnen und Martyrinnen, sie kennt die liturgische Jungfrauenweihe und auch ein geweihtes kirchliches Amt, das Frauendiakonat, mit einer eigenen Diakonatsweihe – aber das Priestertum der Frau hat auch sie nicht eingeführt. Die weitere geschichtliche Entwicklung bringt eine Verdrängung der Frauen aus diesen Ämtern und ein allmähliches Sinken ihrer kirchenrechtlichen Stellung. (…) Die neuste Zeit zeigt einen Wandel durch das starke Verlangen nach weiblichen Kräften für kirchlich-caritative Arbeit und Seelsorgshilfe. Von weiblicher Seite regen sich Bestrebungen, dieser Betätigung wieder den Charakter eines geweihten kirchlichen Amtes zu geben, und es mag wohl sein, dass diesem Verlangen eines Tages Gehör gegeben wird. Ob das dann der erste Schritt auf einem Wege wäre, der schließlich zum Priestertum der Frau führte, ist die Frage. Dogmatisch scheint mir nichts im Wege zu stehen, was es der Kirche verbieten könnte, eine solche bislang unerhörte Neuerung durchzuführen. Ob es praktisch sich empfehlen würde, das lässt mancherlei Gründe für und wider zu. Dagegen spricht die gesamte Tradition von den Urzeiten bis heute, für mein Gefühl jedoch noch mehr als dies die geheimnisvolle Tatsache, die ich schon früher betonte: dass Christus als Menschensohn auf die Erde kam, dass darum das erste Geschöpf auf Erden, das in einem ausgezeichneten Sinn nach Gottes Bild geschaffen wurde, ein Mann war – das scheint mir darauf hinzuweisen, dass er zu seinen amtlichen Stellvertretern auf Erden nur Männer einsetzen wollte. Wie er aber einer Frau sich so nahe verbunden hat wie keinem anderen Wesen auf Erden, und sie so sehr zu seinem Bilde geschaffen wie keinen Menschen vorher und nachher, wie er ihr für alle Ewigkeit eine Stellung in der Kirche gegeben hat wie keinem anderen Menschen, so hat er zu allen Zeiten Frauen zur innigsten Vereinigung mit sich berufen, als Sendboten seiner Liebe, als Verkünderinnen seines Willens an Könige und Päpste, als Wegbereiterinnen seiner Herrschaft in die Herzen der Menschen: einen höheren Beruf als den der sponsa Christi kann es nicht geben, und wer diesen Weg offen sieht, der wird nach keinem anderen Verlangen.“[12]
Edith Stein schließt ihren Vortrag mit heute nicht weniger aktuellen Worten als vor achtzig Jahren: „So führt die Nachfolge Christi zur Erfüllung des ursprünglichen menschlichen Berufs: Gottes Bild in sich darzustellen: den Herrn der Schöpfung, indem der Mensch alle Geschöpfe in seinem Umkreis hütet, bewahrt und fördert, den Vater, indem er in geistlicher Vaterschaft und Mutterschaft Kinder für das Reich Gottes erzeugt und heranbildet. Das Herauswachsen über die natürlichen Grenzen, das höchste Gnadenwirkung ist, kann aber niemals erreicht werden durch einen eigenmächtigen Kampf gegen die Natur und durch Leugnung der natürlichen Grenzen, sondern nur durch demütige Unterwerfung unter die gottgegebenen Ordnungen.“[13]
Edith Stein hat uns als Heilmittel für die Zeitkrankheiten ganze Menschen empfohlen, die unabhängig von aktuellen Moden fest auf Ewigkeitsgrund stehen; in Bischof Roald Nikolai Flemestad haben wir einen solchen Menschen gefunden: Ad multos annos Roald.
Klaus Mass (1970) ist Generalvikar der Christ-Katholischen Kirche in Deutschland, von 2001-2005 leitete er das Internationale Edith Stein Institut in Würzburg und war Herausgeber der Edith Stein Gesamtausgabe im Herder Verlag Freiburg.
Meldungen aus der Union von Scranton
Ehemals röm.-katholische Priester treten der Christ-Katholischen Kirche bei
Die ehemals röm.-kath. Priester Ivica Emmanuel Panzalovic (36) aus Salem und Artur Sitko (35) aus Berlin sind der Christ-Katholischen Kirche beigetreten und wurden durch Bischof Dr. Roald Flemestad am 2. März 2013 in den Klerus der Kirche inkardiniert.
Ökumenischer Dialog zwischen der Union von Scranton und der Free Church of England
Die innerhalb der anglikanischen Kirchengemeinschaft seit etlichen Jahren geführten Innovationsdebatten haben nicht nur viele dem katholischen Erbe verhafteten Gläubige verunsichert, sondern auch die traditionell starken ökumenischen Beziehungen der Anglikaner nach Außen verkompliziert.
Innerhalb der Nordisch-Katholischen Kirche (NKK) und deren Mutterkirche, der Polnisch-Katholischen Nationalkirche (PNCC) wurde nach Möglichkeiten geforscht, ob es möglich wäre, Nicht-Katholiken, die nach einer neuen kirchlichen Heimat suchen, mit der Union von Scranton ein Mittel zur Erreichung dieses Zieles anzubieten. In diesem Bestreben wurden im Jahre 2012 konstruktive Gespräche mit der Free Church of England initiiert.
Beschluss der Internationalen Katholischen Bischofskonferenz der Union von Scranton (ICBC) vom 15. September 2012:
Die ICBC beauftragt, im Namen der Union von Scranton, Bischof Dr. Roald N. Flemestad einen Dialog mit der Free Church of England mit dem letztendlichen Ziel einer vollen Mitgliedschaft in der Union von Scranton zu beginnen. Die Gespräche werden gemäß den
„Anforderungen für die Sakramentengemeinschaft mit der Polnisch-Katholischen Nationalkirche (PNCC) vom Oktober 2010“
geführt. Seit diesem Beschluss kam es mehrfach zu Begegnungen zwischen Bischof Flemestad und Vertretern der Free Church of England. Zuletzt traf sich die Dialoggruppe am 11./12. Februar 2013 in Scranton (USA) an der die Bischöfe der Polnisch-Katholischen Nationalkirche (PNCC), der Nordisch-Katholischen Kirche (NKK), sowie der Free Church of England beteiligt waren. Im Lichte dieser Tagung der dort vorgestellten Dokumente sowie der sehr fruchtbaren Diskussionen sieht sich die Internationale Katholische Bischofskonferenz (ICBC) in der Lage, mit der Free Church of England am Aufbau einer katholischen Jurisdiktion im Vereinigten Königreich zu arbeiten.
Die nächste Dialogstufe besteht in Rezeptionen des Sachstandes zum einen auf der Internationalen Katholischen Bischofskonferenz im April 2013, sowie auf einer Tagung des Erweiterten Rates der Free Church of England im Mai diesen Jahres.
Hintergrund:
Die Free Church of England verstand sich ursprünglich als evangelikaler Zweig der anglikanischen Kirchengemeinschaft. Durch intensive Kontakte zur Malabar Independent Syrian Church (MISC), vermochte sie einen großen Schritt, sowohl auf die katholische, als auch auf die orthodoxe Tradition zuzugehen. Die Free Church of England gehört den ökumenischen Gremien des Vereinigten Königreiches an und steht in engster Beziehung zur Reformierten Episkopal Church in den USA, welche auch einen Zweig in Deutschland unterhält. Die Reformierte Episkopal Church gehört der ACNA an, mit welcher die PNCC seit vergangenem Jahr in einem intensiven ökumenischen Dialog steht.
Einladung zur Sommerfreizeit in Norwegen
Die Nordisch-Katholische Kirche lädt vom 9.-11. August Jung und Alt zur Sommerfamilien-freizeit ein. Nicht nur eine Gelegenheit Norwegen zu besuchen, sondern auch die Spiritualität der Nordisch-Katholische Kirche in lockerer Atmosphäre zu erleben. Hotel: http://www.hermonh.no/ Interessierte können sich für nähere Informationen oder eine Anmeldung unmittelbar an: nordiskkatolsk@gmail.com wenden.
Pater Michael H. Maier zum neuen Abt des Ordens von Port Royal gewählt
Das Ordenskapitel hat, nach dem plötzlichen Tod von Abt Klaus Schlapps, unter Einbeziehung der internationalen Niederlassungen des Ordens P. Michael Maier OPR zum neuen Abt des Ordens bestimmt. Zum Prior des Ordens wurde P. Gerhard Seidler und zum Prior der Abtei St. Severin Br. Johannes Estner bestellt. Die Benediction des neuen Abtes fand am Sonntag, den 3. März in Kaufbeuren statt.
Durch das Kreuz und die Auferstehung Christi hoffen wir Anteil am ewigen Leben zu haben
+++ In tiefer Trauer nehmen wir Abschied +++
von unserem Bruder
Abt Klaus Dieter Schlapps
* 30.09.1959 + 20.01.2013
"Mich umfingen die Fesseln des Todes, mich erschreckten die Fluten des Verderbens.
In meiner Not rief ich zum Herrn und schrie zu meinem Gott.
Er griff aus der Höhe herab und fasste mich, zog mich heraus aus gewaltigen Wassern.
Er führte mich hinaus ins Weite, er befreite mich, denn er hatte an mir gefallen." (Psalm 18)
Nachruf auf Abt Klaus Schlapps von Bruder Fritz Hartmann
"Unser Abbas"
Von Anfang an imponierte er mir durch sein Wissen in Sachen Klosterheilkunde und durch seine durchaus undogmatische Ader. Katholisch konsequent, aber nicht moralisierend, öffnete er geh bare Wege jenseits von Wertigkeiten eingeschliffener Meinungen. Abt Klaus, unser „Abbas“ hat zweifelsohne polarisiert. Er war gerade heraus – vielleicht hat er sich gelegentlich überschätzt. Aber er vertrat immer die Zuwendung zum Menschen. Was soll ich sagen über unseren „Abbas“? Ich schätze ihn als einen Menschen, der die Niederungen des Menschseins geteilt hat. Er hat nicht gewertet, sondern sich schützend vor die „Ausgestoßenen“ und „Verfemten“ gestellt. Unser „Abbas“, und das sage ich in echter liebevoller Zuwendung, hat sich so bemüht. Er vermochte Zuversicht auszustrahlen, Konflikte zu benennen und Wege aufzuzeigen. Klar hatte er auch seine „Stacheln“. Aber er konnte dies zumindest auch zugeben. Der „Abbas“ war ein Mensch der Visionen. Manchmal hatte ich den Eindruck. „Jetzt hebt er ab!“. Aber unser „Abbas“ war immer nah am Menschen er hatte ein weiches und ein großes Herz. Dieses Herz ist jetzt gebrochen. Und wir hoffen, dass wir das Herzensanliegen unseres „Abbas“ weitertragen können.
Erste Gedanken von Br. Friedrich
zum Tod von Abt Klaus Schlapps am 20. Januar 2013.
Glaube & Wissen
Von Dr. Manfred Gies
In einem seit über 15 Jahren aktiven öffentlichen Experten-Forum, das unter anderem ein Board "Religionswissenschaften" hat, wurden unter vielen anderen sehr oft Fragen zu Glaubensinhalten und Theologiegeschichte speziell auch der christlichen Religion gestellt. Dem wissenschaftlichen Anspruch des Boards entsprechend (keine Glaubensbekundungen, sondern religions-, theologie-, mythen-, begriffs- und ideenhistorische Wissenvermittlung) enthielten die Antworten dann oft Detailkenntnisse, durch die sich die Fragenden überfordert fühlten. Denn um die Entstehung mancher christlicher Theologoumena transparent zu machen, kommt man meist nicht darum herum, auf Texte und Denktraditionen zu verweisen, von deren Existenz viele Christgläubige nie etwas gehört haben. Insbesondere auch unter Berücksichtigung ihrer Verwurzelung in jüdischen und christlichen Apokryphen, in zarathustrischen, ägyptischen, griechischen, römischen, mesopotamischen Theologien, Ideen und Mythen, was hier und da auch Zitierungen aus allerlei antiken Fremdsprachen mit sich brachte.
Das gilt ebenso für Fragestellungen, die sich auf Diskussionen und Formulierungsentscheidungen der christlichen Jahrhunderte beziehen, so, wie sie in der Perlenkette der zahlreichen ökumenischen Synoden der Theologiegeschichte manifest geworden sind. Viele Wortführer und deren entscheidendes, teils sehr umfangreiches Schriftmaterial (Origenes, Augustinus, Pseudo-Dionysios Areopagita, Basilius, Johannes v. Damaskus, Johannes Philoponos seien nur als besonders einflußreiche Beispiele der ersten Jahrhunderte erwähnt) sind vielen, die um Verständnis bestimmter Glaubensinhalte nachfragen, naturgemäß völlig unbekannt. Dazu kommen ggf. dann noch Diskussionen um richtige oder falsche Übersetzungen von hebräischen, aramäischen, griechischen, lateinischen, awestischen Zitaten oder Begriffen ... Da mag dann schon mancher Christ an seinem "Glauben" verzweifeln.
Das führte nun zu einer naheliegenden und bewußt krass formulierten Fragestellung einer Forums-Userin: "Es wird immer wieder der Eindruck erweckt, zum Glauben dürfe bzw. auch könne sich nur jemand kompetent äußern, der mindestens 2 Doktortitel aufzuweisen hat und sämtliche antike Literatur in seinem Leben bereits zumindest einmal selbst übersetzt hat." Und: "Was weiß denn im Gegensatz zu einem derart Wissenden der 'einfache' Gläubige dann tatsächlich über seine Religion? Schulwissen, das was die Kirche ihren Schäfchen vermittelt, ist, das wird hier oft genug betont, nicht ausreichend um über den christlichen Glauben Bescheid zu wissen."
Und sie formuliert dann die Frage in kompakter Form so: "Ab wann darf man sich 'mündiger' Christ nennen? 'Mündig' in dem Sinne, dass man weiß, was man glaubt."
Und hier eine Antwort:
Auch wenn der Begriff "mündig" hier anders verwendet ist als z.B. in Form, wie ihn die Aufklärungsphilosophie verwendete, um das im Denken autonome und kompetente Individuum zu bestimmen, so findet sich zu dem hier gemeinten "mündigen Glauben" ein analoger Begriff in der johanneischen Literatur zugrunde gelegt (auch wenn diese sich in der Christologie ganz erheblich von der synoptischen und der paulinischen unterscheidet). Und zwar im Begriff der Vollmacht (εξουσία, exousia) in Joh 1.12: "Die ihn aber aufnahmen, denen gab er die Vollmacht, Kinder Gottes zu werden - den in seinen Namen Glaubenden." Wobei die religionssprachlichen Ausdrücke "Kind Gottes" und "in seinen Namen" für damalige Leser, wie man weiß, nicht mißverständlich waren.
Im "Gesamtpaket" der joh. Schriften bedeutet insofern "Glauben in ihn" (wobei ich das "in ihn glauben" für einen Spezialbegriff dieses Autors halte. Dazu ein andermal mehr.): "Glauben, dass er der Gesandte Gottes ist". Das ist im Joh. und 1. Joh. vielfach so formuliert. Und dies wiederum besteht laut Joh-Autor exklusiv(!) darin, dem Auftrag (εντολή, entolé), den Jesus als Gesandter zu vermitteln habe, rigoros Folge zu leisten, nämlich dem "liebt einander" - zusammen mit den in Kap. 13-17 ausgeführten Implikationen, die im Begriff "ewiges Leben" zusammengefaßt sind.
Dieses Glauben ist - lt. Joh. - eine Sache der persönlichen, individuellen Entscheidung, und nicht etwa eine der Begabung oder gar des Gefühls. Zu dieser Entscheidung sei dem Menschen die Vollmacht gegeben, und diese Vollmacht beinhaltet die anthropologische Voraussetzung, daß jeder Mensch auch fähig ist, sie (die Entscheidung) zu treffen und sie (die Vollmacht) in Anspruch zu nehmen. Es ist die johanneische Formulierung des weitreichenden Begriffs "freier Wille".
Diese Vollmacht, alias Mündigkeit, unterstellt der Joh.-Autor - eingebunden in wörtliche Reden Jesu - in einer derartig radikalen Weise dem Menschen, die über jede "bloß" rationsale, mentale und ebenso auch psychologische Kompetenz des Einzelnen weit hinausgeht. So, dass man hier im wörtlichen Sinne von einer "transzendentalen" Unterstellung sprechen könnte (transzendental = die Rationalität "übersteigend").
Als Beispiele seien hier erwähnt zwei Episoden aus diesem Evangelium: Die erste ist Joh. 5.2-9: Dort wird ein Mann auf einer Trage gebracht, der schon seit 38 Jahren gelähmt ist. Diesen Mann fragt Jesus: "Willst du gesund werden?" Einem Menschen, der auf diese Weise von jeder autonomen Bewegungsfähigkeit entkoppelt ist, eine solche Frage zu stellen, könnte ja nun eigentlich als ein unmenschlicher Sarkasmus aufgefaßt werden. Wenn, ja, wenn dem Angesprochenen mit dieser Fragestellung allein als solcher nicht bereits die erwähnte, jeden "gesunden Menschenverstand" transzendierende Kompetenz und Autonomie vorunterstellt, also in ihn hineingesetzt würde. Oder, anders gesagt, in ihm "wachgerufen" würde. Entsprechend wird in der johanneischen Sprache ja auch der zentrale Begriff der "Auferstehung (zum ewigen Leben)" als εγερσις (egersis) = "das Erwachen" ausgedrückt. Auch die αναστασις (anastasis) heißt wörtlich eigentlich "das Aufstehen", so, wie man aus dem Sitzen oder Liegen "aufsteht".
Und nur der, dem "jenseits" jeder physischen Unfähigkeit, "jenseits" jeden Verlustes physischer Autonomie, eine diese übersteigende geistige Autonomie vorunterstellt wird, dem kann dann "steh auf, nimm deine Trage (selbst in die Hand) und geh umher!" gesagt werden. So, dass der Angesprochene das dann - ohne jeden weiteren Kommentar - auch tut. Das heißt: Jemandem die Vollmacht geben. Und das heißt, diese Vollmacht übernehmen und in Anspruch nehmen. Und das heißt: In ihn (der diese Vollmacht gibt) glauben.
Das zweite Beispiel ist noch viel radikaler: Joh. 11.43 läßt der Joh.-Autor den Jesus einem Menschen, der schon seit 4 Tagen tot ist ("Herr, er stinkt schon!"), ins Grab rufen: "Lazarus, komm heraus!". Und Lazarus, der Tote, kommt heraus. Geholfen wird ihm dabei nicht. Nur aus den Leichentüchern soll man ihm heraushelfen, das kann er nicht alleine. Aus dem Tode herauskommen aber kann er selbst. Hier wird also erklärt: Sogar ein Toter, wenn er nur mit dieser vorunterstellten Autonomie, oder Vollmacht, angesprochen wird, kann sich in eben dieser Autonomie angesprochen fühlen: Er kann "wachgerufen" (egersis) werden, so, dass er von alleine "aufsteht" (anastasis).
Dieses jede Rationalität und jede Psychologie übersteigende Vollmacht-Geben und Vollmacht-in-Anspruch-Nehmen ist die Realisierung des johanneischen "liebt einander". In diesem "Einander" (man beachte den Unterschied zu der synoptischen Formulierung des Liebesgebotes "liebt den Anderen"!) liegt die Mündigkeit des "Glaubens in ihn" als das "Glauben, dass" er der Gesandte Gottes ist: Als derjenige mithin, der die Vollmacht dazu hat, anderen diese Vollmacht zu geben.
Das allein ist demnach der Kern (speziell christlichen) "mündigen" Glaubens, mit dem natürlich auch die Realisierung des Auftrags verbunden ist.
Eine weitere Form, in der die Realisierung des Auftrags formuliert wird, findet sich in 1.Joh. 3.19: "Daraus erkennen wir, daß wir 'aus der Wahrheit' sind ...". Dort wird also - neben der interaktiven Form des Liebesauftrags - aus dem innerpsychischen Umgang mit der je eigenen Verzweiflung ("wenn uns unser Herz verdammt ...") eine weitere individuelle Glaubensgewißheit gewonnen: "dass Gott größer ist als unser Herz".
Das sollte daher gemeint sein, wenn gefragt wird "ob sie wissen, was sie glauben": Dass sie es wissen, ist damit ja gesagt. Denn das Glauben besteht in der Übernahme einer Vollmacht, eines Auftrags. Und das heißt, etwas Bestimmtes zu tun.
Und für diese elementare "Definition" des christlichen Glaubens (1.Joh. 2.3 bestätigt das: "Und darin erkennen wir, dass wir ihn erkannt haben ...") bedarf es keinerlei weiterer Bildung, Ausbildung, Sprachen- und Literaturkenntnis, auch keinerlei Wissens um alle die späteren über Jahrhunderte sich hinziehenden Diskussionen. Insofern sind auch alle die durch spätere Begriffsdifferenzierungen entstandenen Abspaltungen mit gegenseitigen Verfluchungen ("Anathema esto ...") und Exkommunizierungen irrelevant! Sofern sie sich an die o.g. Definition des "Glaubens in Christus" binden, sind auch alle Antitrinitarier, Arianer, Modalisten, Miaphysitisten, Nestorianer usw.usw. ebenso "mündige Christen". Alles das ist Überbau, der zwar nicht unbedingt irrelevant ist, dem gegenüber aber der Kern des Glaubens invariant ist. Und dem gegenüber ist auch das Maß des "Verstehens" christologischer und anderer theologischer Bestimmungen irrelevant.
Wenn man sich umschaut in dem, was "fromme" Christgläubige tatsächlich "verstehen", auch wenn sie das allgemein als Mindestbedingung verstandene Symbolum Nicaenum sprechen (mit dem ja z.B. die Arianer ausgeschlossen wurden, die über mehr als 500 Jahre die Mehrheit der Christen ausmachten), dann würde man kaum sagen können, daß sie "wissen", was sie da als Bekenntnis formulieren.
Die Frage ist also nicht, ob sie wissen, was sie glauben, sondern ob sie verstehen, was sie als Bekenntnis formulieren. Es ist zu unterscheiden zwischen "mündigem Glauben" und "mündigem Christentum" bzw "mündigem christlich-theologischem Wissen". Fragt z.B. man genauer, was damit gemeint sei:
- mit "eines Wesens mit dem Vater": Was ist mit "Wesen" gemeint? Zumal diese griechische "ousia", die Thomas v. Aquin lateinisch mit "essentia" wiedergibt, nichts mit dem zu tun hat, was in der heutigen Umgangsprache seit dem Deutschen Idealismus mit "Wesen" gemeint ist,
- mit "gezeugt, nicht geschaffen", zusammen mit der Bestimmung "gezeugt vor aller Zeit", also "vor der Schöpfung": Was hat "gezeugt" für einen Sinn, wenn es noch gar keine biologischen Wesen gibt?
- mit "in der Person die Verschiedenheit", wobei in dieser trinitarischen Grundbestimmung der umgangsprachliche Begriff "Person" weder mit der damaligen (4. Jhdt.!) griechischen "hypostasis", noch mit der lateinischen "persona" etwas zu tun hat,
- mit "der Heilige Geist", der im Original (pneuma) ja ein Neutrum ist und weder eine Taube, noch eine graue Eminenz wie die in schottischen Schlössern usw. usw.
dann wird klar, daß diese begrifflichen Feinheiten dem "einfachen", also dem theologie- und philosophiegeschichtlich nicht ausgebildeten Glaubenden vollkommen böhmische Dörfer sind.
Das wird noch deutlicher, wenn man etwa nach christologischen Kernaussagen fragt:
- Wieso, inwiefern und warum eigentlich Jesus "für uns" am Kreuz gestorben sei.
- Wieso und inwiefern dadurch "unsere Sünden aufgehoben" seien.
Und selbst, wenn man, wie aus der paulinischen (im Gegensatz zur johanneischen) Christologie folgend, das Geschehen als "Sühneopfer" interpretiert: Kein einziges antikes Opferritual - in keiner der antiken Religionen übrigens - impliziert einen derartig gezielt grausamen Foltertod. Und selbst, wenn jemand Wissen von dem weitverbreiteten antiken Mythem des für ein sündenvergebendes Sühneopfer notwendigen "Blutvergießens" hätte: Die Umstände der Folterung Jesu weisen gar nicht wesentlich auf "Blutvergießen" hin, sondern vielmehr auf unvorstellbare (und von der Foltermethode beabsichtigte) Schmerzen hin. Soetwas wurde in keinem religiösen antiken "Sühne-Opfer" gefordert. Was "versteht" also auch der im oben erklärten Sinne "mündige" Gläubige, wenn er "... der für uns sein Blut vergossen hat ..." spricht?
Und wenn man "einfache" Glaubende nach der Bedeutung der Trinität fragt, bekommt man als Antwort auch häufig Formulierungen, die vormals als Modalismus, Sabellianismus usw. "verdammt" wurden und zum Ausschluß führten, oder auch solche, die man eher einem Polytheismus zuschreiben würde, zumal die Details von Heiligenkulten, vor allem im Mittelmeerraum, sowieso eher an einen Polytheismus denken lassen, zumindest einem Kult einer göttlichen Quaternität, wenn man die Marienverehrung in ihren zahlreichen Ausformungen mit hinzunimmt.
Das alles wurde über Jahrhunderte zwischen den genialsten Köpfen der europäischen Geistesgeschichte diskutiert und differenziert, zwar nicht ohne letztlichen Lateral-Nutzen für andere Wissenschaften, aber jedenfalls über die Köpfe der "einfachen" Gläubigen hinweg. Das sind daher Inhalte, die sich tatsächlich nur dem fachlich Aus- und Vorgebildeten erschließen, und auch heute nur dem, der die Grundlagen hat, nicht nur die ursprünglichen Schriften nachzulesen (wofür man Kenntnisse in mindestens 5 antiken Sprachen benötigt), sondern vor allem auch die jahrhundertelangen Diskussionen zu verfolgen (und auch die Gründe dafür einzusehen).
Das alles sind aber eben Fragen der Theologiegeschichte und der Religionswissenschaften, auch der abendländischen Philosophiegeschichte. Es sind Fragen der Glaubens-Inhalte, Fragen ihrer Formen und Formulierungen. Es sind gar keine Fragen des Glaubens als solchem (siehe oben). Sie betreffen also nicht die Mündigkeit des Glaubens, sofern es die "Botschaft" und den "Auftrag" betrifft, wie er in den Evangelien zu Grunde gelegt ist.
Gläubigkeit, Frömmigkeit, die sich in der einen oder anderen auch sprachlichen Form artikuliert, ist halt nicht dasselbe wie Wissen über religiöse Inhalte und deren begrifflich präzise Ausformulierung. Letzteres läßt sich tatsächlich nur durch einschlägige jahre- und jahrzehntelange Studien und Forschungsbemühungen erwerben.
Viele andere Beispiele könnten den eklatanten Kontrast zwischen chrislicher Frömmigkeit, Gläubigkeit und Wissen um christliche Theologoumena verdeutlichen, insbesondere, wenn man sich auf das Gebiet z.B. der Transsubstantiation, oder der unendlich bis zur Sinnlosigkeit differenzierten Liturgien, oder Einzelheiten hierarchisch-klerikaler Kompetenzen begibt. So könnte man zu dem Schluß gelangen - und die Lehren der großen Männer und Frauen der spanischen und deutschen Mystik bestätigen das - dass die eigentlichen christlichen "Fundamente" (also das "Grundlegende"), wie sie oben johanneisch interpretiert sind, mit den intellektuellen wissenschaftlichen, philosophischen, theologischen, und vor allem politisch-sozialen Differenzierungen der Krichengeschichte, gar nichts zu tun haben.
Das johanneische Erkennen (Joh. 11.3 und 1.Joh. 2.3) ist eben kein begriffslogisches Wissen. Und der "mündige" Christ ist nicht notwendig auch Theologe mit enzyklopädischem Wissen. Zumal Letzterer auch noch lange nicht Ersterer ist.
Einen hervorragenden Überblick über die Theologischen Entwicklungen in den ersten christlichen Jahrhunderten (inklusiv Begriffserklärungen) bietet die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift: Welt und Umwelt der Bibel: „Streit um Jesus Gott und Mensch?“
WALTER KASPER zum 80. Geburtstag
Von Axel Stark
Obwohl er am 5. März 80 Jahre alt wurde, durfte Kardinal Kasper am Konklave ab dem 11. März mitwirken. Kardinäle haben das aktive Wahlrecht eigentlich nur bis 80, aber der Stichtag war der 28.2., der letzte Tag des Pontifikats von Benedikt XVI. Da war Kasper erst 79 und so durfte er sowohl am Konklave von 2005 wie eben jetzt teilnehmen.
Geboren wurde er 1933 in Nordwürttemberg, sein Vater war als Lehrer dorthin aus Südwürttemberg versetzt worden. Er studierte Philosophie und Theologie an der Universität Tübingen und wurde 1957 zum Priester geweiht. Nach kurzer Zeit als Vikar wurde er Doktorand in Tübingen und wirkte als Repetent am Wilhelmstift an der Priesterausbildung mit. Mit einer Arbeit über „Die Lehre von der Tradition in der Römischen Schule“ promovierte er 1961 zum Doktor der Theologie. Danach wurde er Assistent, u.a. bei Professor Hans Küng. Die Universität Münster berief ihn nach seiner Habilitation 1964 zum Dogmatikprofessor. Professor war er ein Vierteljahrhundert, in Münster 1964-1970, in Tübingen 1970-1989. Zu seiner theologischen Orientierung schreibt er: „Ich selbst sah mich im Geist der katholischen Tübinger Schule und ihres lebendigen Traditionsverständnisses immer in der Mitte der katholischen Theologie beheimatet.“
Papst Johannes Paul II. ernannte ihn 1985 zum theologischen Sekretär der Bischofssynode und vier Jahre später zum Bischof von Rottenburg-Stuttgart. Diese württembergische Diözese leitete Kasper 10 Jahre lang, dann kam die Berufung als Kurienbischof und Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und der religiösen Beziehungen zum Judentum. Zwei Jahre später wurde Kasper Kurienkardinal und Präsident dieses Rates.
Seit 2010 emeritiert, lebt Kasper weiter im Vatikan. Er ist bekannt für seine Verdienste in der Ökumene und als theologischer Autor. Einen Tätigkeitsbericht von seiner vatikanischen Tätigkeit im Bereich der Ökumene gibt er in seinem Buch „Katholische Kirche“ (2011) auf den Seiten 49-59.
Sein zuletzt veröffentlichtes Buch „Barmherzigkeit“ (2012) hat der neue Papst Franziskus öffentlich gelobt. Kasper schreibt darin u.a.: Die Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes ist keine welt- und praxisfremde Theorie; sie beläßt es auch nicht bei sentimentalen Mitleidsbekundungen. Sie hat Konsequenzen für das Leben jedes Christen, für die pastorale Praxis der Kirche und für den Beitrag, den Christen zu einer menschenwürdigen, gerechten und barmherzigen Gestaltung der gesellschaftlichen Ordnung erbringen sollen.“
In Vallendar gibt es ein „Kardinal Walter Kasper Institut“, das u.a. die Gesammelten Schriften ( WKGS ) von Kasper herausgibt.
Ad multos annos für ein weiteres, segensreiches Wirken sind Kardinal Kasper zu seinem 80. Geburtstag zu wünschen!
HANS KÜNG zum 85. Geburtstag
Von Axel Stark
In Sursee am Sempacher See im Kanton Luzern wird der Schweizer Hans Küng am 19.3. 1928 geboren. Er stammt aus einem gutbürgerlichen Elternhaus und wird stark durch die Katholische Jugendpastoral vor Ort geprägt. Er wählt das Philosophie- und Theologiestudium an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Einen wichtigen Einfluß hat der Spiritual des Germanicums auf ihn und damit die ignatianische Spiritualität. 1954 erfolgt die Priesterweihe und 1957 am Pariser Institut catholique die Promotion zum Doktor der Theologie. In der vorgelegten Doktorarbeit vergleicht er die Rechtfertigungslehre des Trienter Konzils mit der des evangelischen Theologen Karl Barth. Er entdeckt die vielen Gemeinsamkeiten zwischen den beiden theologischen Ansätzen, was zu dieser Zeit unbekannt war. Das brachte ihm einerseits das Interesse der Glaubenskongregation an ihm ein ( seine Akte im Vatikan trägt die Jahreszahl 1957 ), 1999 konnte dann die Ev. und die Kath. Kirche in Augsburg diese Gemeinsamkeiten offiziell anerkennen. Ein kirchentrennendes Hindernis war ausgeräumt.
Nach einer kurzen Kaplanstätigkeit wird Küng Assistent an der Universität Münster beim späteren Kardinal Volk. Ohne Habilitation beruft ihn die Universität Tübingen 1960 zum Professor für Fundamentaltheologie. 1963 wechselt er zur Dogmatik und Ökumenischen Theologie. In Tübingen trifft er auf die späteren Kardinäle Scheffczyk ( Professorenkollege ) und Kasper ( zuerst Assistent bei ihm, dann Kollege ab 1970 ) und auf den späteren Papst Benedikt XVI. ( Kollege 1966-1969 ). Mit Ratzinger zusammen wird er auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil als theologischer Berater ( Peritus ) aktiv. Das Institut für Ökumenische Forschung gründet und leitet Küng in Tübingen.
Die Liste seiner Veröffentlichungen ist lang: sie handelt von der Vision einer strukturell erneuerten und ökumenisch versöhnten Kirche, von zentralen christliche Glaubensfragen, von der Ökumene der Weltreligionen und vom Projekt Weltethos.
Kurz vor Weihnachten 1979 entzieht ihm der Bischof von Rottenburg-Stuttgart im Auftrag von Papst Johannes Paul II. die kirchliche Lehrerlaubnis, damit muss Küng die Kath.-Theol. Fakultät der Universität Tübingen verlassen. Er wird bis zu seiner Emeritierung 1996 fakultätsunabhängiger Professor für Ökumenische Theologie, leitet weiter das von ihm gegründete Ökumene-Institut und bleibt weiter katholischer Priester. Im nächsten Jahr kann Küng sein 60-jähriges Priesterjubiläum feiern.
„So bleibt die katholische Glaubensgemeinschaft trotz aller Erfahrungen mit der Unbarmherzigkeit des römischen Systems seine geistige und spirituelle Heimat, deren Maßstab jedoch Jesus, seine Botschaft, sein Verhalten, sein Geschick sein soll.“
Dieser katholischen Glaubensgemeinschaft ist es zu wünschen, dass ihr Hans Küng noch lange erhalten bleibt: ad mutlos annos!
Einen Ein- und Überblick über das Werk Küngs gibt das neue Buch „Was bleibt. Kerngedanken, hg.v. H.Häring u. St. Schlensog, München 2013“. Über das Projekt Weltethos informiert das „Handbuch Weltethos, München 2012“. Seine Impulse und Gedanken zur katholischen Kirchenreform finden sich in „Ist die Kirche noch zu retten? München 2012“. Über seine persönliche Spiritualität gibt er Rechenschaft in „Was ich glaube, München 2010“.
Axel Stark, Akademischer Oberrat i.R. lehrte an der Universität Passau
Impressum:
Redaktion: Klaus Mass, Kapellenstraße 7, 85254 Einsbach, pfarramt-christ-katholisch@web.de
Buchbesprechungen:
Ebba Hagenberg-Miliu
Allein ist auch genug
Wie moderne Eremiten leben
"An diesem Buch von Ebba Hagenberg-Miliu haben 33 deutschsprachige Eremiten mitgearbeitet. Sehr lesenswert finde ich dieses Buch, weil nicht nur römisch-katholische und kirchliche Eremiten zu Wort kommen, sondern auch Menschen, die sich nicht aus Glaubensgründen in das Leben als Einsiedler zurückgezogen haben, auch zwei deutsche Frauen, die als buddhistische Eremitinnen leben, kommen zu Wort. So ist die Lebensweise der verschiedensten eremitischen Lebenswege, ob kirchlich oder nichtkirchlich, ob christlich oder nichtchristlich breitgefächert und lebendig aus der je eigenen Perspektive des Einzelnen heraus beschrieben.
224 Seiten, € 19,99 Gütersloher Verlagshaus
Britta Alt, Regensburg
Aus den Medien
Die Abtei St. Severin im Evangelischen Sonntagsblatt 10.03.13
Kräuterkloster im Umbruch
Nach dem Tod ihres Abtes Klaus Schlapps befindet sich die Abtei St. Severin im Übergang
Von Simon Laufer
Kaufbeuren (epd). Ein Flughafentower, ein Funkturm oder eine Wetterstation: Nach vielem sieht das Gebäude auf den Hügeln bei Kaufbeuren aus, nur nicht nach einem Kloster. Und doch beherbergt das schlichte Gebäude - tatsächlich war es ein Radarturm - eine echte Abtei: das ökumenische Kloster St. Severin, in dem drei Mönche leben, beten und allerlei Tinkturen und Essenzen aus Heilkräutern herstellen und verkaufen.
Der Duft nach Kräutern und ätherischen Ölen ist auch der erste Eindruck, den ein Besucher der Abtei bekommt. Der zweite Eindruck: Am stärksten präsent ist einer, der nicht mehr da ist. Pater Klaus, Abt des Klosters und Generalabt des Ordens von Port Royal, ist Ende Januar überraschend gestorben. Die Lücke, die er gerissen hat, ist riesig. "Im ersten Moment habe ich gedacht: Es ist vorbei, jetzt können wir alles dichtmachen", sagt Bruder Johannes.
Sie haben nicht dichtgemacht, sondern führen fort, was Pater Klaus ins Leben gerufen und geprägt hat: eine Gemeinschaft von Mönchen in der Abtei, die nach der Regel des heiligen Benedikt lebt und sich zu Keuschheit, Einfachheit und Gehorsam verpflichtet hat. Außerhalb des Klosters lebt Pater Michael Maier, der die Gelübde ebenfalls abgelegt hat. Er ist nun Nachfolger von Klaus Schlapps als Abt, lebt aber weiterhin in der Nähe Rosenheims. Zu der Gemeinschaft gehören außerdem einige "Säkularprofessen", die verheiratet sind und außerhalb des Klosters leben.
Bruder Johannes und seine Mitbrüder Georg und Maximilien folgen dem Gebot Benedikts: ora et labora, bete und arbeite. Bruder Johannes, eigentlich Diplom-Ingenieur, verbringt viel Zeit in einem Büro, das mit Aktenstapeln vollgestopft ist. Seit der Gründung der Abtei 1992 übernimmt er viele der Verwaltungsaufgaben. Bruder Maximilien, der im vergangenen Jahr aus Frankreich kam, unterstützt ihn dabei. Zu tun gibt es eine Menge, noch mehr seit dem Tod von Bruder Klaus im Alter von nur 54 Jahren.
Die Aktivitäten des Klosters sind vielfältig: Die Abtei trägt Hilfsprojekte wie die Armenhilfe Santa Rosa in Peru und Waisenhäuser in Haiti und Kamerun. Ein eigener Verlag gibt Bücher zu geistlichen Themen und Naturheilkunde heraus. Das Bildungswerk des Klosters bietet Vorträge und Workshops an und im Klosterladen und auf Märkten in der Region werden selbst hergestellte Naturprodukte verkauft. Das zu stemmen "ist nicht immer leicht", sagt Bruder Johannes. "Da ist schon manchmal Neid da, wenn andere Urlaub haben."
Das Produktsortiment, das die Brüder im eigenen Laden und auf Oster- und Adventsmärkten verkaufen, ist vielfältig. Klosterseifen, Kräuterbalsame, Liköre, aber auch Kreuze und Kerzen. Die Kräuterküche, in der Bruder Georg die Produktion leitet, mutet wie eine Mischung aus Alchemistenkammer und Chemielabor an. Viele der Rezepturen hatte Pater Klaus selbst in Klosterbibliotheken aufgetan, sie ausprobiert, verworfen, verändert oder übernommen.
Die kleine Klostergemeinschaft hat für ihr vergleichsweise junges Alter schon einiges erlebt: 1992 in Buchloe gegründet, wurde sie 1999 vom Generalabt des Ordens von Port Royal zur Abtei erhoben und zog in ein Gebäude in Kaufbeuren ein. 2002 dann folgte der Umzug nach Leinau, bevor 2010 der ehemalige Radarturm im Eichwald von Kaufbeuren bezogen wurde. Dort haben sie alles, was sie brauchen: einen Andachtsraum, Wohn- und Arbeitszimmer, den Laden und sogar ein Fernsehzimmer.
Wichtig ist den Mönchen die ökumenische Ausrichtung. Zum Orden von Port Royal, der auf eine französische Zisterzienserinnenabtei im Mittelalter zurückgeht und 1946 in Ungarn neu gegründet wurde, gehören weltweit etwa 75 Mitglieder, die verschiedenen Konfessionen angehören. Der Orden selbst ist Teil der Christ-Katholischen Kirche, in der Priester heiraten dürfen.
(mit freundlicher Genehmigung des Evangelischen Sonntagsblatts)
Der Mithraskult
Einer der schärfsten geistigen Konkurrenten der jungen Kirche war der Mithraskult. Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht vertritt jedoch der Bonner Kirchenhistoriker Ernst Dassmann die Ansicht, dass von dieser zwar übers ganze Reich verbreiteten und damit sowohl populären, als auch ausgesprochen gut organisierten Kultgemeinschaft keine wirkliche Gefahr für die junge Kirche ausging, da zu den tatsächlich zahlreichen Kultstätten immer nur eine kleinere Gruppe von ein oder zwei Dutzend Mitgliedern gehört habe. Die Mithrasheiligtümer finden sich stets an Orten, an den zahlreiche Soldaten stationiert waren. Offensichtlich handelte es sich um einen in militärischen Kreisen sehr populären Kult. Daher wird auch gerne von Mithras als dem Soldatengott gesprochen. Dennoch bleibt die alte rhetorische Frage unbeantwortet: Was wäre geschehen, wenn Kaiser Konstantin im sol invictus nicht Christus, sondern Mithras erkannt hätte?
Ein grundlegender Strukturvorteil des Christentums gegenüber den Mithrasjüngern bestand darin, dass die Kirche sich von vornherein als Versammlung des Gottesvolkes, bestehend aus Frauen und Männern verstand. Zum Mithraskult waren lediglich die Männer zugelassen.
In den Kultstätten fanden sich Darstellungen des jungen Mithras, welcher einen Stier tötet, aus dessen Leib und Blut der Erde Fruchtbarkeit verliehen wird, wodurch sie Ähren sprießen lässt.
Wer die Einweihung in den Kult suchte, musste sieben Stufen (Gerade) bis zur Vollkommenheit erklimmen. Die Leitung der Kultgemeinde oblag einem Pater, welcher auch magister sacrorum oder summus pontifex genannt wurde. Trotz der zahlreichen archäologischen Funde gibt es keine zeitgenössischen schriftlichen Deutungen oder Erklärungen der Kultgemeinschaft. Dass in Mithras oft einer der größten Konkurrenten Christi gesehen wurde, ergibt sich natürlich auch aus der sich vielfältig überschneidenden Symbolsprache.
Dennoch war es letztlich so, dass Kaiser Konstantin den sol invictus eben in keinem anderen als in Jesus Christus und im Zeichen des Kreuzes, welches damit zum Zeichen des Sieges und des Heiles für das ganze römische Reich wurde, erkannte. Folgerichtig konnte das Fest der Geburt Christi auf den Gedenktag des sol invictus gelegt und Helena, die Mutter des Kaisers zur Entdeckerin und Förderin des hl. Kreuzes werden.
Lesetipp: Manfred Clauss, Mithras, Kult und Mysterium, WBG Darmstadt 2012
Anmerkungen zum Artikel: Feststehen auf Ewigkeitsgrund
[1] Edith Stein, Der Eigenwert der Frau in seiner Bedeutung für das Leben des Volkes in: Edith Stein Gesamtausgabe Band 13, Freiburg 2000 S. 7
[2] Ebd. S.
[3] Ebd.
[4] Ebd.
[5] Ebd.
[6] Ebd.S.
[7] Ebd. S.6f.
[8] Ebd.S.8
[9] Ebd. S.11
[10] Günter Eßer, Der Priester handelt in persona Christi, Christen heute 2/2012 S. 30ff.
[11] Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
[12] Edith Stein, Beruf des Mannes und der Frau nach Natur- und Gnadenordnung (1931) in Edith Stein Gesamtausgabe Band 13, Freiburg 2000 S. 76 f.
[13] Ebd. S. 78