012019


Gründungsphase nach sechs Jahren fast abgeschlossen

Die erste Synode Christ-Katholischen Kirche in Deutschland hat getagt


Im April 2012 fand der erste Gottesdienst der Christ-Katholischen Kirche in der Trinitatiskirche in München statt. Diesem Ereignis gingen fast zwei Jahre intensiver Arbeit voraus. Ohne das Engagement und die vielfältigen, auch ökumenischen Verbindungen von Abt Klaus Schlapps (St. Severin) hätte sich die Gemeinde niemals zusammengefunden. So konnte Bischof Roald Flemestad als Bischof Protektor für die Initiative gewonnen werden. Von Anfang an machte er klar, kein Bischof für ganz Europa sein zu wollen, sondern lediglich als Hebamme in einer spezifischen Situation zur Verfügung zu stehen. Die Christ-Katholische Kirche war niemals Teil der Nordisch-Katholischen Kirche. Weder hatte sie Sitz und Stimme in der skandinavischen Synode, noch war sie in die Arbeit der dortigen kirchlichen Kommissionen eingebunden. So hat die Christ-Katholische Kirche von Anfang an ihre eigenen liturgischen Ordnungen (Lektionar und Kalender) entwickelt, sowie die Arbeit an einem eigenen Missale aufgenommen und unabhängig von den Ordnungen der skandinavischen Kirche einen eigenen Kirchenvorstand gewählt und mit Ad fontes international auch eine eigene Zeitschrift herausgegeben.

Bereits 2011 hatte Bischof Flemestad den durch Abt Schlapps vorgeschlagenen Priester Klaus Mass zum Administrator für die deutsche Kirche berufen. Mass schuf die kirchenrechtliche und theologische Vereinbarung, auf welcher Basis die Nordisch-Katholische Kirche und die Abtei St. Severin zum Aufbau der deutschen Kirche zusammenarbeiten konnten. Unter anderem wurde in diesem Dokument festgelegt, dass der Orden in einer zukünftigen deutschen Synode mit Sitz und Stimme vertreten sein sollte. Der Nachfolger von Abt Schlapps hat sich allerdings 2018 entschieden, gemeinsam mit einigen weiteren Klerikern und deren Angehörigen die Christ-Katholische Kirche zu verlassen und sich formal der Nordisch-Katholischen Kirche (jetzt ohne formale Synodalrechte) anzuschließen. Eine für alle Beteiligten schmerzhafte Geburtswehe der jungen Kirche.

Gemäß dem Auftrag der Pastoralkonferenz von 2012 sollte sich die deutsche Synode konstituieren, sobald es drei selbstständige Pfarreien in Deutschland geben würde. Als Säulen und Motor des Aufbaus haben sich zwei Geistliche erwiesen, welche am selben Tag zu Priestern geweiht werden konnten. Dr. Thomas Döll und P. Gerhard Seidler. So unterschiedlich beide Männer auch sind, arbeiteten sie doch unermüdlich am Aufbau ihrer jeweiligen Gemeinden St. Andreas und St. Patrick und der ganzen Kirche zusammen.

Kaum hatte die kirchliche Arbeit Fahrt aufgenommen, musste die Kirche zwei tragische Todesfälle verzeichnen. Sowohl Abt Schlapps, als auch die Kirchenvorsteherin Gabi Seidler verstarben plötzlich und unerwartet. Sie wurden durch den Tod mitten aus dem Leben herausgerissen. Bischof Jürgen Schmode hat darauf hingewiesen wie sehr dieser Schicksalsschlag der Aufbauarbeit zwei wirkmächtige himmlische Fürsprecher an die Seite gestellt hat.

Im Jahre 2017 meldete sich dann völlig unerwartet die dritte Gemeinde. Es handelt sich um die Gemeinde St. Barbara in Saarbrücken. Gemeinsam mit Pfarrer Oliver van Meeren hat eine Gruppe von Altkatholiken die dortige Gemeinde verlassen und sich der Christ-Katholischen Kirche angeschlossen. Bischof Flemestad hat daher auf der internationalen Klerikerkonferenz in Gran (Norwegen) in Anwesenheit von Primebishop Anthony Mikovsky (PNCC) bekanntgegeben, dass die deutsche Kirche die fünf Jahre zuvor gesetzten Ziele inzwischen erreicht habe und daher im Jahre 2018 eine Synode einberufen solle, welche dann auch einen eigenen Bischof zu wählen hätte.

Folgerichtig wurden Anfang 2018 die drei Pfarrgemeinden formal konstituiert, deren Pfarrer installiert und Kirchenvorstände, sowie Synodalabgeordnete gewählt.

Die Synode wurde dann wie geplant im November 2018 in München unter der Schirmherrschaft der Bischöfe der Old Chatolic Church of British Columbia durchgeführt. Es wurde ein eigenes Kirchenrecht verabschiedet, sowie die theologischen Grundlagen der Kirche bestätigt. Weiterhin wurde neben Bischof Klaus Mass auch ein Synodalrat gewählt und weitere Dienstämter (z.B. Generalvikar van Meeren) berufen. Schließlich fand die Synode ihren Abschluss mit einem großen Festgottesdienst in Karlstadt, in welchem auch ein neuer Subdiakon beauftragt werden konnte.

Der 2012 eingeleitete Kirchwerdungsprozess wird, so Gott will, am 19. Mai 2019 mit der Konsekration des ersten Bischofs der Christ-Katholischen Kirche in Deutschland, Klaus Mass, sowie des von ihm zur künftigen Sicherung der apostolischen Sukzession berufenen Weihbischofs Dr. Thomas Doell in Karlstadt abgeschlossen werden.




Theologische Impulse zur Synode


Veni, creator Spiritus, mentes tuorum visita:

imple superna gratia, quae tu creasti pectora.


Qui diceris Paraclitus, donum Dei altissimi,

fons vivus, ignis, caritas et spiritalis unctio.


Tu septiformis munere, dextrae Dei tu digitus,

tu rite promissum Patris sermone ditans guttura.


Accende lumen sensibus, infunde amorem cordibus,

infirma nostri corporis virtute firmans perpeti.


Hostem repellas longius pacemque dones protinus;

ductore sic te praevio vitemus omne noxium.


Per te sciamus da Patrem noscamus atque Filium,

te utriusque Spiritum credamus omni tempore.


Deo Patri sit gloria et Filio, qui a mortuis

surrexit, ac Paraclito, in saeculorum saecula.



Perspektiven  zur Erneuerung der Kirche in Anlehnung an Bischof Erwin Kräutler


Um den Beruf des Geistlichen auszuüben, ist es für Bischof Kräutler eine Grundvoraussetzung die Menschen zu mögen. Nicht nur theoretisch vom Schreibtisch aus, sondern ganz konkret durch Teilhabe an deren Alltag. Der Geistliche habe nicht sein Amt herauszukehren und sich von den Gläubigen abzuheben, sondern deren Sorgen und Nöte, Trauer und Angst zu teilen.

Er müsse ein Mann des Evangeliums sein, einer der frohe Gelassenheit ausstrahle und Haltung zeige. Bis zum zweiten Vatikanum sprach man in der Kirche von der heiligen Hierarchie, welcher gehorsam zu folgen sei. Mit „Lumen Gentium“ hat sich dieses Bild allerdings gewandelt. Das geistliche Amt wird hier in das Volk Gottes eingebettet und von diesem her verstanden. „Wie die Laien Christus zum Bruder haben, der, obwohl aller Herr, doch gekommen ist, nicht um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen, so haben sie auch die geweihten Amtsträger zu Brüdern.“ (LG 32)

Unter Gehorsam versteht die Kirche heute das aktive Zuhören, die Fähigkeit sich auf das Wort des anderen einlassen können, es anzunehmen, auch das Vertrauen auf ein solches Wort des anderen hin zu handeln. Die eigene Meinung hintenanzustellen, aber auch die Fähigkeit das Wort abzuwägen, wenn im Gewissen nötig, sich ihm auch zu verweigern.

Geistliche haben die Freude des Evangeliums, die Freiheit des Christenmenschen zu verkünden und nicht unnötige Lasten aufzuerlegen. Für Papst Franziskus ist genau dieser Auftrag ein wesentliches Kriterium jeder Kirchenreform.

Weiterhin müsse der Geistliche barmherzig sein. Die Wurzel des hebräischen Wortes für Barmherzigkeit lautet rechem, das heißt Mutterschoß. Ein Mensch der barmherzig ist, ist wie eine Mutter, die ein Kind in ihrem Schoß trägt. Barmherzigkeit ist die Erfahrung der liebenden Verbundenheit, der zärtlichen Einheit. So kann der barmherzige Beichtvater zugleich Worte echter Anteilnahme finden als auch die konkrete Sünde benennen und die Schuld vergeben.

Die Geistlichen dürfen in ihrem Dienst allerdings auch nicht allein gelassen werden, es braucht in jeder Gemeinde ein Pastoralteam, bestehend aus Geistlichen und Laien, aus Männern und Frauen.

Armut als geistliche Haltung bedeutet für Bischof Kräutler zweierlei. Erstens die unbedingte Solidarität mit den Armen, den Entrechteten, den Vertriebenen, den Missbrauchten, den Ausgegrenzten, den Waisen, den Witwen, den Alten, den Kranken und den Armen im Geiste. Solidarität bedeutet Unrecht zu benennen und an dessen Überwindung zu arbeiten. Es geht ihm darum sich nicht nur theoretisch zur katholischen Soziallehre zu bekennen, sondern sich ganz konkret an die Seite der Armen zu stellen, wenn möglich mit ihnen zu leben.

Das zweite, was Bischof Kräutler allerdings mit Armut bezeichnet, kann auch mit Freiheit umschrieben werden. Armut bedeutet für ihn nicht darben. Darben ist keine Tugend. Wo es am Nötigsten fehlt, muss für das Nötigste gesorgt werden und darüber hinaus. Armut heißt über das Notwendige zu verfügen und frei zu sein von Dingen, die eben nicht notwendig, sondern überflüssig sind. Auf diese Weise wird der Christ unabhängig und vor allen Formen der Korruption geschützt. Unabhängigkeit bedeutet nicht auf die täglichen Lebensgepflogenheiten und -gewohnheiten verzichten zu müssen, aber doch zu können. Zur Freiheit der Armut gehört auch den Neid zu verlieren. Solange wir uns mit dem anderen vergleichen, sein Einkommen, sein Vermögen, seinen Besitz beneiden, werden wir unglücklich, Sklaven unserer eigenen Wünsche. Kräutler rät dazu, sich wie Franz von Assisi von diesem Denken freizuspielen und zufrieden zu sein mit sich und seinem Leben. Ausdruck von Frieden und Freiheit ist nicht der Neid, sondern die Dankbarkeit.

Im Geist der Armut ist nicht nur der Einzelne, ob nun reich oder arm, zu achten, sondern auch andere Völker, Kulturen und Lebensstile sind wertzuschätzen. Insbesondere gilt dies auch für die Welt, die Erde, die Schöpfung an sich. Haben sich Christen schon immer für die Bewahrung der Schöpfung ausgesprochen, so ist die Ökologie als theologisches Thema mit der Enzyklika Laudato si von Papst Franziskus in der Mitte der Kirche angekommen. Christen dürfen die Erde nicht beherrschen oder verbrauchen, sie haben sie zu schützen, zu pflegen und zu kultivieren. 

So wenig der Christ Gewalt gegen die Schöpfung ausüben darf, so wenig darf er Gewalt gegen den Menschen ausüben. Daher sprechen sich die Christen für das Leben aus, von dessen Anbeginn bis zu seinem Ende. Weder die Tötung ungeborener Kinder im Mutterleib, noch die Euthanasie, noch die Todesstrafe können für Bischof Kräutler im Namen Jesu gutgeheißen werden.



Das Amt des Bischofs in der alten Kirche


Wer das Amt eines Bischofs anstrebt, der strebt nach einer großen Aufgabe. Deshalb soll der Bischof ein Mann ohne Tadel sein, nur einmal verheiratet, nüchtern, besonnen, von würdiger Haltung, gastfreundlich, fähig zu lehren; er sei kein Trinker und kein gewalttätiger Mensch, sondern rücksichtsvoll; er sei nicht streitsüchtig und nicht geldgierig. Er soll ein guter Familienvater sein und seine Kinder zu Gehorsam und allem Anstand erziehen. Wer seinem eigenen Hauswesen nicht vorstehen kann, wie soll der für die Kirche Gottes sorgen? Er darf kein Neubekehrter sein, sonst könnte er hochmütig werden und dem Gericht des Teufels verfallen. Er muss auch bei den Außenstehenden einen guten Ruf haben, damit er nicht in üble Nachrede kommt und in die Falle des Teufels gerät. (1.Tim 3,1-7)


Wählet euch Bischöfe, würdig des Herrn, Männer voll Milde und frei von Geldgier, voll Wahrheitsliebe, erprobte; denn sie sind es, die für euch versehen den (heiligen) Dienst der Propheten und Lehrer. Achtet sie deshalb nicht gering; denn sie sind eure Geehrten mit den Propheten und Lehrern. (Didache 15,1+2)


Deswegen muss man auch den Priestern der Kirche gehorchen, die, wie wir gezeigt haben, Nachfolger der Apostel sind. Sie haben mit der Nachfolge des Episkopats das sichere Charisma der Wahrheit nach dem Wohlgefallen des Vaters empfangen. Die anderen aber, die der apostolischen Nachfolge fernstehen und irgendwo zusammenkommen, muss man als Häretiker oder Irrlehrer betrachten, die sich von der Kirche aus Stolz oder Eitelkeit trennen, oder als Heuchler, die sich um Geld oder eitlen Ruhmes wegen mühen. Sie alle sind von der Wahrheit abgefallen. (Irenäus, Gegen die Häresien, 4,26,2)


Er wurde zum Bischof auf Grund des Urteils Gottes und seines Gesalbten, auf Grund des Zeugnisses fast aller Kleriker, auf Grund der Abstimmung des damals anwesenden Volkes und der Zustimmung altbewährter Bischöfe. (Cyprian, Ep.55,8)



 



Auf der Schwelle zu einem neuen Zeitalter

Das Christentum in der Zukunft


Wir Christen in Europa wissen nicht nur, sondern spüren auch, auf der Schwelle zu einem neuen Zeitalter zu stehen. Dieses neue Äon wird in der Wissenschaft zum einen eher soziologisch als postchristlich und zum anderen eher historisch als Ende der Konstantinischen Ära beschrieben. Beide Bezeichnungen meinen dasselbe, das Christentum, welches seit Kaiser Konstantin, in seinen unterschiedlichsten konfessionellen Ausformungen die religiöse, politische und kulturelle Leitkultur Europas formulierte, verliert seine gesellschaftliche Prägekraft. 


So wenig das pagane Europa von heute auf morgen christlich wurde, sondern dafür Jahrhunderte benötigte, verschwindet auch das christliche Europa nicht über Nacht. Es handelt sich um einen Prozess, welcher mit der Philosophie der Aufklärung und der französischen Revolution begann, der sich über die Industrialisierung (dem Leben und Arbeiten des Menschen in der Masse), einem naturwissenschaftlichen Weltbild und einem psychologischen Menschenbild weiterentwickelte und sich in den unmenschlichen Ideologien von Faschismus und Kommunismus ausprobierte. Ein Prozess, der seinen gegenwärtigen Ausdruck sowohl in Demokratie als auch in Autokratie, in sexueller, ökologischer und digitaler Revolution, als auch in weltweiter Migration findet. So wenig man diesen Prozess der vergangenen zwei Jahrhunderte ausschließlich als gut oder schlecht beschreiben kann, so wenig kann man ihn als abgeschlossen betrachten. Wie auch immer man das neue, nachkonstantinische Zeitalter einst nennen mag, die Kirchen werden in dieser neopaganen Zeit nicht untergegangen sein, sondern sie werden vielmehr eine gänzlich neue Rolle, Identität und Aufgabe eingenommen haben.


Damit stehen die Kirchen unserer Tage vor einer doppelten Herausforderung, einerseits so viel Einfluss wie nur möglich auf die Gestaltung der laufenden gesellschaftlichen Prozesse zu nehmen und sich andererseits auf die zukünftigen Herausforderungen einzustellen.


Christen können Religion nicht einfach nur als private Frömmigkeit mit dem Ziel des individuellen Heils verstehen, sondern als Auftrag den Heilsweg gemeinsam zu gehen und anderen Zeitgenossen zu erschließen. Religion bedeutet nicht der Welt zu entfliehen, sondern diese zu gestalten und damit auch konkrete Verantwortung in dieser zu übernehmen. Zugleich weiß der religiöse Mensch jedoch auch um seine und seiner Welt Vergänglichkeit und muss sich nicht in ihr verlieren.


Der französische Theologe Philippe Beguerie benennt drei Kriterien, mit deren Hilfe er glaubt überprüfen zu können, ob die Kirche ihrem durch Jesus gesetzten Stiftungsauftrag treu ist.


Diese drei Kriterien lauten: wie leben wir, wovon berichten wir, was feiern wir.

a)wie leben wir: Ist aus unserem konkreten Lebensstil ablesbar, dass wir aus der Gnade Gottes heraus leben? Können Menschen in unserer Gegenwart den Mut zur Überwindung ihrer Ängste, den Mut zum Neuanfang mit Gott und den Menschen finden? Ist unser Lebensstil eine glaubwürdige Übersetzung der alten christlichen Traditionen in unsere Zeit?

b) wovon berichten wir: Gelingt es uns, Menschen mit ihren konkreten Fragen anzunehmen und auf diese Fragen glaubwürdige Antworten aus dem Evangelium heraus zu geben? Gelingt es der Kirche also mit den Menschen zu sprechen und nicht nur über diese oder an jenen vorbei?

c)was feiern wir: Feiern wir unseren Glauben in den Sakramenten, so wie wir ihn leben und verkünden, oder vollziehen wir nur fade Riten?


Die drei Kriterien überprüfen folglich inwieweit es der Kirche gelingt die Botschaft der Hl. Schrift, der kirchlichen Tradition und der Feier der Liturgie für die konkreten Lebensthemen der Menschen fruchtbar zu machen.

Um allerdings nicht mit dem jeweiligen Zeitgeist zu verschmelzen und in diesem aufzugehen, braucht die Kirche noch ein weiteres Kriterium, welches die Pastoraltheologen als „Irritation“ bezeichnen. Kirche muss den Menschen immer auch irritieren, ihm nicht nach dem Mund reden, sondern herausfordern. Daher formuliert die Kirche Glaubenslehren (Dogmen) und moralische Grundsätze, die der einzelne Christ in seinem konkreten Leben möglicherweise nicht nachvollziehen oder realisieren kann, die ihn jedoch zumindest immer wieder auch befremden müssen.

Es geht also nicht nur darum den Menschen zu nehmen wie er ist, sondern auch darum ihm zu zeigen wie er sein sollte, um ihm zu ermöglichen was er sein könnte. Die Irritation an sich ist also nichts schlechtes, verfehlt jedoch ihren Sinn, wenn sich die Vertreter der Kirche in Klerikalismus üben oder den Kontakt zum konkreten Leben der Gläubigen und vor allem der Suchenden verlieren. 


Wenn wir uns also bewusst werden, dass wir innerhalb eines Epochenwandels stehen, dann merken wir sehr schnell, dass es unangebracht ist, nur von einer Kirchenkrise zu sprechen. Das Wort Kirchenkrise würde bedeuten, dass die Kirche zumindest relativ unabhängig von ihrer jeweiligen Zeit und Kultur wäre. Das ist allerdings nicht der Fall. Ein solches Bild von Kirche würde in den Fundamentalismus führen und eine Gemeinschaft im Stile der Piusbrüder hervorbringen. Selbstverständlich gibt es Kirchenkrisen (z.B. Missbrausskandal), doch müssen diese immer klar von den Herausforderungen des Epochenwandels unterschieden werden.  Papst Franziskus hat dies wie folgt beschrieben: „Wir erleben nicht eine Ära des Wandels, sondern einen Wandel der Ära.“


Der Pastoraltheologe Paul Zulehner lehnt daher den Begriff der Krise ab und bevorzugt stattdessen den Terminus der Transformation. Aus der Volkskirche werde eine Kirche im Volk. Salz der Erde und Licht der Welt.

Die vordringlichste Aufgabe der Kirche besteht darin, die Nähe Gottes zur Welt, die Gottesnähe erfahrbar zu machen und gleichzeitig die Welt immer tiefer in Gott zu verwurzeln. 


Die kirchliche Erneuerung dürfe nach Paul Zulehner nicht bei den kirchlichen Strukturen ansetzen, sondern müsse vom einzelnen Gläubigen ausgehen. „Jede Person, die Gott seinem Volk durch eine unvertretbare Kirchenberufung hinzufügt, trägt eine kleine „Vision“ für die Gemeinschaft in sich.“ Diese Visionen und auch die unterschiedlichen Visionen gilt es von der Kleingruppe, über die Pfarrei bis hin zur Kirche herauszuarbeiten. Das setzt vertrauensvolle Kommunikation, offenes Sprechen und aktives Zuhören voraus. So wird aus der kleinen persönlichen Vision, die große gehobene Vision. Doch wäre eine solche gemeinsame und leitende Vision kaum etwas wert, würde sie nicht in einem weiteren Schritt zu konkreten pastoralen Projekten verdichtet, welche wiederum nach ein, zwei, drei Jahren in ihrem Erfolg überprüft werden müssen.


Um als Kirche erfolgreich arbeiten zu können, braucht es folglich weniger die große Struktur, als denn den Einzelnen und die kleine mit ihm kommunizierende Gruppe. Zulehner formuliert nun vier Voraussetzungen für die gemeinsame Arbeit .


-Durch jeden einzelnen kann der Heilige Geist sprechen. Gleichgültig wie jung oder alt, wie nah oder fern, wie studiert oder ungebildet. Zugleich darf aber auch niemand den eigenen Vogel mit dem Geist Gottes verwechseln.


-Bevor der einzelne versucht seine Vision von Kirche zu erklären, sollte er (nach jüdischer Tradition) in der Lage sein, auf einem Bein stehend die Vision Jesu zu erklären. Also nicht endlos fabulieren, sondern konkret sagen worauf es ankommt.


-Keiner sollte für oder über andere sprechen, sondern „wild entschlossen sein“ eine Vision zu formulieren, die er oder sie selbst zu leben gedenkt. Aber nicht für sich allein, sondern als Teil eines Teams, eines größeren Netzwerkes, der Getauften, der Gemeinde, der Gemeinschaft von Geistlichen und Laien.


-Alle Beteiligten sollten sich von Zeit zu Zeit immer wieder selber fragen und in ihr Gebet hineinnehmen: „Gott, was traust Du mir, was mutest Du mir zu in jener kirchlichen Gemeinschaft, der du mich hinzugefügt hast?“ 


Zulehner geht es also darum, dass der Einzelne sich als gottberufenes und mit heiligem Geist ausgestattetes Mitglied der Jesusbewegung versteht, welches nicht nur die Vision Jesu damals zu formulieren weiß, sondern diese auch in unsere Zeit treffend zu übersetzen vermag. Der aus Österreich stammende Bischof Erwin Kräutler hat in seinem Bistum Xingu am Amazonas alle fünf Jahre einen entsprechenden synodalen Prozess realisiert, welcher dann jeweils in einem konkreten Pastoralplan verdichtet wurde.     Die Arbeit an der kirchlichen Erneuerung setzt für Zulehner auch eine gewisse kirchliche Kultur des gemeinsamen Umgangs miteinander voraus: 


-Die Kirche ist der Leib Christi und darf daher nicht von der Feier der Eucharistie getrennt werden.

-Die Kirche möge kein Ort des Moralisierens, sondern des Heilens sein. Die Kirche möge kein Gerichtssaal, sondern ein Hospiz, ein Feldlazarett sein.

-In der Kirche solle es weniger um Gerechtigkeit, als um Barmherzigkeit gehen. Es möge in der Kirche weniger das allgemeine Gesetz, als denn der individuelle Fall gesehen werden. 

-Die Geistlichen mögen Hirten sein und keine Herren, sie haben die Verantwortung dafür, dass die Gemeinde in der Spur Jesu bleibe.

-Die Gemeinde soll ein Ort der Gotteserfahrung sein, und dient nicht dazu, individuelle spirituelle Geschmäcker zu befriedigen. Spiritualität und Solidarität dürfen niemals einander ausgrenzen.

-Die Heimat der Christen ist der Himmel, in der Welt sind sie Fremde, und doch sollen ihre Gemeinden Spuren des Himmels in dieser Welt erfahrbar machen.


Zulehner schließt seine Ausführungen mit einem Zitat von Joseph Ratzinger:

„Gehen wir einen Schritt weiter. Aus der Krise von heute wird auch dieses Mal wieder eine Kirche von morgen hervorgehen, die viel verloren hat. Sie wird klein werden, weithin ganz von vorne anfangen müssen. Sie wird viele der Bauten nicht mehr füllen können, die in der Hochkonjunktur geschaffen wurden. Sie wird mit der Zahl der Anhänger viele ihrer Privilegien in der Gesellschaft verlieren. Sie wird sich viel stärker gegenüber bisher, als Freiwilligengemeinschaft darstellen, die nur durch Entscheidungen zugänglich wird. Sie wird als kleine Gemeinschaft sehr viel stärker die Initiative ihrer einzelnen Mitglieder beanspruchen. Sie wird auch gewiss neue Formen des Amtes kennen und bewährte Christen, die im Beruf stehen, zu Priestern weihen: In vielen kleinen Gemeinden bzw. in zusammengehörigen sozialen Gruppen wird die normale Seelsorge auf diese Weise erfüllt werden.“   



Theologische Grundlagen der Christ-Katholischen Kirche in Deutschland

(die jeweiligen Texte sind unter http://christ-katholisch.de/überzeugungen.html zu finden)


-Die Heilige Schrift im Alten und Neuen Testament

-Die Altkirchlichen Konzilien und Bekenntnisse

-Die Erklärungen von Utrecht und Scranton

-Erklärung der Internationalen Altkatholischen Bischofskonferenz

- vom 15. Dezember 1969 zur Filioque-Frage

-Den Dialogtext „Koinonia auf Altkirchlicher Basis“(1987)

-Die Glaubens- und Sittenlehre der röm.-kath. Kirche, insbesondere auch des zweiten Vatikanums, soweit diese der altkirchlichen Lehre nicht wiederspricht.



Kirchliches Eigenrecht der Christ-Katholischen Kirche in Deutschland

Verabschiedet durch die Synode vom 3. November 2018


A. Ordnung des gemeinsamen kirchlichen Lebens und ihrer Organe

§ 1 Der Bischof

1. Der Bischof ist als Nachfolger der Apostel und Zeichen der Einheit das Oberhaupt der Kirche.

2. Dem Bischof ist aufgrund seiner kanonischen Weihe die Verantwortung für die apostolische Tradition, den Gottesdienst und die Katechese der Kirche anvertraut.

3. Die letzte Zuständigkeit in Fragen des Glaubens, der Sitten und der kirchlichen Disziplin liegt beim Bischof und den mit ihm vereinten Geistlichen.

4. Der Bischof nimmt Berufungen, Weihen und Amtseinführungen von Priestern und Diakonen vor. Der Bischof hört den betroffenen Kirchenvorstand vor der Ernennung von Geistlichen.

5. Der Bischof kann Laien und Geistliche in einem geregelten Verfahren aufgrund von Verfehlungen in Fragen der Lehre, der Sitten oder der kirchlichen Disziplin suspendieren.

6. Die Außenvertretung der Kirche, sowohl gegenüber weltlichen als auch gegenüber kirchlichen Stellen, obliegt dem Bischof.

7. Der Bischof kann einen Weihbischof ernennen und ihm Aufgaben delegieren.

8. Der Bischof kann einen Generalvikar ernennen und ihm Aufgaben delegieren.

9. Dem Bischof obliegt aufgrund seines Amtes auch die Verantwortung für die Finanzen der Kirche. Der Bischof kann einen Kanzler (Archidiakon), welcher als Leiter der Finanzverwaltung nach den Regeln der guten Haushaltsführung zu handeln hat, berufen.

10. Der Bischof kann einen weltlichen oder kirchlichen Juristen zum Offizial der Kirche bestellen.

11. Der Bischof tritt mit 67 Jahren in den Ruhestand, bei entsprechender persönlicher Konstitution und kirchlicher Notwendigkeit kann er seine Amtszeit um höchstens sieben Jahre verlängern.

12. Der Bischof verliert das Leitungsamt, wenn er von dem bei der Weihe zum Bischof bezeugten Glauben abfällt. Den Abfall vom Glauben kann nur die Synode feststellen. Dazu ist ein Antrag von zwei Dritteln aller Mitglieder des Synodalrates erforderlich. Ferner sind zuvor Bischöfe aus Kirchen, mit denen volle Gemeinschaft besteht, anzuhören, und ein theologisches Gutachten einzuholen.

13. Ist der Bischof durch schwere, anhaltende Krankheit dauerhaft dienstunfähig, kann er auf Antrag des Synodalrates durch die Synode von seinen Amtspflichten entbunden und in den Ruhestand entlassen werden.

14. Im Falle der Sedisvakanz durch Tod oder Rücktritt des Bischofs wählt der Synodalrat einen Bistumsverweser und die Synode einen neuen Bischof.


§ 2 Mitgliedschaft in der Kirche

1. Die Mitgliedschaft in der Christ-Katholischen Kirche wird durch Taufe, Firmung und eucharistische Gemeinschaft mit dem Bischof erworben.

2. Gibt es in einem geographischen Gebiet neun gefirmte Mitglieder, die dort ihren Lebensmittelpunkt und das 18. Lebensjahr vollendet haben, können diese die Errichtung einer Kuratie beantragen. Wenn alle betroffenen Mitglieder hierzu Stellung genommen haben, entscheidet der Synodalrat, ob die Kuratie als Person des Kirchenrechts errichtet werden soll. In diesem Fall bereitet sie die Durchführung der Wahlen zum Kirchenvorstand der Kuratie vor. Alle Mitglieder der zu errichtenden Kuratie können einen Namen für die Kuratie vorschlagen; der Name der Kuratie muss vom Bischof genehmigt werden.

3. Zählt eine Kuratie 20 gefirmte Mitglieder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, kann sie beim Synodalrat die Umwandlung in eine Pfarrgemeinde beantragen.


§ 3 Die Geistlichen

1. Voraussetzung für die Bekleidung eines geistlichen Amts als Bischof, Priester oder

Diakon in der Christ-Katholischen Kirche ist die jeweilige Weihe in kanonisch anerkannter apostolischer Sukzession.

2. Die Inhaber eines geistlichen Amts sollen die apostolische Tradition bewahren und weitergeben und als Vorbilder für die Gläubigen leben.

3. Priester und Diakone sind zur Teilnahme an den Pastoralkonferenzen verpflichtet.

4. Der Pfarrer einer Pfarrgemeinde trägt in seiner Eigenschaft als Vorsteher des geistlichen Dienstes in der Gemeinde die Verantwortung für das geistliche Leben der Pfarrgemeinde.


§ 4 Der Synodalrat

1. Der Synodalrat berät den Bischof in allen Angelegenheiten, die für die Pfarrgemeinden und Kuratien der Kirche von gemeinsamem Interesse sind oder die ihm vom Bischof zugewiesen wurden.

2. Der Bischof ist von Amts wegen Vorsitzender des Synodalrates. Der Synodalrat setzt sich aus Vertretern der Laien und der Geistlichen zusammen.

3. Die Amtszeit der gewählten Mitglieder des Synodalrats beträgt drei Jahre. Die Wiederwahl für eine unmittelbar anschließende Amtszeit ist möglich.

4. Weihbischof, Generalvikar und Offizial genießen Rede- und Antragsrecht im Synodalrat.

5. Der Archidiakon (Kanzler) ist Schriftführer des Synodalrates mit Rede- und Antragsrecht.

6. Der Synodalrat kann Kommissionen mit vorgegebenem Aufgabenbereich ernennen. Die Kommissionsmitglieder werden mit Zustimmung des Bischofs ernannt.

7. Jede Gemeinde wählt sowohl einen Geistlichen, als auch einen Laien in den Synodalrat.


§ 5 Die Synode

1. Der Bischof beruft die Synode ein und ist von Amts wegen Präsident der Synode. Im Fall der Sedisvakanz bekleidet der Bistumsverweser diese Funktion. Im Fall von §1 Abs. 11 oder 12 der Archidiakon.

2. Die Synode erörtert die vom Bischof vorgelegten Tätigkeitsberichte und gibt Empfehlungen zu den vom Bischof oder vom Synodalrat vorgelegten Fragen ab.

3. Da die Kirche den Glauben der Väter empfangen hat, ist die Bistumssynode nicht befugt hieran Änderungen vorzunehmen.

4. Die Synode wird in der Regel in jedem dritten Kalenderjahr einberufen und findet stets im Zusammenhang mit der Wahl der Vertreter zum Synodalrat statt.

5. Jede Pfarrgemeinde entsendet einen Kirchenvorsteher und einen von der Jahresmitgliederversammlung des Kirchenvorstandes gewählten Laienvertreter und den Pfarrer als stimmberechtigte Mitglieder zur Synode.

6. Soweit vorhanden, nehmen Generalvikar, Weihbischof und Archidiakon (Kanzler) mit Stimmrecht an der Synode teil.

7. Die gewählten Mitglieder des Synodalrates nehmen an der Synode mit Stimmrecht teil.

8. Der Bischof ernennt einen Synodalmoderator und bestimmt zwei Mitglieder, die für die Richtigkeit das Synodenprotokoll unterzeichnen.


§ 6 Auflösung der Kirche

1. Im Einklang mit dem allgemeinen Zweck der Christ-Katholische Kirche gemäß Kanon B § 1.1 sollen bei Auflösung der Christ-Katholischen Kirche alle Vermögenswerte und Gelder, die sich im Besitz der Kirche befinden oder von anderen treuhänderisch für die Kirche verwaltet werden, für kirchliche Zwecke auf der Grundlage des katholischen Glaubens der ungeteilten Kirche verwendet werden.


B. Statuten für Pfarrgemeinden der Christ-Katholischen Kirche in Deutschland

§ 1 Allgemeiner Zweck

1. Die Pfarrgemeinden der Christ-Katholischen Kirche sind eucharistische Gemeinschaften auf der Grundlage des katholischen Glaubens der ungeteilten Kirche.

2. Jede Pfarrgemeinde der Christ-Katholischen Kirche hat den Zweck, durch Gottesdienst und Lehre den Glauben ihrer Mitglieder zu nähren und zu stärken und sie in eine sakramentale Gemeinschaft einzugliedern, die sich der Mission und der Diakonie widmet.

3. Der Bischof führt die Aufsicht über die Tätigkeit der Pfarrgemeinden.

4. Jede Pfarrgemeinde kann Eigentum erwerben und besitzen, wie es für ihre Tätigkeit benötigt wird.

5. Insoweit dies dem Erreichen ihrer Ziele dienlich ist, kann jede Pfarrgemeinde Mitarbeiter beschäftigen und vergüten.

6. Bei Auflösung der Pfarrgemeinde fallen alle Vermögenswerte, die sich im Besitz der Pfarrgemeinde befinden oder von Dritten treuhänderisch für die Pfarrgemeinde verwaltet werden, an die Diözese.


§ 2 Mitgliedschaft in einer Pfarrgemeinde

1. Alle Mitglieder einer Pfarrgemeinde müssen im Namen des dreieinigen Gottes getauft sein.

2. Für alle Mitglieder einer Pfarrgemeinde gilt die apostolische Tradition als Lebensregel in Fragen der Lehre und der Sitten.

3. Alle Mitglieder der Pfarrgemeinde, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, sind auf der jährlichen Pfarrversammlung stimmberechtigt.

4. Mitgliedern der Kirche, an deren Wohnsitz keine Pfarrgemeinde besteht, kann der Bischof eine Pfarrgemeinde zuweisen.


§ 3 Der Kirchenvorstand

1. Der Kirchenvorstand unterstützt den Pfarrer und den Bischof bei der Verwirklichung der in § 1.1 und 1.2 genannten Ziele.

2. Der Kirchenvorstand ist für die Finanzen der Gemeinde verantwortlich und verwaltet den Besitz der Pfarrgemeinde in Übereinstimmung mit ihrem allgemeinen Zweck.

3. Dem Kirchenvorstand obliegt die Umsetzung der Beschlüsse der jährlichen Pfarrversammlung und der Generalsynode, soweit sie seinen Verantwortungsbereich betreffen.

4. Der Pfarrer ist von Amts wegen Vorsitzender des Kirchenvorstandes. Die Anzahl der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Kirchenvorstandes wird von der jährlichen Pfarrversammlung beschlossen. Der Kirchenvorstand wählt einen Schriftführer und einen Schatzmeister auf seiner ersten Sitzung nach der Pfarrversammlung.

5. Der Kirchenvorstand verwahrt alle Urkunden der Pfarrgemeinde, insbesondere etwaige Kaufurkunden oder Vermögenstitel, die Satzung und die Gründungsurkunde sowie weitere bedeutsame Unterlagen der Pfarrgemeinde, in einem Bankschließfach.

6. Der Jahresbericht wird dem Bischof vorgelegt.

7. Der Kirchenvorstand kann vor der Ernennung von Geistlichen in der jeweiligen Pfarrgemeinde Stellung beziehen.

8. Der Kirchenvorstand führt das Verzeichnis der stimmberechtigten Mitglieder der Pfarrgemeinde.


§ 4 Pfarrversammlung

1. Der Kirchenvorstand beruft die jährliche Pfarrversammlung mit einer Frist von drei Wochen unter Bekanntgabe der Tagesordnung ein. Die Pfarrversammlung findet jedes Jahr statt.

2. Der Pfarrer der Pfarrgemeinde ist von Amts wegen der Versammlungsleiter der Pfarrversammlung, und der Schriftführer des Kirchenvorstands ist der Protokollant der Versammlung. Die Versammlung bestimmt zwei Mitglieder, die für die Richtigkeit das Protokoll unterzeichnen.

3. Auf der Grundlage von Berichten des Pfarrers, des Kirchenvorstands und des Schatzmeisters erörtert die Versammlung die Tätigkeit der Pfarrgemeinde seit der letzten Pfarrversammlung. Die Mitglieder sollten die Berichte spätestens eine Woche vor der Versammlung erhalten.

4. Die Pfarrversammlung erörtert die Vorhaben der Pfarrgemeinde für das kommende Jahr und beschließt den Haushaltsplan.

5. Die Pfarrversammlung kann Beschlüsse zu allen Fragen fassen, die ihr vom Kirchenvorstand, vom Pfarrer oder vom Bischof vorgelegt worden sind.

6. Die Pfarrversammlung wählt den Kirchenvorstand aus dem Kreis der stimmberechtigten Mitglieder der Pfarrgemeinde.

7. Die Pfarrversammlung wählt einen Kassenprüfer und andere Funktionsträger auf Anraten des Kirchenvorstands oder des Pfarrers.

8. Eine außerordentliche Pfarrversammlung kann mit einer Frist von mindestens zehn Tagen einberufen werden, wenn der Bischof dies beantragt.


§ 5 Beauftragung von Laien zu kirchlichen Diensten

1. Je nach Bedarf und Mitteln können Laien für kirchliche Dienste beauftragt werden.


§ 6 Außenvertretung

1. Als Vorsteher des Gemeindelebens vertritt der Pfarrer die Gemeinde nach außen gegenüber kirchlichen und weltlichen Stellen.

2. Der Pfarrer, ein Mitglied des Kirchenvorstandes und ein weiterer Delegierter, der auf der Pfarrversammlung gewählt wird, vertreten die Gemeinde in der Synode.

Über die Tagung der Synode und die erfolgte Bischofswahl wurden die leitenden Bischöfe der altkatholischen Kirchen in Europa und Nordamerika informiert.


Impressum:

Redaktion: Klaus Mass, Kapellenstraße 7, 85254 Einsbach, pfarramt-christ-katholisch@web.de

Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht unbedingt die Lehrmeinung der Kirche wiedergeben.

Leserbriefe sind stets erwünscht.


Dokomentation:

ÜBER DIE BISCHOFSSYNODE

Aus der Apostolischen Konstitution EPISCOPALIS COMMUNIO von Papst Franziskus vom 15. September 2018


Papst Franziskus ruft die katholischen Bischöfe auf vom Kirchenvolk zu lernen, auf dieses zu hören und so die Stimme des Heiligen Geistes zu vernehmen. Der Bischof darf daher dem Volk nicht nur vorangehen, er muss mitten unter diesem leben und ihm auch nachfolgen. Eine wahrhaft synodale Kirche hört nicht nur die Stimmen aller ihrer Glieder, sondern wird auch mehr und mehr zu einem Werkzeug der Einheit aller Christen.


(…) „Der Bischof ist gleichzeitig Lehrer und Lernender. Er ist Lehrer, wenn er unter dem besonderen Beistand des Heiligen Geistes den Gläubigen das Wort der Wahrheit im Namen Christi, des Hauptes und Hirten, verkündet. Aber er ist auch ein Lernender, wenn er in dem Wissen, dass der Geist jedem Getauften geschenkt ist, auf die Stimme Christi hört, die durch das ganze Volk Gottes spricht und es „in credendo“ unfehlbar macht. Denn »die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben (vgl. 1 Joh 2, 20 u. 27), kann im Glauben nicht irren. Und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn sie „von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien“ ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert«. Aus diesem Grund soll der Bischof vor dem Volk »gehen und den Weg weisen; mitten unter ihm gehen, um es in der Einheit zu stärken; hinter ihm gehen, sowohl damit niemand zurückbleibt, aber vor allem, um dem Spürsinn zu folgen, den das Volk Gottes hat, um neue Wege zu finden. Ein Bischof, der mitten unter seinen Gläubigen lebt, hat offene Ohren, um zu hören, „was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 2,7) und die „Stimme der Schafe“, auch durch jene diözesanen Einrichtungen, die die Aufgabe haben, den Bischof zu beraten, indem er einen loyalen und konstruktiven Dialog fördert«.

Auch die Bischofssynode muss immer mehr zu einem bevorzugten Instrument des Hörens auf das Volk Gottes werden: »Vom Heiligen Geist erbitten wir für die Synodenväter vor allem die Gabe des Hörens: des Hörens auf Gott, so dass wir mit Ihm den Schrei des Volkes hören; des Hörens auf das Volk, so dass wir dort den Willen wahrnehmen, zu dem Gott uns ruft. «.

Obwohl sie in ihrer Zusammensetzung eine wesenhaft bischöfliche Einrichtung darstellt, ist die Synode daher nicht losgelöst von den übrigen Gläubigen. Im Gegenteil, sie ist ein geeignetes Instrument, um dem ganzen Volk Gottes gerade durch die Bischöfe, die von Gott »als authentische Hüter, Ausleger und Zeugen des Glaubens der ganzen Kirche« eingesetzt wurden, Stimme zu verleihen, und sich so von Versammlung zu Versammlung als eloquenter Ausdruck der Synodalität als »konstitutive Dimension der Kirche« erweist.

Deshalb ist, wie Johannes Paul II. sagte, jede Generalversammlung der Bischofssynode »eine tiefe Erfahrung von Kirche, wenn sie auch in ihren Verfahrensmodalitäten stets verbesserungsfähig bleibt. Die in der Synode versammelten Bischöfe vertreten vor allem ihre eigenen Teilkirchen; sie berücksichtigen jedoch auch die Beiträge der Bischofskonferenzen, von denen sie entsandt sind und deren Stellungnahme zu den zu behandelnden Fragen sie vortragen. Sie bringen so Wünsche des ganzen hierarchischen Leibes der Kirche und in gewisser Weise jene des gesamten Gottesvolkes, dessen Hirten sie sind, zum Ausdruck«.

Die Kirchengeschichte bezeugt vielfach die Bedeutung des Konsultationsprozesses, um die Meinung der Hirten und der Gläubigen hinsichtlich des Wohls der Kirche erkennen zu können. Es ist daher von großer Bedeutung, dass – auch bei der Vorbereitung der Synodenversammlungen – der Konsultation aller Teilkirchen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. In dieser ersten Phase legen die Bischöfe entsprechend den Anweisungen des Generalsekretariats der Synode den Priestern, Diakonen und Laien ihrer Kirchen – Einzelpersonen oder auch entsprechenden Vereinigungen – die Fragen vor, die in der Synodenversammlung behandelt werden sollen, ohne dabei den wertvollen Beitrag zu vernachlässigen, der von den gottgeweihten Männern und Frauen kommen kann. Vor allem der Beitrag der Teilhabegremien der Teilkirche, insbesondere des Priester- und des Pastoralrates, kann von grundlegender Bedeutung sein. Gerade von diesen ausgehend kann »eine synodale Kirche allmählich Gestalt annehmen«.

Auf die Konsultation der Gläubigen folgt während jeder Synodenversammlung der Unterscheidungsprozess seitens der eigens dazu ausgewählten Hirten, die vereint nach einem Konsens streben, der nicht menschlicher Denkweise, sondern dem gemeinsamen Gehorsam gegenüber dem Geist Christi entspringt. Aufmerksam gegenüber dem sensus fidei des Volkes Gottes – »wobei sie verstehen müssen, diesen von den oft wechselhaften Strömungen der öffentlichen Meinung zu unterscheiden« –, legen die Mitglieder der Versammlung dem Papst ihre Meinung vor, damit ihm dies in seinem Dienst als universalem Hirten der Kirche helfen kann. »Die Tatsache, dass der Synode normalerweise beratende und nur in Ausnahmefällen beschließende Funktion zukommt, mindert nicht ihre Bedeutung. In der Kirche ist nämlich der Zweck eines jeden Kollegialorgans, sei es beratend oder beschließend, immer auf die Wahrheit oder auf das Wohl der Kirche ausgerichtet. Wenn es sich dann um die Feststellung des gemeinsamen Glaubens handelt, wird der consensus Ecclesiae nicht durch die Auszählung der Stimmen gewonnen, sondern ist Frucht des Wirkens des Geistes, der die Seele der einzigen Kirche Christi ist«. Deshalb hat das Votum der Synodenväter, »wenn moralisch einmütig, ein qualitatives kirchliches Gewicht, das über den rein formalen Aspekt des beratenden Votums hinausgeht«.

Auf die Synodenversammlung muss schließlich die Phase ihrer Umsetzung folgen, mit dem Ziel, in allen Teilkirchen die Rezeption der Synodenentscheidungen, die sich der Papst in einer ihm geeignet erscheinenden Weise zu Eigen gemacht hat, auf den Weg zu bringen. Dabei ist zu beachten, dass »die Kulturen untereinander sehr verschieden [sind], und jeder allgemeine Grundsatz [...] inkulturiert werden [muss], wenn er beachtet und angewendet werden soll«. Auf diese Weise wird sichtbar, dass der synodale Prozess nicht nur seinen Ausgangs- sondern auch seinen Zielpunkt im Volk Gottes hat, auf das sich die mittels der Versammlung der Hirten gewährten Gnadengaben des Heiligen Geistes ergießen sollen. (…)

Ich vertraue weiterhin darauf, dass gerade durch die Förderung einer »Neuausrichtung des Papsttums […], [die dazu führt, dass es] der Bedeutung, die Jesus Christus ihm geben wollte, treuer ist und mehr den gegenwärtigen Notwendigkeiten der Evangelisierung entspricht«, die Tätigkeit der Bischofssynode auf ihre Weise zur Wiederherstellung der Einheit unter allen Christen nach dem Willen des Herrn beitragen kann (vgl. Joh 17,21). Damit wird sie der katholischen Kirche helfen, entsprechend der vor Jahren von Johannes Paul II. geäußerten Hoffnung, »eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet«.“ (Quelle: Vatikan)



Buchbesprechungen


Hartmut Leppin

Die Frühen Christen – Von den Anfängen bis Konstantin

München 2018, 512 Seiten, 29,95€


Die frühen Christen bildeten keineswegs eine homogene Gruppe, geschweige denn eine Kirche. Vieles an den frühen Christen ist uns fremd und weit entfernt von dem, was heute als Christentum gilt. Der Autor, Professor für Alte Geschichte in Frankfurt am Main, fragt wie sich eine kleine, sozial schwache Gruppe aus der Peripherie des Reiches ausbreiten konnte und welchen Herausforderungen deren Angehörige sich gegenübersahen. Quellenreich und souverän in der Auswertung internationaler Kirchengeschichtsforschung, aber nicht immer linear und für Laien geeignet, präsentiert der Autor ein Kaleidoskop von Funden, die der Leser, am besten vor- und zurückblätternd erkundet. Es geht Leppin in seiner Darstellung nicht um den Siegesweg des Christentums zur Weltreligion, sondern um dessen vielfältige und auch widersprüchliche Anfängen.

Von besonderer Aktualität mögen, wenn man an die Causa Wucherpfennig denkt, die Kapitel zum Thema Sexualität aufscheinen. Der Neutestamentler Ansgar Wucherpfennig war im vergangenen Jahr mit der Aussage angeeckt, dass es bibelwissenschaftlich nicht möglich sei, die Aussagen des Apostels Paulus zur Homosexualität und zur „Knabenliebe“ auf die heutigen moraltheologischen Herausforderungen eins zu eins zu übertragen. Da Wucherpfennig sich exegetisch bisher nicht ausführlicher zur Sache geäußert hat, mag es umso interessanter sein, was ein an der Sache interessierter Historiker beizutragen weiß.

Eine legitime Verbindung im römischen Reich konnte nur die Ehe zwischen Mann und Frau sein. Der schlichte Grund war, dass allein aus dieser Ehe legitime Kinder, also römische Bürger, erwachsen konnten. Unter Augustus gab es sogar ein Gesetz zur Ehepflicht. Folglich ging es in dieser Frage weder um die Liebe des Paares, noch um die Zeugung der Kinder an sich, sondern allein um das römische Bürgerrecht. Die Kinder von Sklaven waren wiederum Sklaven, eine Bürgerstochter, welche sich mit einem Sklaven verband, wurde zur Sklavin. Ausgesetzte Kinder wurden in „Waisenhäusern“ aufgezogen und in die Sklaverei verkauft. Langjährige Sklaven konnten sich freikaufen und zu Bürgern werden. Der Status zwischen freien Bürgern und Sklaven war in beide Richtungen durchlässig.   

Selbstverständlich kamen auch Homosexualität und Pädophilie innerhalb der römischen Gesellschaft vor. Zumeist wurde beides als „griechische Liebe“ bezeichnet und ist daher oft nicht klar voneinander abzugrenzen. Die „griechische Liebe“ kam jedoch niemals zwischen zwei gleichberechtigten Partnern vor. Während die römischen Bürgerinnen zur vollständigen Treue verpflichtet waren, galt es gesellschaftlich durchaus als legitim, wenn ein Bürger seine Sexualität auch mit Sklaven, seien diese nun männlichen oder weiblichen Geschlechts, auslebte. Allerdings verlor der Bürger seine Ehre, wenn er seinem Sklaven dabei den aktiven, männlichen Part überließ.

Dem Apostel Paulus ging es nun allerdings ganz im Gegensatz zur römischen Gesellschaft nicht darum, dass die Christen möglichst viele (legitime) Kinder gebären sollten, sondern darum, dass die Christen, seien sie nun Freie oder Sklaven, möglichst ohne Sünde ihren Sexualtrieb integrieren sollten. Für Paulus war dies auf zwei Weisen möglich, durch die Ehe und durch den freiwilligen Verzicht. Insofern ist Wucherpfennig Recht zu geben, dass Paulus sich nicht zu einer gleichberechtigten gleichgeschlechtlichen Partnerschaft äußern konnte, da diese vollständig jenseits seiner Vorstellungswelt liegen musste. Erst mit der Überwindung der Naherwartung und der zunehmenden Christianisierung der Gesellschaft konnte sich dann auch ein christliches Ehe- und Familienverständnis entwickeln.


Ioan Vasile Leb, Konstantin Nikolakopoulos, Ilie Ursa

Die Orthodoxe Kirche in der Selbstdarstellung

Münster 2016, 340 Seiten, 34,90€


Dieser von zahlreichen orthodoxen Theologen zusammengestellte Sammelband ermöglicht einen ersten Einblick in Geschichte, Lehre und Organisation der Orthodoxen Kirche. Auf die Darstellung der einzelnen orthodoxen Landeskirchen folgt ein kurzer Ritt durch die altkirchlichen ökumenischen Konzilien. Kurz, oft allzu kurz, folgt eine Einführung in theologische, bibelwissenschaftliche, liturgische und ikonographische Eigenheiten der Orthodoxie. Überraschendes mag der interessierte Leser in den umfänglichen Ausführungen zur Kultur, Soziallehre, zur Politik, zum Staats- und Europaverständnis der Orthodoxie erfahren. Der Band endet mit einem einführenden Überblick in das orthodoxe Verständnis von Ökumene, sowie in die orthodoxe Diaspora in Europa und Amerika.

An dieser Stelle soll ein kleiner Einblick in das alt- und ostkirchliche Kirchenrecht gegeben werden, welches von Anargyros Anapliotis (Dozent für Kirchenrecht an der Universität München) vorgestellt wird. Im Gegensatz zum westlichen Kirchenrecht ist das östliche Kirchenrecht niemals in klare Rechtsgebiete geordnet und damit systematisiert worden. Das alte Recht setzt sich aus biblischen Weisungen, Kanones ökumenischer Konzilien und lokaler Synoden, sowie Weisungen der Kirchenväter und Interpretationen späterer Theologen zusammen. Dem ostkirchlichen Rechtsgelehrten genügt es nun jedoch keineswegs aus dieser ungeordneten Schatztruhe die für seine Sache besten Argumente zu heben, diese Argumente müssen nun in einem zweiten Gang in Einklang mit den aktuellen Statuten seiner jeweiligen Ortskirche gebracht werden. Drittens ist das Kirchenrecht im Osten niemals ganz vom weltlichen Recht zu trennen. So wird der Kirchenrechtler sowohl auf das kaiserliche Recht von Byzanz blicken, als auch auf die heutige weltliche Rechtssetzung.

Bezüglich der Konzilien und Synoden kommt es weniger als im Westen auf deren formalrichtige Einberufung und Durchführung an, als vielmehr auf deren Rezeption durch Volk und Klerus. Das tatsächliche Gewicht einer Synode und deren Beschlüsse ergibt sich folglich erst aus deren Bewertung auf den folgenden kirchlichen Versammlungen.

Bei der Anwendung des Kirchenrechtes unterscheidet der Kirchenrechtler zwischen der strengen Akrebie (dem strikten Wortlaut des Kanons) und der barmherzigen Oikonomie (die weitherzige Auslegung im Einzelfall). Die Rechtsauslegung hat weniger die Nöte der Gesamtkirche im Blick als vielmehr das Seelenheil des Einzelnen. Wo der Einzelne in einer unüberbrückbaren Spannung zum Ganzen steht, kann das Ganze für einen Augenblick an Bedeutung verlieren um dem Einzelnen wieder Luft zum Atmen zu geben. So kann im Einzelfall die christliche Nächstenliebe über das allgemeine Recht gestellt werden, ohne dass dieses in irgendeiner Weise dabei in Zweifel gezogen würde.


Kongress des Herderverlages in Dresden

Gott? Mut zur Religion in der modernen Gesellschaft

Eindrücke von Fritz Hartmann und Gerhard Seidler


Elbflorenz – ein Name wie ein Programm. Ein Ensemble so alter und doch so neuer Bauten. Frauenkirche, Zwinger, Schloss samt Kirche... eine sehens- und liebenswerte Größe. Und in diese wahrlich säkulare Stadt kehrt ein Gottes-„?“- Kongress ein! Gut 400 Suchende haben sich versammelt. Eine Frage, die virulent ist, seit es den Homo sapiens gibt. Und doch gibt’s auch Gottlose in der Nachbarschaft, bei denen es am normalen menschlichen Miteinander mangelt. Chemnitz ist nicht weit. In profunder, wortgewaltiger punktgenau treffender und hinterfragender Weise moderierte Johannes Röser, der Chefredakteur der christlichen Wochenzeitung Christ in der Gegenwart, diesen Jubiläumskongress.


An den Beginn gesetzt gehört ein Bonmot, ein „gutes Wort“ einer Kirchengemeinde, überliefert vom begrüßenden Staatsminister Oliver Schenk: „Sie wollen das christliche Abendland retten? – Wir treffen uns jeden Sonntag um 10:30 Uhr zum Gottesdienst.“


Die in Passau Politikwissenschaft lehrende Prof. Dr. Barbara Zehnpfenning skizziert eine sich wandelnde Gesellschaft. „Die Suche nach Orientierung. Religion - ein Irrweg oder der Weg“:


Glaube als Befähigung zum Wissen und Wissen als Befähigung zum Glauben. Freiheit gebiert Vielfalt. Vielfalt kann zur Orientierungslosigkeit und Sinnlosigkeit führen. In jedem steckt immer schon eine Sehnsucht nach Transzendenz, nach Ich-Überschreitung. Rausch und Liebe sind Ausdruck der Sehnsucht nach der „Unterwerfung“ an einen übergeordneten Maßstab. Der Mensch kommt nur zu sich selbst, wenn er sich selbst übersteigt. Jesus fordert zur Änderung der eingeschliffenen Einstellungen auf, zu einer Überwindung des Gewohnten: Gottvertrauen – wie schwer fällt uns das, da wir uns ja nicht einmal selbst vertrauen. Und doch: es geht ums vorbehaltlose Vertrauen. Die Existenz der Naturgesetze zeigt auf: die Materie hält sich an Geistiges. Materie ordnet sich dem Gesetz unter und löst sich im Geistigen auf. Doch woher kommt Geist, woher das Gesetz, dem die Materie folgt? Marx vermutete im Geistigen ein Herrschaftsinstrument zur Jenseitsvertröstung.


Allgemein gilt es der Jenseitsvertröstung den Riegel vorzuschieben. Denn der Missbrauch einer Sache ist kein Argument gegen die gute Sache selbst. Jesus sagt, dass das richtige Leben hier und jetzt anfängt und widerspricht dem Bild von Nitzsches Übermenschen, bei dem die Liebe zum Schicksal das Mittel ist um die Sinnlosigkeit zu übersteigen. Christentum ist die einzige universalistische ausgerichtete Religion. Alle sind gemeint. Alle sind angesprochen.   


Im Judentum sind das nur die Juden, im Islam nur die Glaubenden, im Christentum aber wirklich alle, die Nahen und die Fernen.


Die liberale Demokratie bietet die höchste Freiheit an Wahlmöglichkeiten, aber damit auch Orientierungslosigkeit und Sinnlosigkeit. Damit steht die Lösung der Sinnfrage im Zentrum. Zugleich haben sich Milieus aufgelöst, atomisiert.

„Schon die Kinder sollen im Grunde selbständig wählen, als bedürfe es für eine vernünftige Wahl nicht zuerst einmal die Vermittlung jener Wertgrundlagen und der Herausbildung jener Urteilskraft, die eine gute Wahl erst möglich machen.“


Was kann da Orientierung schaffen? Die existentielle Erfahrung des „alleine seins“, gefangen von alltäglichen Dingen eröffnet die Einsicht: „Ich bin nicht Herr meines Lebens“. So taucht in jeder Kultur die Transzendenzfrage auf. Der Mensch erfährt sich als mangelhaft (geistig, körperlich und sozial) und erlebt gleichzeitig das Bedürfnis nach Grenzüberschreitung.


Für Barbara Zehntpfennig gilt: nur wer liebt, überwindet diesen Mangel, allerdings in einem merkwürdigem Paradoxon: „dass der Mensch erst zu sich kommt, wenn er sich selbst überschreitet. Das Christentum zeichnet sich dadurch aus, dass in ihm ein Mensch Gott ist, und dass dieser Gott-Mensch eine zentrale Botschaft verbreitet hat: die der Liebe, was sogar das Gebot Feindesliebe einschließt.“


Jesus hat vorgelebt, dass der Liebende fähig ist, falsche Einstellungen zu ändern. Die Metanoia – die Sinnänderung- steht am Anfang von allem.


Der katholische Bischof des Bistums Dresden-Meißen Heinrich Timmerevers, ein alter „Münsteraner“ stellt in seinem Bericht fest, dass die Bewohner im Diasporabistum in der Mehrheit keine Christen sind. Er erzählt eine Anekdote: Ein Freund aus seiner südoldenburgischen katholisch geprägten Heimat habe ihn besucht. Bei der Begegnung mit einem Leipziger Bürger habe sich der Freund vorgestellt: „Ich bin katholisch – und Sie?“ Der Leipziger antwortete erst nicht. Rückfrage: „Oder sind Sie evangelisch?“ Darauf der Leipziger: „Was soll ich sein? Ich bin normal!“


Der Priester und Autor Dr. Gotthard Fuchs („Ich glaube weil ich bete. Mystik im Alltag“, so das Thema seines Vortrags), stellte fest, dass wir gerade Zeugen des Sterbens einer Kirchengestalt sind. Leidvoll sei dies überall zu spüren. Energien laufen ins Leere und Verlusterfahrungen und -ängste nehmen zu. Fuchs erinnert daran, dass die alten Kirchenväter die Kirche nicht als statische, unveränderliche Realität, sondern als Umkehrgemeinschaft verstanden haben. „Kehrt um“ ist ein Schlüsselsatz in der Frohbotschaft nach Markus. Das meint: ändert euren Sinn! Als Bild dafür sahen sie den ab-und zunehmenden Mond. „Das Licht des Mondes spiegelt das heilende Licht Christi im Werden und Vergehen. Der Mond muss in rhythmischen Anständen sterben. Das ist ein österliches Bild, das auch die Kirche betrifft.“ So kann die Erfahrung der Schönheit und des Unglücks als Eintritt ins Mystische gelten. „Man weiß nicht was Hoffnung ist, ehe man nicht erfasst hat, wie sehr sie der Verzweiflung gleicht“, schreibt Thomas Merton. Sehnsucht und Verzweiflung hängen so eng zusammen. Auch Simone Weil wusste das. Gott sucht den Menschen. ER sucht seine Schöpfung. Glauben bedeutet sich von IHM finden und lieben zu lassen.


Eigentlich ist dies das Zentrum allen religiösen und mystischen Lebens. Das erste und wichtigste aller Gebote, das Israel ins Herz geschrieben wurde, hebt an mit der Aufforderung: „Höre Israel! Der Herr ist unser Gott, der Herr ist einzig.“ Dieser schließt sich das Liebesgebot an: „Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Du sollst deinen Nächsten, ja den Fremden, lieben, er ist wie Du“ Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden!“ (Mk 12, 28b-34)   


Der Unbegreifliche wollte sich in Jesus Christus begreiflich machen. Was in Jesus Christus geglückt ist, soll in jedem Menschen gelingen. Das ist das Geheimnis der Inkarnation: Gott sucht uns als Mitliebende. Das unterscheidet den christlichen Gott vom Gott der Philosophen: der unbewegte Beweger wird geliebt, kann aber selbst nicht lieben. So gilt es, den bittenden Gott, die Not Gottes zu entdecken: sich vom Schmerz Gottes ergreifen lassen und in Wort und Tat die Verhältnisse der Welt wandeln, mit der Bitte um Bewahrung und Vollendung der Schöpfung. Dies ist abzulesen am Geschehnis im Leben und im Heimgang Jesu. Aus all dem folgend können wir sagen: Sünde ist, sich nicht wirklich lieben zu lassen.


Prof. Dr. Michael Seewald, Priester und Inhaber des Lehrstuhls für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster betitelt seine Einlassungen „Hoffnungslos religiös oder religiös, weil voller Hoffnung? Glaube, Unglaube und das Menschsein des Menschen“. Geboren 1987 ist er einer der jüngsten Professoren Deutschlands in einer geisteswissenschaftlichen Disziplin.


„Der Homo religiosus ist eine aussterbende Art“. Überlegungen zur Anthropologie: Im attischen Griechenland bedeutete der Begriff anthropologos eigentlich „Schwätzer“. Erst im 16. Jh. erhält er die heutige Bedeutung, ist damit ein neuzeitliches Phänomen. Es geht um die Suche nach dem Wesen des Menschen. (Seit den Konfessionskriegen wird die feste Ordnung hinterfragt. Bis auf die Basis der Natur ist alles fragwürdig.) Im 18. Jhdt. interessiert sich dann die Theologie für die Anthropologie. Der „Homo religiosus“ ist die Natur des Menschen – so wird von katholischer Seite aus unterstellt. Der un- bzw. nicht religiöse Mensch ist dann damit un- bzw. widernatürlich. Seewald hinterfragte diesen Befund auch bei Karl Rahner. Dieser hatte in seinem anthropologischen Verständnis des „anonymen Christen“ nahegelegt, dass im Grunde jeder Mensch implizit auf das christliche Glaubensverständnis hin angelegt sei, ja sogar mit der Möglichkeit auf das Katholische hin. Jeder ist Christ, ob er es weiß oder nicht. So kritisiert Seewald, dass die Kirche die vermeintlich naturale religiöse Veranlagung umso lauter vertrete, je fragwürdiger der Naturbegriff außerhalb kirchlicher Mauern geworden sei.


Heute ist alles – begründet in der vermeintlich immer größer werdenden Freiheit – unverbindlich geworden. Eine Vielzahl und zum Teil gegensätzliche Weltanschauungen oft ohne Gottesvorstellung versuchen eine Antwort auf den Transzendenzverlust zu geben. Dabei geht es um Plausibilität, Wahrheit und Relevanz. Wenn beispielsweise der Katholische Katechismus von 1992 noch von Adam und Eva als einem historisch ersten Menschenpaar ausgeht, dabei alle Erkenntnisse und Nachweise der Naturwissenschaft ignoriert, wirkt diese Aussage wenig glaubwürdig. Solange die katholische Lehrarchitektur versucht, eine bis ins letzte Detail ausgefeilte Weltanschauung zu vermitteln und damit eine Reglementierung des menschlichen Lebens in all seinen Vollzügen festschreiben will, kann sie heute nicht mehr überzeugen. Sie tut sich einfach schwer damit, die Gestaltoffenheit des Daseins vorbehaltlos zu akzeptieren.


Durch diesen Anspruch, unter einem Begriff alles zusammenfassen zu wollen, wird ein hoher Exklusionsdruck (de facto eine „Auswanderungsbewegung“) erzeugt, der wesentlich größer ist als Integrations- und Bindungskräfte zusammen. Damit ist es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, Hoffnung und Liebe in unserer Zeit glaubhaft zu verkünden. „Der Freiheit der Menschen und ihrer Fähigkeit, sich selbst auch in ihrem Glauben und Hoffen ein verantwortetes Urteil zu bilden, wird amtskirchlich misstraut“, stellt der Dogmatiker fest.


Hoffnung, in der Antike ein durchaus zwielichtiger Begriff, der sich in unserer Zeit zum Positiven gewandelt hat. Die Hoffnung entstammt diesem Mythos nach der „Büchse der Pandora“, bei deren Öffnen eine Schar von Übeln entweicht. Aber bevor die Hoffnung als Letzte entweicht wird diese „Büchse“ geschlossen. So bleibt die Hoffnung das Mittel, das Leben zu ertragen. „Hoffnung als das Offenhalten von Nichtnotwendigem, Zufälligmn und die gleichzeitige Weigerung, sich damit abzufinden, bietet die Zuversicht, dass auseinanderstrebende Erfahrungen, die Menschen nicht mehr unter einen Hut zu bringen vermögen, doch noch zusammenzubringen sind: Sittlichkeit und Glückseligkeit, Treue und Beständigkeit, Sehnsucht und Erfüllung.“ Mehr noch:


„Christliches Hoffen zielt auf Auferstehung und ewiges Leben, auf die Erwartung, dass der Tod nicht das Letzte sei, sondern eben das Leben in Gemeinschaft mit Gott. Die Kirche ist die Gemeinschaft der Hoffenden, die das Evangelium nicht mehr loslässt“; jene Frohe Botschaft, die aufweist, dass alles Scheitern „im Schicksal Jesu überwunden“ ist.


„Evangelium (Frohe Botschaft) von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“. Mit diesen Worten beginnen die Aufzeichnungen des Markus. Und damit ist alles ausgesagt, um was sich Kirche, die Gemeinschaft der Hoffenden zu kümmern hat: die Verkündigung dieser Botschaft. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.


Offenheit und Weite waren die bestimmenden Größen dieser wertvollen Veranstaltung. Eine Teilnehmerin fasste eine weitere Schlussfolgerung hinzu: Wir alle müssen uns ändern! Wir sind eine Gemeinschaft der Hoffenden und das gilt auch für das Werden unserer kleinen Kirche. Also: im Wesentlichen Einheit, im Weiteren Freiheit, in allem aber Liebe.


(Unter Verwendung eines Artikels über den Kongress in Dresden von Stefan Langer und Christian Springer.)