022015



 

       


Die Wahrheit, die aus der Geschichte kommt

Vom Versuch sowohl der Kirchengeschichte, als auch der kirchlichen Reformdebatte ein neues theologisches Profil zu geben.


(K.M.) Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf steigt in die „Krypta“ der Kirchengeschichte hinab um mit seinen Lesern unterdrückte kirchliche Traditionen wieder zu entdecken. Ob die etwas reißerische Aufmachung und Vermarktung von „Krypta“ dem theologischen Anliegen des Münsteraner Ordinarius für Kirchengeschichte wirklich entgegenkommt, sei einmal dahingestellt. Fakt ist jedoch, dass nach der Veröffentlichung der „Nonnen von Sant Ambrogio“ (2013) mit Hubert Wolf ein neuer theologischer Bestsellerautor vorliegt, dem es gelingt ein breites Publikum weit über die akademische Theologie hinaus anzusprechen und mit seinen Themen zu fesseln.

Die eigentliche Intention seines Buches erläutert Wolf im letzten abschließenden Kapitel. Gerade die Kirchenhistoriker hätten sich im 19. Jahrhundert gegen die dogmatischen Entwicklungen des Ersten Vatikanums gestellt, welches aller kirchenhistorischen Forschung zum Trotz die Lehre von der Unfehlbarkeit der Päpste definierte. Verstand sich die Kirchengeschichte bis zu jenem Tag als „Leitwissenschaft der katholischen Theologie“, so verkroch sie sich „in weitgehender Selbstmarginalisierung des Faches“, bloß um aus dem „Wetterwinkel des römischen Lehramtes“ herauszukommen. Während die kirchlichen Historiker in die theologische Bedeutungslosigkeit verschwanden, traten an ihre Stelle zunächst die Exegeten (historisch-kritische Methode) und später die Moraltheologen (Sexualmoral) in der intellektuellen Auseinandersetzung mit dem kirchlichen Lehramt.

Dies hat nach Wolf zur Folge, dass auch in der heutigen kirchlichen Reformdebatte jegliches historisches Bewusstsein fehle, sodass kirchliche Reformenanliegen lediglich auf der Ebene einer „reformatio in melius“, nicht jedoch im Sinne einer „reformatio in pristinum“ erhoben würden. Hier liegt für den Autor der Schlüssel nicht nur zur kirchlichen Erneuerung, sondern auch zur Erneuerung der theologischen Brisanz des Faches Kirchengeschichte. Daher bestünde die Aufgabe der kirchlichen Historiker darin, vor jeder dogmatischen Festlegung zunächst den gesamten „Tisch kirchlicher Tradition“ zu decken und nicht nur von bereits getroffenen Entscheidungen her den Siegeszug der führenden Idee zu rekonstruieren.

Um die Anliegen des Hubert Wolf richtig einordnen zu können, stellt sich folglich die Frage wie er denn die Begriffe „reformatio in melius“ und  „reformatio in pristinum“ selbst versteht.

In der klassischen Ekklesiologie versteht sich die katholische Kirche – auch das zweite Vatikanum erinnerte daran – als ecclesia semper reformanda. Reform, sogar im Sinne einer perennis reformatio gehört zu den Wesensmerkmalen der katholischen Kirche. Oder wie es Kardinal Döpfner einst beschrieb „Reform sei ein Strukturprinzip“ der Kirche.

Gegen eine solche katholische Auffassung von permanenter Reform stünde nun eine gänzlich andere Perspektive der protestantischen Theologie. Diese ordne den Reformbegriff in die Reihe formatio – de-formatio – re-formatio ein. Gehe also von einem erfolgreichen Pflanzwerk in der Antike aus, beschreibe die Deformationen des Mittelalters und feiere die notwendige Reformation der Neuzeit. Während der katholische Ansatz von einer sich stetig erneuernden Kirche ausgehe, greife der protestantische Ansatz auf eine vermeintliche Idealzeit etwa im vierten Jahrhundert zurück.

Gerade die Bewertung des Mittelalters führte daher zu extrem unterschiedlichen Einschätzungen von katholischen und protestantischen Theologen. Im Katholizismus entstand eine etwas simple und doch sehr allergisch reagierende Gleichsetzung von Reform und Reformation. Erst die katholische Kirchengeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts griff den Reformbegriff wieder positiv auf, indem sie von einer sogenannten „katholischen Reform“ im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert sprach. War der Begriff der Gegenreformation noch rein abwehrend – den Protestanten gegenüber - gemeint, so deutet der Begriff katholische Reform auf wertvolle und positive Entwicklungen innerhalb der katholischen Kirche hin und konnte ohne Abgrenzungstendenz gegenüber der reformatorischen Kirchen benutzt werden.

Jetzt war es möglich von der gregorianischen Reform, der karolingischen Reform, der clunyazenischen Reform, von den Reformorden, oder von Reformbewegungen wie der devotio moderna oder auch dem katholischen Humanismus zu sprechen.   

Der Begriff Reform bezeichnet folglich die Umgestaltung bestehender Verhältnisse, kann jedoch einerseits als Wiederherstellung des Ideals (reformatio in pristinum) und andererseits als Weiterentwicklung im Sinne neuer Konzepte (reformatio in melius) verstanden werden.

Während ersteres seine Normen in der Vergangenheit findet, liegt für letzteres die Norm allein in einer ideal gedachten Zukunft aus den aktuellen Einsichten und Bedürfnissen der Gegenwart heraus.

Wolf weist nun daraufhin, dass beide Reformbegriffe nicht gegeneinander gestellt werden müssen, sondern, um damit Theologie treiben zu können, ineinander greifen dürfen. Sowenig eine Reform losgelöst von Schrift und Tradition möglich sei, sowenig dürfe sie darauf verzichten Antworten auf die brennenden Fragen unserer Zeit zu geben. Während die praktische Theologie für zweiteres zuständig sei, müssten sich Kirchengeschichte und Exegese um ersteres bemühen.   

Kirchengeschichte im Sinne Hubert Wolfs könne daher nur betrieben werden wenn man anerkenne, dass die Kirche in ihrer Geschichte nie ein monolithischer Block war, sondern dass stets unterschiedliche „Katholizismen“ miteinander um deren ideale Verwirklichung gerungen hätten. Zweitens müsse man akzeptieren, dass die Kirche sich stets entwickelt habe. Nach „Gaudium et Spes“ hätten gerade die historischen Fächer auf den Gesichtspunkt der Wandelbarkeit und Entwicklung hinzuweisen. Drittens müsse man einräumen, dass sich die kirchliche Lehre nicht absolut einheitlich, sondern durchaus widersprüchlich entwickelt habe.

Was sind nun die wesentlichen Reformideen, welche Hubert Wolf aus der Krypta der Kirchengeschichte hervorholt?

- das bischöfliche Amt, von der Gemeinde gewählt

- Jurisdiktionsvollmachten weiblicher Amtsträger, die keine Kleriker sind

- das Domkapitel als Kontrollorgan des Bischofs

- der Papst und der Konzillarismus

- die Kardinäle als Gegengewicht zum Papst

- das Charisma der Mönche und Nonnen als geistiger Gegenentwurf zu einer Kirche des Amtes

- Subsidiarität, nicht nur als Rat der Kirche an die Welt, sondern auch für sich selbst

- von der Bedeutung der Laien

- die Mythen rund um das Konzil von Trient

- ein Papst der sich Franziskus nennt

Ein lesenswertes Buch sowohl für historisch Interessierte, als auch für Menschen, die sich um die Erneuerung der Kirche bemühen. Aus altkatholischer Sicht darf man daraufhinweisen, dass die meisten von Wolf angeführten Argumente nicht nur Wunsch und Theorie eines Wissenschaftlers sind, sondern – in bischöflich synodaler Praxis - gelebte altkatholische Wirklichkeit darstellen.

Hubert Wolf, Krypta, München 2015.



Was können wir von der alten Kirche für die Neuevangelisierung heute lernen?

Von Ottar Myrseth und Øystein Lid


Es war nicht so einfach, als Christen in einer nichtchristlichen Kultur zu leben. Wie wir in der Didache lesen können, feierten sie jeden Sonntag die Eucharistie, nicht jedoch ohne zuvor auch ihre Sünden bereut zu haben. Die frühen Christen lebten nicht aus einer Angst um ihre gesellschaftliche Bedeutung heraus sondern suchten, gemäß der Hl. Schrift, Menschen für ihren Glauben zu gewinnen. Die Christen taten dies indem sie das Leben ihres Herrn und Meisters glaubwürdig nachahmten. So konnten sie andere Menschen für ihren Glauben gewinnen.

Die römische Kultur war in etlichen Bereichen gar nicht so sehr anders als die unsere heute. Über weite Strecken herrschten (in einem polytheistischen Sinne) Religionspluralität und (in einem gewissen Rahmen) sexuelle Toleranz. Beim Kirchenvater Tertullian lesen wir, dass für manchen Römer eine Scheidung durchaus als natürliche Folge der Ehe galt. Abtreibung galt nicht als anstößig. Make-up und aufreizende Kleidung fanden sich, wie es Clemens von Alexandrien kritisiert, gleichermaßen bei Männern, als auch bei Frauen.   

Zur römischen Kultur gehörte eine Unterhaltungsindustrie nach dem Motto "Brot und Spiele", um die Römer in ihrer Freizeit zu unterhalten. Am beliebtesten waren, wie Lactanz bemerkt,  Theaterstücke in denen es, wie in unserem heutigen Fernsehen, um Verbrechen oder Unmoral ging. 

In dieser Kultur wuchs das Christentum, während drei Jahrhunderten, von einer sozialen Randerscheinung zur millionenstarken Massenbewegung.

Worin bestand ihre offensichtlich erfolgreiche Missionsstrategie? Der erste Punkt war, dass sie einen neuen Standard setzten. Sie traten als ehrliche und verlässliche Partner in einer Gesellschaft der Beliebigkeit auf und ließen sich darin weder durch Verachtung, noch durch Verfolgung beirren. Der Beitritt zur Kirche, durch die Taufe, führte zu einem neuen Lebensstil. Das Erfolgsrezept der jungen Kirche lag somit nicht in der "Verweltlichung", sondern in der "Entweltlichung" ihrer Mitglieder. Die Kirche distanzierte sich von dem, was sie nun als "barbarische Praxis" (z.B. die Abtreibung) verstand. Die Sexualität bekam einen neuen Wert, indem sie eingeordnet wurde in lebenslange Treue und die Weitergabe des Lebens. Die Frauen, ob in der Ehe, als Witwe oder Jungfrau erhielten eine angesehene soziale Stellung innerhalb der christlichen Gemeinde. Besondere Ausstrahlung gewann die junge Kirche durch ihren Dienst an den alten und kranken Menschen. Die Caritas war etwas vollkommen Neues in der Antike. Hier verbanden die Christen körperliche Pflege mit der Seelsorge.

Die Kirche verlangte auch ihre Beiträge, doch nicht um reich zu werden, sondern (wie Basilius der Große betonnt), um die Armen zu unterstützen. Während in der römischen Gesellschaft kranke Menschen, aus Angst vor Ansteckung, nicht selten auf der Straße landeten, wurden sie von den Christen aufgenommen und gepflegt.     

Die frühen Christen haben keine schlauen Werbekampagnen zur Mission gestartet und lebten, ähnlich wie wir in einer Zeit konkurrierender Weltanschauungen. Was können wir also von ihnen heute für die Neuevangelisierung lernen? Das Neue war, dass die Christen der "bunten Welt" mit einer verlässlichen christlichen Kultur entgegentraten und so zu lebendigen Bausteinen eines neuen Hauses wurden.

Bitten wir Gott darum, uns die Kraft zu geben, zu lebendigen Bausteinen seiner Kirche zu werden: "Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen. Denn es heißt in der Schrift: Seht her, ich lege in Zion einen auserwählten Stein, einen Eckstein, den ich in Ehren halte; wer an ihn glaubt, der geht nicht zugrunde." (1.Ptr. 2,5-6) 

(zuerst erschienen in „Ad fontes“ (Norwegen), Herbst 2014)




Nur ein innerkatholisches Problem, oder doch ein Modell für den ökumenischen Dialog?

Anfragen, die sich aus dem Rezeptionsprozess von Kirche und Kirchengemeinschaft auch an die Kirchen der Union von Scranton stellen. Von Klaus Mass



Bei einem Besuch der Bischöfe der Utrechter Union bei Papst Franziskus im Jahre 2014 wurde von diesem bemerkt, dass sich der Graben zwischen beiden Kirchen in den vergangenen Jahren eher verbreitert, denn verkleinert hätte.

Für die altkatholische Seite musste diese Feststellung des Papstes eine mehr als ernüchternde Enttäuschung gewesen sein, hatte man sich doch insbesondere von der Formulierung des gemeinsamen Dialogtextes, dass die Streitfragen zwischen beiden Kirchen ein innerkatholisches Problem darstellten, gewissermaßen einen Familienzwist beschreiben, weitaus mehr erhoffen dürfen. Somit rief der Erzbischof von Utrecht Joris Vercammen genau diesen Satz bei der Begegnung mit dem Papst in Erinnerung.

Vom 2003 bis zum Jahre 2009 erarbeitete eine internationale Dialogkommission zwischen dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen und der Internationalen Altkatholischen Bischofskonferenz (Utrecht) ein gemeinsames Dialogpapier mit dem Titel „Kirche und Kirchengemeinschaft“ . Das Ziel bestand zunächst darin, sowohl den gegenwärtigen Stand an gemeinsamen Überzeugungen, als auch an kirchentrennenden Positionen herauszukristallisieren. Im Verlauf der Kommissionsarbeit stellte sich sogar die Frage, ob es nicht möglich sein könnte – auf Grundlage des gemeinsamen kirchlichen Verständnisses über die Möglichkeit der Kirchengemeinschaft zu sprechen. Als Arbeitsgrundlage wurde die hermeneutische Methode des differenzierten Konsenses gewählt.

Bedauernswerterweise waren nicht alle altkatholischen Kirchen an der Erarbeitung des Dialogpapiers beteiligt. Sowohl die im Vorfeld der Gespräche noch Teil der Utrechter Union seiende Polnish National Chatolic Church (PNCC), als auch die Polnische Altkatholische Kirche (PKK) nahmen nicht an den Dialogrunden teil, sondern führten eigene bilaterale Gespräche mit der röm.-kath. Kirche. Während bezüglich der PNCC, welche im Jahre 2003 die Utrechter Union verlassen hatte, 2006 eine Communicatio in sacris gemäß CIC Can. 844§2,3 mit der röm.-kath. Kirche festgestellt werden konnte, soll der weitere Dialog der PKK mit Rom zukünftig Teil des Dialogs zwischen der Utrechter Union und des Einheitssekretariates sein.

Das Ökumenische Institut Luzern (Schweiz) veranstaltete im Herbst 2010 einen interkonfessionellen Studientag, um einerseits das Dialogpapier im ökumenischen Rahmen vorzustellen, andererseits jedoch auch, um die Reaktionen der Ökumene auf „Kirche und Kirchengemeinschaft“ wahrzunehmen. Die auf dieser Tagung gehaltenen Vorträge wurden dann 2013 in einem Sammelband des Ökumenischen Instituts Luzern unter dem Titel Kirche und Kirchengemeinschaft, Die Katholizität der Altkatholiken von Wolfgang Müller veröffentlicht.   

Im Folgenden soll das Dialogpapier nicht in seinen einzelnen Passagen vorgestellt werden, sondern lediglich auf einzelne im Rezeptionsprozess besonders diskutierte Aspekte eingegangen werden. Der Wert eines jeden Dialogtextes liegt in seiner bilateralen und ökumenischen Rezeptionsgeschichte. Und hier legt der altkatholisch – römisch-katholische Dialog die Latte ziemlich hoch, da er sich selbst als mögliches Modell zukünftiger Ökumenischer Dialoge empfiehlt. Prof. Urs von Arx (Bern), welcher das Dialogpapier für die altkatholischen Kirchen auf der ökumenischen Tagung vorstellte, musste nun bedauerlicherweise feststellen, dass die altkatholische Seite, wenn auch mit der einen oder anderen kritischen Anmerkung, in ihren jeweiligen nationalen Pastoralkonferenzen und Synoden den Text grundsätzlich positiv bewertete, während von römisch-katholischer Seite eine entsprechende Rezeption auszubleiben scheint. 

Die altkatholische Seite hatte sich erhofft, dass der gemeinsame Text durch das Einheitssekretariat in dessen „Information Service“ veröffentlicht würde. Einer solchen Veröffentlichung wird in aller Regel ein Kommentar der Kongregation für die Glaubenslehre beigefügt. Dieser Kommentar würde den kirchenamtlichen Status der Altkatholiken aus römisch-katholischer Sicht beschreiben und somit klären, wie katholisch die Altkatholiken damit aus römischer Sicht tatsächlich wären. Im Jahre 2011 hatte Kardinal Kurt Koch festgestellt, dass es eine entsprechende Publikation nicht geben werde, der Dialog jedoch dennoch fortgesetzt werden solle. 

Der römisch-katholische Theologe Prof. Leonhard Hell (Mainz) fragte bereits auf der Tagung in Luzern, was solle man denn unter einem innerkatholischen Dialog verstehen? Ist darunter schlicht ein konfessionelles Selbstverständnis von Kirchen gemeint, die sich selbst als katholisch bezeichnen? Oder aber geht der Dialogtext soweit die Kirchentrennung eigentlich schon aufgegeben zu haben und jetzt nur noch einen Familienzwist austragen zu wollen? Oder ist es tatsächlich so, dass sich der größere Teil der Altkatholiken als Teil der röm.-kath. Kirche versteht? Oder sieht man sich nicht vielmehr als Teil der anglikanischen Welt?  Prof. Hell stellt diese Fragen lediglich, ohne sie auch nur im Ansatz beantworten zu wollen. Doch man muss wohl zugeben, dass Hell hier durchaus zu recht in ein altkatholisches Identitätsvakuum greift. Positiv äußert sich Hell darüber, dass der Dialogtext in einer für ihn angemessenen Weise die Trinitätstheologie in einer westlichen – christologischen – Diktion vorträgt. Womit er sich implizit natürlich darüber verwundert zeigt, dass die Altkatholiken, die in ihrem bisherigen ökumenischen Dialog mit der Orthodoxie verwendete pneumatologische Ausdrucksweise, an dieser Stelle – im Gespräch mit einer westlichen Kirche – offenbar für verzichtbar halten .

Genauso wie sein katholischer Kollege fragt der reformierte Theologe Dr. Gottfried Locher, Ratspräsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, was denn unter einem innerkatholischen Dialog zu verstehen sei. Wenn es eine solche Gesprächsebene gebe, dann müsste es wohl auch einen nicht innerkatholischen Dialog geben. Dialoge zwischen den Katholischen und den Protestantischen Kirchen seien demnach nicht als innerkatholisches Problem zu begreifen. Womit die altkatholische Seite hier zumindest implizit auch die Kirchlichkeit ihrer protestantischen Dialogpartner in Frage stelle.  Die (inner)katholischen Gesprächspartner formulieren hier ein gemeinsames Verständnis von Kirche, Amt und Sakrament, welches klar werden lässt, warum der Dialog zwischen der deutschen alt-katholischen Kirche und der VELKD, trotz einer kontinuierlich andauernden Protestantisierung  der alt-katholischen kirchlichen Praxis nicht zur Feststellung der vollen Kirchengemeinschaft geführt habe. So schließe das 2010 veröffentlichte Dialogdokument „Überlegungen zur Realisierung weiterer Schritte auf dem Wege zur sichtbaren Kirchengemeinschaft“  gerade diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt explizit aus. Dennoch wird eine solche angestrebt und zwar mittels Vertiefung der bestehenden Beziehungen. Daher stelle sich aus protestantischer Sicht die Frage wie die unterschiedlichen Dialogansätze der alt-katholischen Kirche miteinander kompatibel sein sollten? Erwächst für die Alt-Katholiken Kirchengemeinschaft aus einem gemeinsamen ekklesiologischen Verständnis (Dialog mit Rom und Orthodoxie) oder aus einem gegenseitigen Anerkennen des unterschiedlichen ekklesiologischen Verständnisses, welches Schritt für Schritt als nicht mehr Kirchentrennend verstanden wird (Dialog mit der VELKD)?  Daher begrüßt Dr. Gottfried Locher ausdrücklich, dass der Dialog beider (katholischen) Kirchen nicht nur um sich selber kreist, sondern immer wieder auch die Bedeutung der Dialoge beider Kirchen mit anderen Partnern miteinbeziehe. 

Auch der orthodoxe Theologe Prof. Dr. Ernst Christoph Suttner (Wien) stolpert über die Formulierung innerkatholisches Problem und schlägt stattdessen die Bezeichnung innerlateinisches oder innerabendländisches Problem vor . Ein innerkatholisches Problem wäre kein bilaterales Problem zwischen den Kirchen des Westens, sondern eines das auch ein Problem der Orthodoxen Kirchen sein müsste. Gehört die Katholizität doch wesentlich zum Selbstverständnis der Orthodoxen Kirchen dazu. 

Ein zweiter Punkt, den Urs von Arx in seiner Präsentation des Dialogtextes aufgriff, bestand in der Frage wieweit der vorliegende Prozess ein Modell für andere Dialoge sein könnte. Und er räumt ein, dass dieser Modellcharakter wohl nur von Kirchen  mit vergleichbaren ekklesiologischen Grundsätzen aufgegriffen werden könnte, also von katholischen und orthodoxen Kirchen mit einem weitgehend übereinstimmenden Verständnis des bischöflichen Amtes und der unter dessen Leitung stehenden Feier der Eucharistie. 

Von diesem Ansatzpunkt aus entwickelt der Text eine ekklessiologische Communio-Struktur. Innerhalb dieser Communio-Struktur scheint nun der Modellcharakter des Dialogtextes auf. Da der Text nicht nur von Ortskirchen und der Universalkirche spricht, sondern zwischen beiden Ebenen noch Raum lässt für Gemeinschaft von Ortskirchen und Gemeinschaft von Gemeinschaften von Ortskirchen (communio communionum ecclesiarum). Also für lokale Ortskirchen, die sich in überlokaler Gemeinschaft vernetzt haben.  So könnte eine Gemeinschaft wie die Utrechter Union unter Beibehaltung ihrer spezifischen Eigenarten in die Universalkirche integriert werden. Dieser Ansatz wird von Leonhard Hell bestätigt und auf mögliche Patriarchate oder Landeskirchen ausgeweitet. Er hält es allerdings für eine zukünftige Aufgabe der römisch-katholischen Ekklesiologie zu klären ob es eine solche communio communionum ecclesiarum nicht nur kirchenrechtlich gedacht, sondern vor allem theologisch gedacht überhaupt geben könnte?

Für den Vertreter der orthodoxen Theologie Prof. Suttner könnte ein solcher Dialog auf Basis des gemeinsamen ekklesiologischen Verständnisses tatsächlich auch Modellcharakter für die (katholisch – orthodoxe ) Ökumene gewinnen.   

Urs von Arx dämpft an dieser Stelle allzu hohe Erwartungen bezüglich einer Realisierung derartiger Integrationsprozesse und setzt seine Hoffnung lieber auf Fortschritte in einzelnen Sachfragen und insbesondere auf den laufenden orthodox - römisch-katholischen Dialog.     

Ein orthodoxes Erstaunen fand die Formulierung, dass nach römisch-katholischer Lehre der Jurisdiktions- und Lehrprimat des Papstes spätestens nach dem Ersten Vatikanischen Konzil ein integraler und seinem Wesen nach unaufgebbarer Bestandteil des Petrusdienstes sein sollte. Kann es tatsächlich sein, dass ein so konstitutives Amt in der Kirche, fast zwei Jahrtausende ohne eines seiner „unaufgebbaren Bestandteile“ existieren konnte? Oder spricht ein so spätes Hinzugewinnen nicht doch eher für eine zeitbedingte Modalität? Wurde das Amt also fast Zweitausendjahre unkorrekt ausgeübt oder ist die heutige Ausübung nur zeitbedingt? 

Aus orthodoxer Sicht könne durchaus von einem römischen Primat gesprochen werden, jedoch nicht ohne dessen Grenzen auch ausdrücklich zu betonen. Womit dem päpstlichen Primat jegliche Jurisdiktionsvollmachten über die orthodoxen Kirchen abgesprochen werden und anstelle eines universalen Primates die Rechte und Bedeutungen regionaler Patriarchate hervorgehoben werden. 

Zum Thema Mariologie vermisst Leonhard Hell jeden Bezug des Textes auf den anglikanisch - römisch-katholischen Dialog Mary. Crace and Hope in Christ von 2004 , durch welchen möglicherweise doch schon etliche hier noch offene Fragen bereits geklärt seien.  Auch von orthodoxer Seite wurden weniger die Lehraussagen der Dogmen als problematisch empfunden, als vielmehr der Prozess ihrer Dogmatisierung. 

Zum Thema Frauenordination fügt Prof. Suttner für die orthodoxe Seite noch folgende Anmerkung hinzu: Im Gegensatz zur röm.-kath. Kirche genüge es der Orthodoxie, die Ablehnung der Frauenordination aus der Praxis Jesu, sowie aus der kirchlichen Tradition abzuleiten. Eine westliche Sponsialmethaphorik sei der Orthodoxie hingegen fremd.  Prof. Urs von Arx  gibt zu bedenken, dass die Einordnung der Frage nach der Ordination von Frauen zum priesterlichen Dienst als noch „offene Frage“ des Dialoges mit dem ausdrücklichen Ziel der Kirchengemeinschaft, angesichts des Einsatzes des päpstlichen Lehrprimates in diesem Punkte doch wohl sehr fraglich sei.   

Insgesamt möchte Prof. Dr. Leonhard Hell in selbstironischer Art seine Nörgeleien nicht abwertend, sondern als inspirierend verstanden wissen. Gäbe es in jedem ökumenischen Dialog eine derart tragfähige gemeinsame Basis, eine so klarsichtige Aufgabenstellung und eine derartige Vorstellungskraft auf Zukünftiges, so wäre ihm um die Zukunft der kirchlichen Einheitsbemühungen nicht bange.   

Für die Kirchen der Union von Scranton ergeben sich aus dem Rezeptionsstand der Dialogbemühungen zwischen der Utrechter Union und dem Einheitssekretariat natürlich auch eigene Anfragen:

1.Es kann nicht genügen sich allein auf der Joint Declaration von 2006 zwischen der PNCC und der RC auszuruhen. Im weiteren Dialogprozess muss angestrebt werden, die Vereinbarung nicht nur auf sämtliche Mitgliedskirchen der Union von Scranton explizit auszudehnen, sondern eine solche Vereinbarung gehört dann auch durch den „information service“ des Einheitssekretariat publiziert und von der Glaubenskongregation kommentiert.

2.Der Terminus innerkatholisches Problem scheint nicht weiterführend zu sein und wirft in der Ökumene offensichtlich mehr Zweifel denn Verständnis auf.

3.Der Modellansatz communio communionum ecclesiarum scheint auch für die Kirchen der Union von Scranton eine geeignete Dialogbasis zu sein. Gleichzeitig sollte sich der Kirchenbund im Dialog mit der Orthodoxie um Anerkennung als (quasi) westliches Patriarchat bemühen.       

4.Bezüglich der offenen mariologischen Fragen scheint eine nähere Prüfung des Textes von Mary. Crace and Hope in Christ von 2004 als sinnvoll.

5.Bezüglich der Haltung zur Frauenordination hat die Union von Scranton bisher nie im Sinne der westlichen Sponsialmetaphorik, sondern stets gemäß der östlichen Argumentationslinie (Schrift und Tradition) gesprochen. Diese Argumentationslinie sollte sinnvollerweise beibehalten werden.

6.Gleiches gilt für Fragen der Ekklesiologie (inklusiv Petrusdienst) und der Trinitätslehre, auch in diesen Fragen sollte im Dialog mit der römischen Kirche der pneumatologisch, östliche Ausdruck nicht vergessen werden.



Begegnung mit dem Bösen – oder die Versuchung Jesu

Br. Friedrich Hartmann OPR


Der oder das Böse offenbart sich in drei elementaren Angriffen:

•Die Versuchung, gegen sein innerstes Wesen zu handeln: das heißt im Zustand äußerster Erschöpfung und scheinbarer Ausweglosigkeit nach dem greifen wollen, was augenblicklich Erleichterung verschafft. Jeder von uns trägt in sich diese Andockstelle und ist dieser Versuchung permanent ausgesetzt, jeweils in unterschiedlicher Qualität. Und jeder ist dieser Versuchung schon einmal erlegen. Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein.

•Die Versuchung als Verlockung zur Macht unter Missbrauch der Sendung: das heißt, unter dem Schein des Guten der Eigendynamik von Lüge und Gewalt zu erliegen, also die Spielregeln der „Welt“ zu übernehmen. (Das ist) wenn materielles Habenwollen oder geistiges Geltenwollen dominieren und das wahre Leben ersticken. Jeder von uns kennt diese Dominanz über den anderen.

•Die Versuchung, ohne Passion (Leiden, Erdulden) auszukommen: das heißt, Gottesdienst provoziert immer den tödlichen Konflikt mit den Erwartungen und Spielregeln dieser Welt. Die Gefahr (ist da), sich durch religiöse Sonderleistungen Gott dienstbar machen zu wollen, als Versuch dem Leiden auszuweichen. Jeder von uns kennt das Gelübde, wenn du mir gibst, dann gebe ich.

(Man muss / soll) sich dem Bösen im eigenen Herzen stellen, damit es die lebensbedrohende Macht verliert. Wer sich nicht zum eigenen Leben durchringt, wer die Zonen der Unsicherheit und die Augenblicke der Angst und Einsamkeit, das Erleben der Ohnmacht scheut, verweigert sich der Reifung der Menschwerdung. Wer davor zurückschreckt, andere zu verletzen (nicht um des Wehtun willens, sondern der Wahrheit wegen) und seien es die Liebsten, wird sich dem Absolutheitsanspruch von Menschen beugen und sie an Gottes Stelle setzen.

Getaufte Christen stehen in der Gefahr, in ihrer Kultur- und Weltverflochtenheit das Gespür für die Gefährdungen ihrer christlichen Existenz und Lebensweise zu verlieren.


Die zerstörerische Macht des Bösen im eigenen Leben ent-larven (Versuchung Jesu).

Eine Vor(Ver)-Stellung wie Gott sich im Leben des Menschen manifestiert (bedenke – meine Gedanken sind nicht eure Gedanken).

Ein Anspruch der Erwartung eines eindrucksvollen Gegensatzes zum normalen Leben (bedenke – das Schwache in der Welt, die Unmündigen sind erwählt).

Eine festgelegte Sehnsucht aufgrund eines gemachten Gottesbildes als Ausdruck des eingerichteten Lebens (bedenke – du wirst dir kein Bild machen von Gott, denn er sprengt deinen Rahmen).

Das Verlangen des eigenen Herzens steht im Widerspruch zum eingerichteten Leben (bedenke – wir wollen Christus anziehen, finden aber die Klamotten des „alten Adam“ ansprechender).

Dieses Spüren des Widerstreits macht den Konflikt deutlich, der sich anbahnt, wenn die Verlässlichkeit der eigenen Vorurteile untergraben wird. Die Heilung vom Bösen, von dem, was mich mit Gewalt gefangen hält, ist wohl kaum möglich ohne tiefe Erschütterung.

Menschen, die um die Macht des Bösen wissen, nimmt der Herr in seine Gemeinschaft auf.

Wann immer ich von Jesu Wort getroffen bin, von der Freiheit, die daraus spricht, sodass ich spüre, hier bin ich selbst gemeint – muss ich damit rechnen, dass sich das Dunkle und Unerlöste zu Wort meldet und sich leidenschaftlich dagegen wehrt.

Das Suchen nach einer Haltung, umfassend verstanden als Ausdruck der Trauer über die reale Macht, die die Kräfte des Bösen über die Menschen haben. Ein Bemühen um Wachsamkeit und Sensibilität, um nicht von den zerstörerischen Kräften überrascht zu werden (bedenke – der brüllende Löwe schleicht umher und sucht, wen er verschlingen kann).





Wie wäre es mit einem Tag der offenen Tür?

Die PNCC hat das Jahr 2015 zum Jahr der Erneuerung ausgerufen. Ein Aspekt dabei liegt auch in der Frage, wie Pfarrgemeinden für heimatsuchende Menschen attraktiver werden könnte. In der Februarausgabe der PNCC Kirchenzeitung „God’s Field“ (Gottesacker) geht es um die Möglichkeit einen Tag der offenen Tür auszurichten.


Von Zeit zu Zeit stellt sich wohl in allen Pfarreien die Frage: „Was können wir tun, um neue Mitglieder für uns zu gewinnen?“ Alle Menschen, die nach einer geistigen Heimat suchen, könnten neue potenzielle Mitglieder unserer Kirche sein. Daher ist es nicht nur wichtig, dass wir unsere Überzeugungen mitteilen, sondern dass wir zunächst die Suchenden gastfreundlich begrüßen und ihnen erklären, wie unsere Gemeinde funktioniert.

Der erste Weg Informationen weiterzugeben besteht darin, strukturiert von der eigenen Kirche zu erzählen. Eine gute Gelegenheit dafür könnte ein „Tag der offenen Tür“ sein, möglicherweise zusammen mit einem „Flohmarkt“, oder auch anderen Veranstaltungen.

Ein solcher „Tag der offenen Tür“ hätte zwei Vorteile: Zum einen könnten wir uns suchenden Menschen als demokratische katholische Kirche vorstellen und zum anderen wäre es eine schöne Gelegenheit für unsere Mitglieder sich noch intensiver mit der Kirche zu beschäftigen und zu identifizieren. Nicht zuletzt wäre es eine Möglichkeit den eigenen Glauben zu bekräftigen.   

Das Vorbereitungsteam sollte zunächst festlegen wann der Tag der offenen Tür stattfinden soll. Was wollen wir an diesem Tag anbieten und wer übernimmt die Verantwortung für die einzelnen Aktivitäten?

Wie können wir auf unsere Veranstaltung aufmerksam machen? Anzeigen, Zeitungen, Broschüren, Prospekte und Einladungskarten müssen erstellt werden. Werbung braucht konkrete Ansprechpartner, damit Menschen mit noch offenen Fragen sich an diese wenden können.

Unsere Informationen sollten die Geschichte der Kirche und der Pfarrei kurz darstellen, welche Feste feiern wir, welche Sakramente spenden wir? Wie ist unser Gottesdienst aufgebaut, welche Dienste gibt es und welche sozialen Leistungen bieten wir an?

Schließlich auch eher theologische Fragen: „Was ist unter unserer synodalen Verfassung oder unter der Union von Scranton zu verstehen? 

Wo werden diese Informationen veröffentlicht, ausgehängt oder verteilt? Wie aufwendig, informativ und teuer sollen diese Materialien sein?   

Neben einem Tag der offenen Tür könnte man auch an ein Gemeindefrühstück, oder Abendessen denken. Die Infomaterialien wären wiederverwertbar.

Wer in der Gemeinde kann sich am Informationstag beteiligen, wer springt ein, wenn der Verantwortliche plötzlich erkrankt? Jedes Gemeindemitglied ist kompetent. Um noch mehr Sicherheit zu gewinnen, sollten die Gemeindeinfos dennoch zuvor mit allen Helfern durchgesprochen werden. Die Helfer sollten am Tag der offenen Tür Namensschilder tragen, um sofort als Kontaktpersonen erkennbar zu sein. 


 

Gelebte Gastfreundschaft

Willkommenspaket der PNCC für suchende Menschen.




Serie 125 Jahre Utrechter Union Teil 4


Altkatholische Kirche der Niederlande

- Römisch-Katholische Kirche der alt-bischöflichen Klerisei –

Von Alfons Fischer


Die Altkatholische Kirche der Niederlande (auch unter ihrem alten Namen Römisch-Katholische Kirche der alt-bischöflichen Klerisei bekannt) ist die Mutterkirche der in der Utrechter Union vereinigten altkatholischen Kirchen. Von ihr empfingen alle anderen Altkatholischen Kirchen die Bischofsweihe in apostolischer Sukzession. Nach römisch-katholischem kanonischen Recht sind die Weihen, die von altkatholischen Bischöfen vorgenommen werden, gültig, wenn auch unerlaubt, da ihnen die päpstliche Bestätigung fehlt. Ebenso erkennen die orthodoxen Kirchen die Gültigkeit der altkatholischen Weihen an, sofern sie nicht an oder durch eine Frau gespendet werden.   

Um die Besetzung des Erzbischofssitzes in Utrecht kam es einst zu erheblichen Differenzen zwischen dem Vatikan und dem Domkapitel. Dieses wählte 1723  Cornelius Steenoven zum Erzbischof, der dann ohne Zustimmung Roms von dem suspendierten und dem Jansenismus nahestehenden Missionsbischof Dominique Varlet die Bischofsweihe erhielt. Steenoven und seine Anhänger wurden daraufhin exkommuniziert. Mit Unterstützung der niederländischen Regierung schlossen sich die Exkommunizierten zur Römisch-Katholischen Kirche der alt-bischöflichen Klerisei zusammen. Zwischen 1723 und 1889  hat  diese Kirche sich immer wieder um eine Verständigung mit dem Vatikan bemüht. Die Bischofsweihen wurden den vatikanischen Behörden mit der Bitte um Bestätigung angezeigt. Doch vergeblich! Dass man sich nicht endgültig vom Vatikan trennen wollte, kam auch im Namen der Kirche zum Ausdruck: Römisch-Katholische Kirche der alt-bischöflichen Klerisei. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil trat jedoch eine Wende ein. Die Mitteilung über die Weihe eines altkatholischen Bischofs wird seitdem vom Vatikan jeweils mit einem Glückwunschschreiben beantwortet.

Die Altkatholische Kirche der Niederlande war maßgeblich an der Gründung sowie Weiterentwicklung der Utrechter Union beteiligt. Doch gab es dabei auch Schwierigkeiten zu überwinden. Man verhielt sich zunächst sehr reserviert gegenüber den Reformbestrebungen der Altkatholiken aus anderen Ländern. Doch heute gibt es bei den altkatholischen Christen aus den Niederlanden auch die Landessprache im Gottesdienst, das synodale Prinzip, die Aufhebung des Pflichtzölibats, die Anerkennung der anglikanischen Weihen und die Frauenordination. In der Altkatholischen Kirche der Niederlande gibt es das Erzbistum Utrecht sowie die beiden Bistümer Haarlem und Deventer. Letzteres hat wegen der geringen Anzahl der Altkatholiken schon seit Jahren keinen Bischof mehr. Weiter sind 23 Priester/innen für die seelsorgerliche Betreuung der 5.275  Kirchenmitglieder in 25 Gemeinden zuständig.


Christkatholische Kirche der Schweiz

Für die Christkatholische Kirche der Schweiz werden 13.312 Mitglieder, 44 Priester/innen, 6 Diakone bzw. Diakoninnen in 33 Kirchengemeinden sowie 8 Diasporastellen genannt. Bischof der Christkatholiken ist Harald Rein. 2001 wurde an der Universität Bern die christkatholische Theologie in eine christkatholisch- sowie evangelisch-theologische Fakultät eingegliedert, die sich im Jahre 2008 in „Theologische Fakultät“ umbenannte. Durch den Namen „Christkatholische Kirche“ sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass nicht der Papst, sondern Christus das Haupt der Kirche ist. Diese Kirche verdankt ihr Entstehen sowohl politisch-freisinnigen - also liberalen - Einflüssen als auch dem Widerstand besonders engagierter Katholiken gegen die Beschlüsse des ersten Vatikanischen Konzils von 1870. Auf Landesebene wurde damals der „Schweizerische Verein freisinniger Katholiken“ mit einem Zentralkomitee  gegründet. Die erste Synode der Christkatholischen Kirche fand am 14. Juni 1875 in Olten statt und orientierte sich in ihren Beschlüssen im Wesentlichen an der Verfassung der deutschen Alt-Katholischen Kirche. Die Synode wählte Eduard Herzog zum Bischof, der am 18. September 1876 in Rheinfelden durch den deutschen Bischof Josef Hubert Reinkens die Bischofsweihe erhielt. Die größte christkatholische Kirchengemeinde ist der ganze Kanton Zürich mit etwa 1.700 Mitgliedern, von denen ein Drittel in der Stadt Zürich wohnt. Es folgen Möhlin mit ca. 1.000 Christkatholiken, Bern mit ungefähr 800 Personen, davon ca. 230 in der Stadt selbst und schließlich die Region Olten mit etwa 630 Mitgliedern und davon ungefähr 390 in der Stadt Olten.


Altkatholische Kirche Österreichs

Überall in Österreich gab es nach dem Ersten Vatikanischen Konzil Proteste gegen die den Papst betreffenden Beschlüsse. In Wien war es besonders der Geistliche Alois Anton. Er verlangte nicht nur Reformen in der Römisch-Katholischen Kirche, sondern auch die Bildung einer Kultusgemeinde, die frei und unabhängig von Rom sein sollte. Der Gemeinderat Wiens stellte schließlich die ihm gehörende Kapelle des Alten Rathauses den sich nun Altkatholiken nennenden Romkatholiken für ihre Gottesdienste zur Verfügung. Größere Gemeinden entstanden auch in Böhmen und hier besonders in der Industriestadt Warnsdorf, wo sich später ein Bistum konstituierte. Pfarrer Dr. Josef Bader gründete in Ried eine Gemeinde, wo ihm die stadteigene Heilig-Geist-Kirche zur Verfügung stand. Im Jahre 1877 erhielten die Altkatholiken die staatliche Anerkennung, doch wurde ihnen die Wahl eines Bischofs staatlicherseits noch lange verwehrt. Bei der ersten Synode 1879 wurde eine Kirchenverfassung beschlossen sowie die von den deutschen und schweizerischen Altkatholiken durchgeführten Reformen übernommen.   

Einen sehr starken Zustrom an Mitgliedern erhielten die österreichischen Altkatholiken durch die „Los-von-Rom-Bewegung“ des deutschnationalen Abgeordneten Georg Ritter von Schönerer. Die Zahl der Altkatholiken wuchs von 9.000 im Jahre 1890 auf über 24.000 bis zum zweiten Weltkrieg. Die Gründe hierfür lagen allerdings nicht nur in der Los-von-Rom-Bewegung, sondern auch an dem damals in der Römisch-Katholischen Kirche noch geltenden Verbot der Feuerbestattung. 1896 verlegte man den Bischofssitz von Wien in die nordböhmische Stadt Warnsdorf. Nach dem ersten Weltkrieg fielen die nordböhmischen Gebiete jedoch an die Tschechoslowakei. Für Österreich wurde nun Wien erneut Bischofssitz. Wieder ging es mit den altkatholischen Mitgliederzahlen in die Höhe. Anlass dafür war, dass geschiedenen österreichischen Altkatholiken schon damals im Gegensatz zu ihren Schwesterkirchen in Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz, die das zu dieser Zeit noch ablehnten, mit der sogenannten Dispensehe eine erneute kirchliche Eheschließung ermöglicht wurde. Im Jahre 1924 konnte endlich für Österreich ein altkatholischer Bischof gewählt werden. Die Wahl fiel auf den Wiener Pfarrer Adalbert Schindelar, der ein Jahr später vom schweizer Bischof die Bischofsweihe erhielt. Doch starb er bereits 1926. Seine Nachfolge trat Pfarrer Robert Tüchler an, der in Wien durch den tschechoslowakischen Bischof Alois Paschek geweiht wurde. In diesem Zusammenhang erhielten die Altkatholiken aber auch aus der Sozialdemokratie - und hier besonders aus der Arbeiterschaft - einen nicht unerheblichen Zustrom. Dies führte zeitweise zu einer gewissen Nähe der Alt-Katholischen Kirche zur Sozialistischen Partei, was durch die Mitgliedschaft der Bischöfe Adalbert Schindelar und Robert Tüchler zum Ausdruck kam. Sicherlich war das nicht nach jedermanns Geschmack. Wäre doch eine gewisse parteipolitische Zurückhaltung angebrachter gewesen! Es gab allerdings bisher drei altkatholische Bundesminister, die den österreichischen Sozialisten angehörten (Josef Afritsch, Prof. Dr. Hannes Androsch und Dr. Herbert Moritz). Doch auch für das politisch nichtsozialistische Lager schaffte es eine Altkatholikin in die österreichische Bundesregierung zu kommen. Es handelt sich dabei um die ehemalige Gesundheitsministerin Dr. Andrea Podolsky von der Österreichischen Volkspartei, die mit der deutschen CDU/CSU vergleichbar ist. Die österreichischen Altkatholiken sind damit in der altkatholischen Kirchenfamilie die rühmliche Ausnahme und einsame Spitze, denn in keinem anderen Land - abgesehen von der unrühmlichen Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland - ist es Altkatholiken jemals gelungen ein Ministeramt zu übernehmen.

Etwa 7.000 Beitritte verzeichnete die Altkatholische Kirche Österreichs als die Regierung beschloss, dass alle Staatsbeamten einer Kirche angehören müssen. Zumeist waren die neuen Altkatholiken Nationalsozialisten. Die Kirchenleitung sowie ein Teil der Altkatholiken begrüßte im März 1938 den Anschluss des österreichischen Staates an Deutschland. Die Folge davon war der Verlust der Eigenständigkeit des österreichischen Bistums durch die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich. Nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die deutsche Wehrmacht und Schaffung des „Protektorates Böhmen und Mähren“ begrüßten die tschechoslowakischen Altkatholiken ebenfalls die Bildung einer „Großdeutschen Alt-Katholischen Kirche“ mit drei Bistümern. Der Wiener Bischof Robert Tüchler ging 1942 in den Ruhestand. Ein neuer Bischof wurde vorläufig nicht gewählt. Stattdessen übernahm Generalvikar Dr. Stefan Török die Funktion eines Bistumsverwesers. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde er zum österreichischen Bischof gewählt und im Oktober 1948 in der Wiener St.-Salvator-Kapelle zum Bischof geweiht.

Nach dem Tod von Bischof Dr. Török wurde 1975 Nikolaus Hummel sein Nachfolger. Er ernannte 1991 den Wissenschaftler und einige Zeit auch in Deutschland tätigen Prof. Dr. Ernst Hammerschmidt zum Bischofskoadjutor  mit dem Recht die Mitra zu tragen. Dieser sollte 1993 die Bischofsnachfolge von Nikolaus Hummel antreten. Doch kam es dazu nicht mehr, da Hammerschmidt wegen theologischer Differenzen die Altkatholische Kirche verließ und wieder römisch-katholisch wurde. Völlig konsterniert entschied sich die österreichische Synode nun bei der Bischofswahl für den bayerischen Dekan und Pfarrer Bernhard Heitz aus Rosenheim, der einen liberal-konservativen Kurs steuerte und sich ökumenisch sehr aktiv betätigte. Dessen Nachfolger wurde 2008 der in Nigeria geborene Dr. John Ekemezie Okoro. Die Altkatholische Kirche Österreichs hat 14.621 Mitglieder, wobei in einer anderen Statistik nur von 11.500 ausgegangen wird. Wie dem auch sei, so gaben bei einer Volkszählung im Jahre 1991 noch 18.900 Österreicher ihre Kirchenzugehörigkeit mit altkatholisch an. Im Bistum gibt es 14 Gemeinden, davon die meisten in Wien. Von den 14 Gemeinden haben jedoch nur 11 den Status einer Pfarrei. Die Altkatholiken werden von 15 Priestern bzw. Priesterinnen betreut.


Altkatholische Kirche in Tschechien

Im Zuge des Aufbaues von altkatholischen Gemeinden waren in der österreichischen Doppelmonarchie auch Gemeinden in Nordböhmen entstanden. Besonders in der Industriestadt Warnsdorf tat sich auf altkatholischer Seite viel. Am 08. Juli 1871 kam es durch den Priester Anton Nittel zur Gründung einer altkatholischen Gemeinde, die ihn zum Pfarrer wählte. 3.000 Bürger Warnsdorfs schlossen sich der neuen Gemeinde an. 1877 wurde die Gemeinde staatlicherseits anerkannt. Ihren ersten Gottesdienst feierten die Warnsdorfer Altkatholiken zu Weihnachten 1874 in der späteren Kathedralkirche Verklärung Christi.

Im Jahre 1896 wurde der Amtssitz der Bistumsleitung der Altkatholiken Österreich-Ungarns von Wien nach Warnsdorf verlegt. Mit der Auflösung Österreich-Ungarns gab es nach dem ersten Weltkrieg in Warnsdorf ein tschechoslowakisches sowie in Wien ein österreichisches Bistum. Nationalkirchliche Tendenzen machten sich bemerkbar. Von mit der Römisch-Katholische Kirche unzufriedenen Priestern und Laien initiiert, entstand  die  verhältnismäßig große „Hussitische Kirche“. Die Altkatholiken unternahmen jedoch nichts, um die mehr oder weniger aus nationalen Gründen erfolgte Spaltung der Romkatholiken in die Altkatholische Kirche einmünden zu lassen. Grund hierfür war, dass die große Mehrheit der tschechoslowakischen Altkatholiken Sudetendeutsche mit deutscher und nicht tschechischer Sprache und Identität waren. Im Jahre 1924 wählten die Altkatholiken den Tschechen Alois Paschek zu ihrem Bischof. Dies war ein gelungener Schachzug um das Verhältnis zwischen den mehrheitlich deutschen Altkatholiken und der tschechoslowakischen Regierung zu verbessern. 1934 nahm man sich intensiver des Tschechischen an. Dies war vor allem auf die Bestrebungen der altkatholischen Prager Gemeinde zurückzuführen, wo es schon seit der Jahrhundertwende einen hussitisch-nationalen Flügel gab. Spannungen zwischen tschechoslowakischen und deutschen Altkatholiken blieben nicht aus. Die Flucht und Vertreibung der mehrheitlich deutschen Altkatholiken aus dem Sudetenland traf die Altkatholische Kirche in der Tschechoslowakei sehr schwer. Die nach Deutschland geflohenen altkatholischen Christen schlossen sich so gut es ging den Gemeinden des deutschen Bistums an. Sehr schlecht sah es hingegen mit der Altkatholischen Kirche in der Tschechoslowakei aus. Die Kirche war massiv geschrumpft. Der verbliebene Rest der Gläubigen sammelte sich in 10 Gemeinden mit vier Priestern. Der „Prager Frühling“ ließ 1968 etwas Sonne scheinen und in Utrecht konnte Augustin Podolák zum Bischof geweiht  werden. Doch war es mit dem altkatholischen Aufbruch in der Tschechoslowakei bald zu Ende. Es kam zu Spannungen zwischen Bischof Podolák und dem Geistlichen Dr. Milos Pulec in Prag. Der Bischof wurde schließlich vertrieben und Dr. Pulec übernahm als Bistumsverweser das Zepter in die Hand. Zu einem neuen Aufbruch in der Kirche kam es nach dem Zusammenbruch des Ostblocks. 1990 gab es eine Synode auf der Bischof Podolák sich durchsetzte.  Doch starb er bereits ein Jahr später. Die Nachfolge trat Dusan Hejbal an, ein enger Vertrauter des Verstorbenen. Nach dem Ende der kirchlichen Unterdrückung in der Tschechoslowakei  erholte sich die Altkatholische Kirche, und es ging wieder aufwärts. Der Bischofssitz wurde von Warnsdorf in die Landeshauptstadt Prag verlegt. Mit Hilfe des sehr umtriebigen stellvertretenden Synodalratsvorsitzenden der tschechischen Altkatholiken, Josef König, gab es in dieser Kirche eine beeindruckend gute Öffentlichkeitsarbeit. Neue Gemeinden entstanden und die Taufen lagen ein Vielfaches über den Sterbefällen. Es gelang auch 2002 den Internationalen Altkatholikenkongress mit 350 Teilnehmer aus 14 Ländern nach Prag zu holen. Die Frauenordination wurde „nur bedingt“ eingeführt. Frauen können zwar zur Diakonin geweiht werden, jedoch nicht zu Priesterinnen und Bischöfinnen. 2003 gab es die erste Weihe einer Frau zur Diakonin. In Tschechien soll es ca. 2.700 Altkatholiken in 16 Gemeinden mit 22 Priestern geben.                 


Polnisch-Katholische Kirche

Die Geschichte der Polnisch-Katholischen Kirche ist vielschichtig. Sie ist „ein Kind“ der Polnischen National-Katholischen Kirche (PNCC) in den USA. Als sich die PNCC sehr erfolgreich in Nordamerika ausgebreitet hatte, ging man auf Veranlassung ihres Leitenden Bischofs Franciszek Hodur daran, eine Dependance in Polen zu gründen. Innerhalb weniger Jahre gelang es neben Geistlichen sowie Ordensleuten eine große Anzahl von Laien - und hier vor allem Arbeiter sowie Angestellte - für eine vatikanunabhängige katholische Kirche mit polnischer Ausrichtung zu gewinnen. So konnte ein Missionsbistum der PNCC gegründet und 1924 Francis Bonczak zum Bischof geweiht werden, der aber 1928 in die USA zuückkehrte. 1929 wurde Wladislaw Marcin Faron zum Bischof für Polen gewählt und am 30. Januar 1930 durch den Leitenden Bischof der PNCC, Franciszek Hodur, im amerikanischen Scranton geweiht. Die Geistlichen des Missionsbistums kamen fast alle aus dem römisch - katholischen Bereich. Sie hatten größtenteils kaum Kenntnisse über den Altkatholizismus. Gegen den katholischen Ableger aus Amerika gab es jedoch erheblichen Widerstand seitens der Römisch-Katholischen Kirche. Doch stand dies alles einem weiteren Anwachsen der Polnischkatholiken nicht im Wege. Unter der deutschen Besetzung Polens im Zweiten Weltkrieg hatte die Kirche allerdings schwer zu leiden. Anders wurde es hingegen nach dem Krieg im Jahre 1945. Die Kommunisten sahen in den Polnischkatholiken willkommene Partner im Kampf gegen die Römisch-Katholische Kirche und förderten sie zunächst. Außerdem versuchte die Regierung die Kirchen gegeneinander auszuspielen. Die Polnisch-Katholische Kirche wurde schließlich staatlicherseits anerkannt und erhielt römisch-katholische Kirchen zur eigenen Nutzung. Die Regierung förderte auch eine Verselbstständigung der polnisch-katholischen Filialkirche der amerikanischen PNCC, die schließlich 1952 selbstständig wurde.

Struktur, Verwaltung und Theologie der nun in die Selbstständigkeit entlassenen Polnisch-Katholischen Kirche blieben unverändert wie vorher. Trotz staatlicher Unterstützung geriet die Kirche vor allem wegen ihrer nach wie vor engen Bindung an die PNCC zunehmend in Schwierigkeiten mit der kommunistischen Regierung. Dies führte schließlich zur staatlichen Absetzung des Bischofs Julian Pekala. 1959 wurde dann Maksymilian Rode Leitender Bischof, der bis 1965 amtierte. Die Ausbildung polnisch-katholischer Priesteranwärter verbessert sich, als die bisherige Warschauer Evangelisch-Theologische Fakultät in eine Kirchliche Hochschule für größere nicht römisch-katholische Kirchen umgewandelt wurde. So ist der derzeitige Leitende Bischof der Polnisch-Katholiken, Prof. Dr. Wiktor Wysoczanski, zugleich der Ordinarius des polnisch-katholischen Seminars. In der kommunistischen Zeit finanzierte sich die Polnisch-Katholische Kirche durch unter ihrer Leitung in Großstädten stehende Handwerksbetriebe. Die Frauenordination wird wie in ihrer Mutterkirche PNCC abgelehnt. Doch sind die Polnisch-Katholischen nach deren Einführung in den westeuropäischen Ländern im Gegensatz zur PNCC nicht aus der Utrechter Union ausgetreten. An der letzten Synode der Polnisch-Katholischen Kirche nahm auch der Leitende Bischof der PNCC, Dr. Anthony Mykovski, mit einer Delegation seiner Kirche teil. Er betonte dort das nach wie vor gute Verhältnis der PNCC zu den Polnisch-Katholiken und dass man in Polen keine Konkurrenzkirche aufbauen wolle. Die Polnisch-Katholische Kirche ist in drei Bistümer eingeteilt. Es sind dies: Warschau mit 5 Dekanaten, 33 Pfarreien sowie 32 Priester, Breslau mit 4 Dekanaten, 20 Pfarreien sowie 24 Priester und Krakau-Tschenstochau mit 4 Dekanaten sowie je 25 Pfarreien und Priestern. Nach verschiedenen Informationen sollen der Polnisch-Katholischen Kirche 19.035 Mitglieder angehören. Die Bischofssitze in Breslau und Krakau-Tschenstochau sind schon seit vielen Jahren unbesetzt und werden von Bischöflichen Administratoren verwaltet. Bei der Synode im Jahre 2013 scheiterte die Neubesetzung daran, dass keiner der vorgeschlagenen Kandidaten das erforderliche Stimmenquorum erhielt.


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Redaktion: Klaus Mass, Kapellenstraße 7, 85254 Einsbach, pfarramt-christ-katholisch@web.de

Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht unbedingt die Lehrmeinung der Kirche wiedergeben.

Leserbriefe sind stets erwünscht.



Ökumene:                                                                                                                             Dokumentation


Folgerichtig und doch hochriskant: Kirche von England führt Bischöfinnen ein

Eine Erkärung der Reformierten Episkopalkirche in Deutschland

Dr. Frederik Herzberg


Knapp zwei Jahre nachdem in der Generalsynode, dem "Kirchenparlament" der Kirche von England, eine Zweidrittelmehrheit für einen ähnlichen Gesetzentwurf in der Kammer der Laien verfehlt worden war, ist im Juli 2014 in allen Kammern der Generalsynode ein neues Kirchengesetz verabschiedet worden, das in Kirche und Gesellschaft lange erwartet worden war: Es erlaubt zwanzig Jahre nach der Ordination der ersten Priesterinnen nun auch die "Konsekration" von Frauen als Bischöfinnen. Die erste Kandidatin, Pfarrerin Libby Lane, empfing am 26. Januar ihre "Bischofsweihe“.

Der Meinungsänderung in der Generalsynode war eine Erklärung der englischen Bischöfe vorausgegangen, in welcher der beträchtlichen Gruppe anglokatholischer und evangelikaler Anglikaner (darunter durchaus viele gebildete Frauen und jüngere Kirchenmitglieder) mit theologischen Vorbehalten gegen die Frauenordination zugestanden wird, authentische Anglikaner zu sein. Ihre Anliegen sollen auch künftig und dauerhaft in Seelsorge und Sakramentsverwaltung berücksichtigt werden. (Ähnlich hatte sich die Lambeth-Konferenz, die alle zehn Jahre stattfindende weltweite Bischofskonferenz der anglikanischen Kirchengemeinschaft, in ihrer Resolution III.2 im Jahr 1998 geäußert.) Die Sonderdiözesen der Kirche von England für traditionsverbundene Anglikaner (geleitet von Bischöfen, die keine Priesterinnen ordinieren oder in der Seelsorge einsetzen) bleiben erhalten. Gleichzeitig wird eine innerkirchliche Mediationsinstanz (Independent Reviewer) geschaffen, um in entsprechenden Konfliktfällen eine kirchenrechtlich und pastoral verantwortbare Lösung zu finden.

Der Praxistest für dieses Mediationsverfahren (disputes resolution procedure) steht natürlich noch aus und sehr viel wird von der Umsicht des Erzbischofs von Canterbury, Justin Welby, bei vertrauensbildenden Maßnahmen wie der Ernennung von Bischöfen, die auch bei der konservativen Minderheit akzeptiert werden, abhängen. Im schlimmsten Fall droht die Spaltung der Kirche von England oder ein weiterer massiver Aderlass an andere Kirchen. So gibt es etwa die relativ kleine Free Church of England, die auch von der Kirche von England als authentische anglikanische Kirche anerkannt wird, aber theologisch deutlich konservativer ist. Ferner gibt es ein römisch-katholisches Personalordinariat für ehemalige Anglikaner unter Leitung eines ehemaligen anglikanischen Bischofs. Für den ökumenischen Dialog jedenfalls sind Bischöfinnen eine schwere Belastung. Eine Wiedervereinigung etwa mit der römisch-katholischen Kirche, die noch in den 1970er Jahren nach dem ökumenischen Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils für eine langfristige Möglichkeit gehalten wurde, ist nun undenkbar.

Die Entscheidung für Frauen im Episkopat der Kirche von England wird in Kontinentaleuropa zunächst keine sichtbaren Auswirkungen haben, da erst vor Kurzem der vakante Bischofssitz der englischen Diözese von Gibraltar mit Domherr Robert Innes (Brüssel) besetzt worden ist. Weitere anglikanische Bischöfe mit Gemeinden in Deutschland sind Pierre Whalon (Paris) von der US-amerikanischen Episkopalkirche, der voraussichtlich noch einige Zeit im Amt bleiben wird und ohnehin von England weitestgehend unabhängig ist, und Bischof Gerhard Meyer von der Reformierten Episkopalkirche (Anglikanische Mission in Deutschland), welche keine Frauenordination praktiziert. Auf mittlere Sicht werden sich wahrscheinlich jene Anglikanerinnen und Anglikaner in Deutschland, die aus theologischer Überzeugung oder ökumenischer Rücksichtnahme die Ordination von Priesterinnen oder Bischöfinnen nicht anerkennen, entweder konservativeren anglikanischen Kirchen (wie eben der Reformierten Episkopalkirche) anschließen oder aber zur römisch-katholischen Kirche oder byzantinisch-orthodoxen Kirche konvertieren.

Auf globaler Ebene bedeutet die englische Entscheidung für Bischöfinnen eine schwere Hypothek für die ohnehin vor der Spaltung stehende anglikanische Kirchengemeinschaft. Die größte und aktivste anglikanische Kirchenprovinz, die Kirche von Nigeria, hat die radikalen Kursänderungen der US-amerikanischen Kirchenprovinz im Bereich der Sexualethik massiv kritisiert und erkennt auch die Frauenordination nicht an. Ungefähr die Hälfte der anglikanischen Kirchengemeinschaft steht mit der US-amerikanischen Episkopalkirche nicht mehr in Sakramentengemeinschaft. Aber auch innerhalb der Kirche von England war die Entscheidung für die Frauenordination sehr umstritten, wie die äußerst kontroversen Diskussionen in der Kammer der "Laien" (von denen viele theologisch gebildet sind) sowohl bei der Einführung von Priesterinnen vor 20 Jahren als auch jüngst bei der Einführung von Bischöfinnen zeigen. Mancherorts in der Kirche von England und der anglikanischen Kirchengemeinschaft werden in Zukunft auch männliche Priester, die von einer Bischöfin ordiniert wurden, nicht als gültig geweihte Priester anerkannt werden. Insofern wird die Konsekration von Bischöfinnen die inneranglikanischen Spannungen weiter verschärfen. Die Gegner der Ordination von Priesterinnen und der Konsekration von Bischöfinnen führen vielfältige theologische Gründe für ihre Haltung an. Zum einen bestreiten die Paulusbriefe des Neuen Testaments die geistliche Lehrvollmacht von Frauen, wobei dies in der Heiligen Schrift gerade nicht soziologisch-kontextuell, sondern heilsgeschichtlich mit Rekurs auf Schöpfungsordnung und Sündenfall begründet wird (1 Tim 2,12ff). Hinzu kommt ein indirektes biblisches Argument, das die Leitung von Familie und Kirche in Beziehung setzt (1 Tim 3,4.12) -- und erstere, unter anderem aus trinitätstheologischen Überlegungen heraus (1 Kor 11,3), komplementaristisch versteht (der Mann als "Haupt der Frau"). Diese Lehre wird von Paulus in einem der ältesten Texte des Neuen Testaments als Teil eines disziplinarischen Konsenses der apostolischen Kirche vorgestellt -- wohlgemerkt ein Konsens, der nach paulinischer Aussage auf göttlichem Gebot gründet und dessen Nicht-Anerkennung den Ausschluss aus der wahren Kirche bedeutet (1 Kor 14,37f). Das irdische Wirken Jesu ist mit dieser Lehre übrigens völlig konsistent: Denn trotz Jesu besonderer seelsorglicher Zuwendung zu Frauen hat er keine dieser Frauen zu Aposteln berufen und auch als Nachfolger des Verräters Judas im Zwölferkreis wurde weder die hl. Jungfrau Maria noch die hl. Maria von Magdala noch eine andere Auferstehungszeugin, sondern der hl. Matthias ausgewählt.

Neben diesem biblischen Befund, den evangelikale Anglikaner gerne zitieren, werden von hochkirchlicher bzw. anglokatholischer Seite auch sakramentaltheologische Gründe angeführt: Ein biblisches Bild für die Beziehung Christi zu Seiner Kirche ist nämlich die Beziehung eines aufopfernd liebenden Ehemannes zu seiner ihm hingegebenen Ehefrau, was Paulus als "mysterion" bezeichnet und damit schon den sakramentalen Charakter andeutet (Eph 5,25ff). Das Bild eines Hochzeitsmahls anlässlich der Vermählung von Christus mit Seiner Kirche (Offb 19,7ff) trägt nach dem patristischen Zeugnis auch die Eucharistiefeier, die zugleich Anamnese (Gedächtnis) des letzten Passamahls Jesu mit Seinen Jüngern ist: Der Priester tritt hier in Stellvertretung Christi (dem eigentlichen Hohenpriester) auf, indem er die Einsetzungsworte Christi wiederholt, um die Herabkunft des Heiligen Geistes betet (Epiklese) und der versammelten Gemeinde das hl. Sakrament von Christi Leib und Blut austeilt. Die Gültigkeit einer Eucharistiefeier als sakramentales Bild (Typos) des eschatologischen Hochzeitsmahls und als Gedächtnis des Letzten Abendmahls hängt -- gleichsam "ontologisch" -- daher auch (aber natürlich nicht nur) vom Geschlecht des Zelebranten ab. Befürworter der Frauenordination führen gelegentlich Schriftstellen wie Gal 3,28 an oder verweisen auf das protestantische Prinzip des "Priestertums aller Gläubigen". Nun gehören Männer und Frauen natürlich völlig gleichberechtigt zur Kirche Christi als Gemeinschaft der Erlösten. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass Christus, der Herr der Kirche, ihnen auch die gleichen Funktionen und Charismen geschenkt hat. Ferner kann auch das allgemeine Priestertum aller Gläubigen (1Petr 2,9) nicht zur Begründung eines solchen missverstandenen Gleichheitsgrundsatzes gelten. Denn auch im Alten Bund wurde dem Gottesvolk ein allgemeiner priesterlicher Charakter zugesprochen (1Petr 2,9 ist wohl eine Anspielung auf Ex 19,6) und Frauen spielten zuweilen eine wichtige politische Rolle (Richterin Debora). Und doch gab es im Alten Bund ein Amtspriestertum, das bekanntlich nur Männern in der aaronitischen Sukzession vorbehalten war. Der von Christus gestiftete Neue Bund hebt den Alten Bund nicht auf, sondern führt ihn nach christlichem Verständnis zur Vollendung. Schon in der frühen Kirche wurde das dreigegliederte Amt aus Levit, Priester und Hohenpriester des Alten Bundes mit dem dreigegliederten Amt der Kirche, bestehend aus Diakon, Presbyter, Apostel (später: Bischof) verglichen. Zwar gab es Priesterinnen in den Fremdreligionen und manchen christlichen Sekten (im Montanismus), aber nicht in der apostolischen Kirche.

Zuweilen wird -- übrigens ganz ähnlich wie in besagten frühchristlichen Sekten -- die Leitung des Heiligen Geistes in Anspruch genommen, um für Änderungen in Lehre und Kirchenverfassung einzutreten. Denn, so könnte man argumentieren, die Offenbarung Gottes an uns ist zwar mit dem apostolischen Zeitalter abgeschlossen, nachdem das ewige Wort Gottes in Gestalt des Gottmenschen Jesus von Nazareth in die menschliche Geschichte eingetreten ist; aber der Heilige Geist (nach einem Wort Jesu der "Tröster" oder "Paraklet") führt die Gesamtheit der Gläubigen zu einem tieferen Verständnis der offenbarten Wahrheit (Joh 15,26). Um jedoch das Wirken des Heiligen Geistes zweifelsfrei feststellen zu können, ist der ökumenische Konsens unter allen Kirchen, die für sich die Kontinuität mit der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche des nizänischen Glaubensbekenntnisses in Anspruch nehmen können, erforderlich: gewöhnlich durch Beschlüsse eines ökumenischen Konzils, das auf der Grundlage der überlieferten Glaubenslehre entscheidet und deren Lehrentscheide dann auch von den Gläubigen angenommen ("rezipiert") werden.

Nach anglikanischem Verständnis gehören aber neben der anglikanischen auch viele andere Kirchen zur katholischen Kirche in diesem nizänischen Sinne -- etwa die römisch-katholische Kirche oder die orthodoxen Kirchen, die sehr viel größer als die anglikanische Kirchengemeinschaft sind. Den Rat dieser Kirchen, die massiv und einmütig von der Frauenordination abgeraten haben, zu ignorieren, ist ein unfreundlicher ökumenischer Akt und für die geistliche Zukunft der Kirche von England zumindest riskant. Was wäre, wenn die Priesterinnen und die nun zu konsekrierenden Bischöfinnen vom Heiligen Geist gar keine Vollmacht für ihr Amt erhalten? Was wäre, wenn in großen Teilen der Kirche von England langfristig gar kein Heil mehr zu finden ist, weil ein Großteil der gespendeten Sakramente ungültig ist und die Verkündigung des Glaubens darniederliegt?

Ein grundlegendes Missverständnis bei manchen Befürwortern der Frauenordination scheint auf der irrigen Vorstellung zu beruhen, die Papst Franziskus immer wieder als "Klerikalismus" bezeichnet hat: der Irrtum, dass das christliche Weiheamt in irgendeiner Beziehung zur Ausübung von weltlicher Macht stünde. Vielmehr gilt in der Kirche das Wort Jesu: "Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele." (Mt 20,25-28) Diesen "Sklavendienst", das apostolische Amt, mutet Christus nach Überzeugung der meisten Kirchen nur Männern zu. Frauen haben die gleiche Würde, aber nehmen andere wichtige Aufgaben in der Kirche wahr -- auch dann, wenn sie Theologinnen sind, und stets als gleichberechtigte Miterbinnen des Heils (1Petr 3,7).


Anmerkung der Redaktion: Vorliegender Kommentar ist eine inneranglikanische Stellungnahme der Reformierten Episkopalkirche in Deutschland. Es handelt sich weder direkt noch indirekt um eine Stellungnahme der Kirchen der Union von Scranton.



Buchbesprechungen von Axel Stark


Walter Kardinal Kasper, Papst Franziskus.

Revolution der Zärtlichkeit und Liebe, Stuttgart 2015, Verlag Kath. Bibelwerk, 157 S.

Papst Franziskus hat mit seiner Spiritualität, Theologie und Kirchenpolitik viele Anhänger, aber auch Gegner gefunden. Der inzwischen emeritierte, aber noch sehr aktive Kardinal Kasper erklärt in seinem neuen sehr empfehlenswerten Buch die theologiegeschichtliche Einordnung des Papstes und zeigt die große Tradition auf, in der der Papst steht. Er erklärt weiter, warum der Papst das Thema „Freude mit dem Evangelium“ in seiner Programmschrift „Evangelii Gaudium“ eng verzahnt und warum das Schlüsselwort seines Pontifikats Barmherzigkeit heißt. Walter Kasper untersucht die Perspektiven kirchlicher Erneuerung, die  sich aus der Volk-Gottes-Ekklesiologie nahelegen. Weitere Themen sind die Ökumenische Vision des Papstes, neue Akzente im interreligiösen Dialog, das Kirchenverständnis einer „armen Kirche für die Armen“, die Herausforderung der Armut in der Welt von heute und das Europabild des Papstes. Kardinal Kasper begründet auch, warum er in Papst Franziskus einen „Hoffnungsträger und ein Geschenk des Himmels“ sieht.


Peter Neuner, Abschied von der Ständekirche.

Plädoyer für eine Theologie des Gottesvolkes, Freiburg 2015, 288 S.

Es scheint, dass manche Entscheidungsträger in der Kirche über den Mut des Zweiten Vatikanischen Konzils, in den Aussagen über den Laien eine Kehrtwende zu vollziehen, erschrocken sind und nun den „Sprung nach vorwärts“ ( Papst Johannes XXIII. ) rückgängig zu machen suchen. Gleichzeitig sind von Papst Franziskus neuerdings ganz andere Töne zu hören:

Ein neues Miteinander von Klerikern und Laien in der Kirche zeichnet sich ab. In dieser Situation legt der Theologieprofessor Peter Neuner, (früher Passau, jetzt München) im Rückblick auf die wechselvolle Geschichte der „Laien“ in der Kirche, ein engagiertes Plädoyer für eine biblisch begründete und vom Konzil wieder aufgegriffene Volk-Gottes-Theologie vor. Darin wird das Modell der Ständekirche grundsätzlich überwunden. Eine Programmschrift für die Franziskus-Kirche.


Martin Werlen OSB, Heute im Blick.

Provokationen für eine Kirche, die mit den Menschen geht, Freiburg 4.Auflage 2015, 192 S., 14.99 €.

Der Altabt von Einsiedeln Martin Werlen OSB möchte alle Getauften ermutigen und dazu bewegen, sich mit Papst Franziskus auf den Weg zu wagen und in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche die Freude des Glaubens zu entdecken. Er schreibt deshalb keine wissenschaftlich-distanzierte Abhandlung, sondern erzählt sehr persönlich und überzeugend von Erfahrungen, Einsichten und Hoffnungen. Werlen: Die hier vorliegenden Gedanken sind eine Provokation. Der Begriff „vocatio“ ist darin enthalten: Ruf, Berufung. Und das „pro“ sagt klar aus, dass die Berufung in positiver Weise herausfordert und gefördert wird. Diese Gedanken wollen bewegen. Sie wollen eine Pro-Vocation sein. Hinter allen Provokationen und pointierten Ermutigungen in diesem Buch steht das Bemühen, mit offenen Augen und aufgeschreckten Ohren (trotz allem) liebend durchs Leben zu gehen.

Werlen ist es gelungen Menschen, die sich für diesen Lebensweg öffnen, Mut und Orientierung zu schenken.


Otto Weiß, Kulturkatholizismus.

Katholiken auf dem Weg in die deutsche Kultur 1900-1933, Regensburg 2014, Verlag Friedrich Pustet, 312 S., 29.95 €.

Seit der Wende zum 20. Jahrhundert stand der Begriff „Kultur“ unter den katholischen deutschen Intellektuellen im Zentrum der Diskussion. Im protestantisch geprägten deutschen Kaiserreich war den als antimodern, fortschrittsfeindlich und ultramontan geltenden Katholiken häufig der Zugang zu Wissenschaft, Literatur und Kunst versperrt. Über die Notwendigkeit, Anschluss an die „deutsche Nationalkultur“ zu erhalten, bestand weithin Einigkeit, über die Wege dorthin jedoch tobten erbitterte Grabenkämpfe. Diese wurden vor allem in neu gegründeten Zeitschriften ausgetragen, allen voran im Hochland  unter der Leitung von Karl Muth und in der Schöneren Zukunft, herausgegeben von Richard Kralik.

Der Historiker Otto Weiß zeichnet den Weg der katholischen Intellektuellen in die deutsche Kultur von der Jahrhundertwende bis zum Beginn des Dritten Reiches nach und stellt die Wortführer vor. Ein faszinierendes Porträt einer spannenden Epoche.

Im Geleitwort schreibt Prof. Hans Maier: „Weiß´ Buch ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der historischen Katholizismusforschung – ein Schritt in die richtige Richtung.

Ich wünsche ihm viele aufmerksame Leser unter Katholiken, aber auch unter Nichtkatholiken; denn dieses Kapitel deutscher Zeitgeschichte geht uns alle an.“


Dogmatik heute, Thomas Marschler / Thomas Schärtl (Hg.).

Bestandsaufnahme und Perspektiven, Regensburg 2014, Pustet, 568 S., 49.95 €.

Für jede theologische Disziplin ist es sinnvoll, in bestimmten Abständen den Stand der fachlichen Debatten zu bilanzieren, aktuelle Entwicklungen wahrzunehmen und auf zukünftige Diskussionen und Themen hinzuweisen, deren Bearbeitung bereits begonnen hat oder nahegelegt werden muss.

Dies leistet der vorliegende Band für das Fach Dogmatik mit 12 Beiträgen, die der klassischen Traktateinteilung folgen und den gegenwärtigen Stand der Diskussion spiegeln. Herausgeber sind die Augsburger Professoren Marschler (Eschatologie) und Schärtl (Trinitätslehre). Autoren sind Hubert Filser (theol.-dogmatische Erkenntnislehre, gestorben 2012), Manfred Gerwing (Mariologie), Franz Gruber (Schöpfungslehre), Gregor M. Hoff (Ekklesiologie), Ursula Lievenbrück (Anthropologie), Bernhard Nitsche (Pneumatologie), Stefan Oster SDB (Allgemeine Sakramentenlehre), Ulli Roth (Gnadenlehre), Karlheinz Ruhstorfer (Christologie) und Nikolaus Wandinger (Soteriologie). Ein Beitrag zur speziellen Sakramentenlehre fehlt.

Jeder Beitrag resümiert die Fachgespräche, würdigt wichtige Autoren, Werke und Themen und entwickelt aktuelle Perspektiven weiter. Inhalts- und Literaturverzeichnis sowie ein Namensregister unterstreichen den Handbuchcharakter dieses Sammelbandes.


Volker Ladenthin, Wozu religiöse Bildung heute?

Sieben Versuche, an der Endlichkeit zu zweifeln, Würzburg 2014, Echter, 237 S.

Können wir auf Religion verzichten? Dieser Frage geht der Bonner Pädagogikprofessor Ladenthin aus Sicht der Pädagogik nach. Seine Grundthese: So wie niemand ohne Politik, Recht und Kunst leben kann, ohne sein Leben zu verpassen, so kann auch niemand ohne Religion leben.

Die Frage, wozu wir leben, führt uns dazu, immer wieder neu an unserer Endlichkeit zu zweifeln. Genau das ist Religion. Man mag ohne Glauben leben können, aber nicht ohne Religion.

Aber welcher Glaube ist nun der richtige? Warum kann es mehrere monotheistische Konfessionen geben? Was hat das Zweite Vatikanische Konzil mit der Wissenschaft zu tun? Warum ist eine 2000 Jahre alte Konfession in der Postmoderne nicht überholt? Wie vertragen sich Religion und Politik?

Inwiefern gehört das Fach Religion in die Schule? Und warum braucht Bildung die Religion- aber ebenso Religion die Bildung?

In sieben Kapiteln stellt Ladenthin seine Antworten zur Diskussion. Diese Diskussion ist  notwendig, denn zum konfessionellen Religionsunterricht gibt es die „Alternative“ des Philosophie- und Ethikunterrichts. Begrüßenswert ist, dass die Frage nach Religion und Bildung nicht den Theologen bzw. Religionspädagogen allein überlassen wird, sondern auch als eine Frage der Erziehungswissenschaft angesehen wird.



Die Kräuterkolumne von „Kräuterpater“ Gerhard Seidler OPR

Zwei aus der Familie derer von „Lauch“ ...

... will ich Ihnen heute näher bringen. Und die finden sich ganz weit oben auf meiner „Wirksamkeits-Liste“ der „heilsamen Nahrungsmittel“. Es sind dies die „Edlen“ mit den Vornamen „Knob-“ (Knoblauch, Allium sativium) und „Bär-“ (Bärlauch, Allium ursinum).

Es ist bald soweit. Zeitig im Frühjahr spitzelt das zarte Grün der Bärlauchpflänzchen durch das alte Laub der Buchen. Mit der Zeit ist im Schlosspark zu Krauchenwies und an vielen Stellen in unseren Wäldern alles übervoll davon. Noch ist die Luft nicht schwanger vom typischen Bärlauchduft. Der wird sich erst im Juni einstellen, kurz bevor das Grün wieder verschindet.

Von manchen Zeitgenossen höre ich, dass der Bärlauch, wenn er dann zu blühen beginnt, giftig wird. Das ist völliger Nonsens! Was gut und hilfreich ist – wie soll es plötzlich schädlich werden? Richtig ist, dass dann, wenn sich die wunderschönen Blütensterne zeigen, das Laub fad und fest wird. Die ganze Kraft der Pflanze ist nun in die Blüten gestiegen. (Probieren sie die kleinen Blüten an Salat, auf Suppen ... und sie werden begeistert sein!) Und ist’s dann ausgeblüht, versammelt sich die Wirkmacht in den kleinen grünen Samenständen, die ebenfalls eine Delikatesse sind. (Süß-sauer eingemacht gibt es einen leckeren Kapern-Ersatz.) Und auch die Zwiebelchen haben es in sich. Ein Wort zur Verwechslungsgefahr: Der Herrgott hat uns Sinne und Werkzeuge geschenkt mit der „die Geister“ unterschieden werden können. Das Auge, die Nase und die „Herrgotts-Gabeln“ meine Hände. Nur der Bärlauch verströmt nach dem Abbrechen des Stängels den typischen Duft, der nun mal ganz anders ist, als der von Maiglöckchen oder dem Grün der Herbstzeitlose.

Mit dem heimischen „wilden Lauch“ lassen sich alle Bärenkräfte wecken, die in uns schlummern. Bärlauch ist eine „Eisenpflanze“. Wer an Eisenmangel leidet, bzw. bei wem die Eisenaufnahme gestört ist, hat mit ihm einen wirkmächtigen Einschleuser gefunden. Diese Kräfte finden sich auch in der Kulturvariante, die aus Vorderasien und dem Mittelmeerraum zu uns gekommen ist, dem KNOBLAUCH (Allium sativum). Wer diesen nicht verträgt, soll sich vertrauensvoll an die heimische Art wenden, den „Ramsen“, „Waldlauch“, die „Hexenzwiebel“ oder den „Zigeunerlauch“, wie der Bärlauch im Volksmund genannt wird.

Beide verfügen über das Herz schützende Eigenschaften und haben eine abwehrsteigernde und antiseptische Wirkung. Und nicht zu vergessen: sie verschaffen einem Platz und Raum! Sie enthalten die Schwefelverbindung Alliin, die „bei Gebrauch“ in das äußerst gesunde Allicin umgewandelt wird. Zahlreiche Verbindungen hemmen die Blutgerinnung, sorgen für einen gleichmäßigen Blutfluss und bekämpfen effektiv Erkältungen und andere Infektionen. Neueste Forschungsergebnisse legen den Schluss nahe, dass im Knoblauch enthaltene Verbindungen Zellveränderungen im Körper verhindern, die Krebs verursachen könnten. Zum „Gestank“ ist anzumerken: je mehr der Knoblauch stinkt, desto besser wirkt er! Und wie bereits gesagt: das ist’s was mir Platz verschafft! Grüner Tee, Petersilie und Koriander haben die Fähigkeit, den Geruch zumindest ein wenig zu unterdrücken. Nun aber: Guten Appetit und gesunden Genuss.

Gott befohlen und herzlichst,

Ihr Pater Gerhard